
Sonnenlicht über Saalbach-Hinterglemm, besser hätte es das Publikum am ersten Tag der Ski-WM kaum treffen können. Und für die Gewitterwolken sorgt der wilde alpine Zirkus ohnehin verlässlich selbst. Den blitzeschleudernden Zeus über dem österreichischen Alpenland gibt diesmal der ehemalige deutsche Skirennläufer Felix Neureuther, der sich vor Beginn des ersten WM-Rennens zu dessen Modus geäußert hat. Und zwar wenig bis gar nicht heiter.
„Der Parallel-Wettbewerb hat für mich nichts mit Skifahren zu tun“, sagte der 40-Jährige im Podcast „Après-Ski“ der Schweizer Zeitung Blick. Felix Neureuther, der 2005 selbst im damaligen Team-Event Weltmeister wurde, erklärte, dass Disziplinen Abfahrt, Super-G, Riesenslalom und Slalom die „Grunddisziplinen des Skisports“ seien. „Die haben mit Parallel-Fahren aber absolut gar nichts zu tun.“

Lindsey Vonn bei der Ski-WM
:„Das war pretty fucked up“
Nach ihrer Comeback-Ankündigung musste Lindsey Vonn sich von früheren Ski-Heroen einiges anhören. Sich mit 40 Jahren und Titan im Knie Eishänge hinabzustürzen: Sie habe einen „Vollschuss“, hieß es. Bei der WM in Saalbach kontert Vonn nun ihre Skeptiker.
Diese These des einstigen Slalomspezialisten war ähnlich steil wie der Zwölferkogel im Ortsteil Hinterglemm, wo am Dienstag die ersten WM-Medaillen ausgefahren wurden. Im sogenannten Team-Parallel-Wettbewerb schalteten die favorisierten Schweizer das durch den Ausfall von Parallel-Weltmeister Alexander Schmid geschwächte, dennoch überraschend starke deutsche Team mit Lena Dürr, Fabiana Dorigo, Fabian Gratz und Linus Straßer aus, ehe sie später im Finallauf überraschend dem neuen Weltmeister Italien unterlagen. Bronze ging an das Quartett aus Schweden. Die vier deutschen Rennen im Viertelfinale gegen die Schweiz endeten 2:2, lediglich die bessere Gesamtzeit sprach am Ende gegen das DSV-Team, das am Ende Fünfter wurde – vor Gastgeber Österreich. „Wenn wir unsere Zeiten mit den anderen vergleichen, war es extrem gut“, erklärte Straßer nach dem Rennen. Er empfinde den Parallel-Modus als „wunderbar“ und als Auftakt geeignet, „dass die Athleten und das ganze Publikum warm werden“.
Tatsächlich hatte der Skiweltverband Fis den Team-Wettkampf nach der WM 2023 eigentlich aus dem Weltcup-Programm sämtlicher Frauen- und Männerrennen gestrichen. Kombinations-Wettbewerbe fanden zuletzt bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking statt. Wohl auch, weil bei den Kombi- und Parallel-Rennen der Ruf der Unvollkommenheit mitkurvte. Weder Fisch noch Fleisch, so wurde geraunt, die großen Geschichten entstanden auf historischen Hängen, denen Mythen angedichtet werden, etwa am Kitzbüheler Hahnenkamm oder unterhalb des Lauberhorns von Wengen. Spektakuläre Stürze wie der von Hermann Maier 1998 in Nagano ereigneten sich meist in Abfahrtsrennen, Stangen-Dramen wie Linus Straßers Einfädler an Tor zwei in Schladming 2023 spielten sich meist im Slalom ab.
Nur: Was wäre, wenn im Flutlicht von Schladming einfach zwei Slaloms parallel gesteckt wären?
In Saalbach jedenfalls ging am frühen Dienstagabend die Nachtbeleuchtung des Zwölferkogels an. Und unten im Stadion wurden die Fahrer im Riesenslalom-Duell Mann gegen Mann und Frau gegen Frau von knapp 15 000 feiernden Gästen empfangen. Sie bekamen einen Wettbewerb zu sehen, in dem die besten 14 Länder in der Weltcup-Nationenwertung mit je vier Athleten in Ausscheidungsrunden antraten, beginnend mit dem Achtelfinale.
Ein solches Parallel-Rennen könnte man auch am Münchner Olympiaberg ausrichten – wie 2011 bereits geschehen
Kritikern dieses Formats könnte man entgegenhalten, dass ein Parallelwettbewerb wie der in Saalbach den Veranstaltern deutlich mehr Sicherheit bietet als jedes andere alpine Format. Statt einer vier Kilometer langen Rennpiste wie in Abfahrtsrennen genügt in Saalbach ein kurzer Hang: 105 sehr steile Höhenmeter und lediglich 19 Torstangen galt es dort am Dienstag pro Lauf und Athlet zu bewältigen. Man könnte ein solches Rennen auch am Münchner Olympiaberg austragen, was ja 2011 im Rahmen des Ski-Weltcups erfolgreich geschehen ist – aus Fansicht war das gigantisch. Die Fis konnte sich seinerzeit sogenannte City-Events begeistern, nach dem bis dato letzten seiner Art 2019 in Stockholm war aber Schluss.

:Slalom, Super-G und Abfahrt: alle Termine und Ergebnisse zu den Wettbewerben
Werden es Festspiele für die Schweiz und gibt es eine Überraschungs-Medaille für den DSV? Unsere Übersicht zur Alpinen Ski-WM zeigt, wann welches Rennen stattfindet.
Warum eigentlich sind diese kurzen Parallelevents bei der Fis seither wie eine Art ungeliebtes Stiefkind? Und nicht mehr Teil des Ski-Weltcups?
Diese Frage war zumindest auf den Rängen des WM-Stadions in Saalbach-Hinterglemm deutlich zu vernehmen. Und sie ist aus Sicht der Zuschauer nachvollziehbar: Im Super-G und in der Abfahrt mag es zwar bisweilen zu spektakulären Szenen – meist Stürzen, oder abgefangenen Stürzen – kommen, ein Lehrstück in Dramaturgie sind diese Hochgeschwindigkeitsrennen der Alpinisten allerdings noch nie gewesen. Die Besten starten gleich zu Beginn, nicht selten ist das Rennen nach zehn bis 15 Fahrern entschieden, nach einer guten halben Stunde passiert größtenteils nicht mehr viel, auch das gehört zur Wahrheit.
Im Team-Parallelwettbewerb indes entscheidet nach knapp drei Stunden erst die vierte und finale Runde zwischen den beiden schnellsten Nationen über den Sieg. Ein Pluspunkt für weniger fachkundige Zuschauer: Wenn zwei Fahrer parallel starten, erkennt man bisweilen nicht nur gut, wer der schnellere ist – sondern auch warum.
Im Biathlon startet der zuständige Weltverband IBU im Oktober erstmals mit einem Stadtrennen in die Saison, wie weiland die City-Events der Alpinen. Um den Zuschauern den Zugang zur Sportart zu erleichtern, so die IBU, geht es nach München. Gelaufen und geschossen wird am Fuße des Olympiabergs, wo die Skirennläufer 2011 letztmals gesichtet wurden.