
Frankreichs Fußballerinnen haben bei der Europameisterschaft in der Schweiz Titelverteidiger England die Grenzen aufgezeigt. Im Duell der Mitfavoriten setzte sich der spielstarke Halbfinalist von 2022 mit 2:1 (2:0) gegen die Auswahl von Erfolgscoach Sarina Wiegmann durch. Vor 22.542 Zuschauern im Züricher Letzigrund trafen Marie-Antoinette Katoto (36. Minute) und Sandy Baltimore (39.) für die Französinnen, Keira Walsh (87.) verkürzte spät.
England oder Frankreich könnten der Viertelfinal-Gegner der deutschen Frauen sein. Die Engländerinnen mit Georgia Stanway vom FC Bayern im Mittelfeld spielten am Anfang zielstrebiger nach vorn. Frankreichs Ballkünstlerinnen verloren sich öfter im Klein-Klein, übernahmen dann aber die Initiative.
Bei den Lionesses waren vor dem Turnier drei EM-Heldinnen von 2022 aus dem Nationalteam zurückgetreten: Torhüterin Mary Earps, Fran Kirby und Millie Bright. Die niederländische Trainerin Wiegman ließ sich dadurch aber nicht groß beeindrucken. Die 55-Jährige hatte seit 2017 ihr jeweiliges Team, erst das Oranje-Team und dann England, stets ins WM- und EM-Endspiel geführt.
Wendie Renard nicht nominiert
Die Engländerinnen verloren in der ersten Halbzeit immer mehr die Kontrolle. Und Stanway leistete sich einen folgenschweren Ballverlust: Über die starke Élisa de Almeida auf der rechten Außenbahn und Delphine Cascarino landete der Ball bei Katoto, die zum 1:0 einschob. Kurz darauf ließ Baltimore drei Gegenspielerinnen stehen und erhöhte auf 2:0.
Bei den Französinnen war die langjährige Kapitänin und Abwehrchefin Wendie Renard zu ihrem großen Ärger nicht von Trainer Laurent Bonadei für die Schweiz nominiert worden. Auch Rekordnationalspielerin Eugénie Le Sommer (200 Länderspiele) fehlt. Nach dem gelungenen Turnierstart lebt jedoch der Traum vom ersten internationalen Titel. Auch nach der Pause fanden die Engländerinnen wenig Lücken. Einzige Ausnahme war Walsh, die nach einem Eckball präzise ins rechte Eck traf und Frankreich noch mal zittern ließ.
Zuvor hatten sich die Niederlande in der starken Gruppe D mit 3:0 (1:0) gegen Neuling Wales durchgesetzt. Dabei trafen Kapitänin Vivianne Miedema mit ihrem 100. Länderspieltor sowie Victoria Pelova und Esmee Brugts in Luzern für die Europameisterinnen von 2017. Die 28 Jahre alte Kapitänin Miedema, inzwischen bei Manchester City, erzielte kurz vor der Pause das erlösende 1:0 (45.+3) mit einem feinen Schlenzer aus 17 Metern. Die weiteren Tore für das Team des früheren Bundesliga-Trainers Andries Jonker steuerten Victoria Pelova (48. Minute) und Esmee Brugts (57.) bei.
Der souveräne Auftritt dürfte vorerst die Zweifel vertreiben, die nach dem 0:4 im vorletzten Nations-League-Spiel gegen Deutschland aufgekommen waren. Gegen kompakt verteidigende Waliserinnen fand der in seinen hellblauen Auswärtstrikots angetretene WM-zweiten von 2019 allerdings erst nach Miedemas Treffer in die Spur. Pelova und Brugts münzten die teils drückende Überlegenheit in weitere Tore um, dazwischen trafen die früheren Bundesliga-Spielerinnen Jill Roord sowie Jackie Groenen noch die Latte.
Danach machten die Niederländerinnen kaum mehr als nötig, hatten die Partie aber jederzeit im Griff. Die weiteren Gruppengegner heißen England und Frankreich. Für Jonker, der einst die Männer des VfL Wolfsburg und interimsweise jene des FC Bayern trainiert hatte, ist die EM vorerst das letzte Turnier als Trainer der „Oranje Leeuwinnen“. Der Verband wollte den Vertrag des 62-Jährigen nicht mehr verlängern.