Klaus Willbrand: Der Bücherversteher | ZEIT ONLINE

Er hatte immer etwas Zerbrechliches, wie er da zwischen all
seinen Büchern saß. Der Körper leicht gebeugt, die Haare federleicht und weiß
und etwas wirr, die Brille mit den dicken Gläsern auf der Nase und die Hände in
seinem Schoß verschränkt. Die Kamera rollte, dann sprach eine Frauenstimme aus
dem Off, stellte meist eine Frage. „Welche Werke von Tolstoi sollte man gelesen
haben?“ Oder: „Was hältst du von Emily Dickinson?“ Und Klaus Willbrand redete. Manchmal eine, manchmal zwei Minuten, mit vielen kleinen Denkpausen, immer
ruhig und bedacht, mit großem Fachwissen und spürbarer Leidenschaft: Hier war
einer, der Bücher liebte. Er sprach über all die Werke, die ihn begeisterten,
und die Autorinnen und Autoren, die die Literaturgeschichte für ihn geprägt hatten. Er war der
Mann, der Marcel Proust wegen seiner sprachlichen Kunst bewunderte und der der Meinung
war, dass es kein einzelnes Werk gebe, das ein junger Mensch gelesen haben müsse
– aber dass es gut sei, „den Fabian von Erich Kästner“ oder die frühen
Böll-Romane zu kennen. Auf TikTok und Instagram folgten ihm rasch Hunderttausende.
Nun verkündete der Account, dass der Kölner Antiquar am Mittwochmorgen
verstorben sei. In den Kommentaren trauern Tausende.