
Vierundzwanzig Stunden nach dem schweren Flugunglück nahe dem Hauptstadtflughafen in Washington waren noch immer nicht alle 67 Todesopfer geborgen. Es mehrten sich am Donnerstagabend jedoch die Details zu möglichen Gründen für den Zusammenstoß eines Passagierflugzeugs und eines Militärhubschraubers über dem eisigen Wasser des Potomac.
Die „New York Times“ berichtete, der Tower des Ronald Reagan National Flughafens sei zum Zeitpunkt des Unglücks ungewöhnlich knapp besetzt gewesen. Ein vorläufiger Bericht der amerikanischen Luftfahrtbehörde habe ergeben, dass die Personaldichte „für die Tageszeit und das Verkehrsaufkommen nicht normal“ war.
Demnach war am späteren Mittwochabend ein Lotse sowohl für die Kommunikation mit Hubschraubern in der Nähe des Flughafens als auch für den Start und die Landung von Flugzeugen zuständig. Dies sei zu Stoßzeiten eine Aufgabe für zwei Personen, schrieb die Zeitung unter Berufung auf eine Quelle.
Ein Vorgesetzter habe einen Lotsen kurz vor dem Unglück jedoch früher als üblich aus dem Dienst entlassen und beide Aufgaben einer Person übertragen. Amerikanische Medien berichteten außerdem, der auf einem Trainingsflug befindliche Hubschrauber sei von seiner vorgesehenen Flugroute abgewichen.
Beide Flugschreiber geborgen
Das für die Aufklärung von Unglücken im Transportwesen zuständige „National Transportation Safety Board“ gab am Donnerstagabend bekannt, aus dem Flugzeug seien beide Flugschreiber geborgen worden. Von deren Auswertung erhoffen sich die Ermittler Erkenntnisse über die Unglücksursache. Bekannt ist bisher, dass der Pilot des Flugzeugs in letzter Minute eine neue Landebahn zugewiesen bekam.
Der neue amerikanische Transportminister Sean Duffy hatte eine lückenlose Aufarbeitung des Vorfalls versprochen. Das Flugzeug war nach dem Zusammenstoß in mehrere Teile zerbrochen, der Hubschrauber laut Medienberichten kopfüber in den Fluss gestürzt.
Die Bergungsarbeiten, an denen dreihundert Einsatzkräfte von mehr als zwanzig Dienststellen beteiligt waren, gestalteten sich am Donnerstag weiterhin schwierig. Einsatzleiter John Donnelly von der Feuerwehr Washington sagte in einer Pressekonferenz, die Bedingungen seien eine „große Herausforderung“, doch man werde alle Opfer bergen.
An vielen Trümmerstellen sei das Wasser nicht sehr tief, die Einsatzkräfte arbeiteten also „halb schwimmend, halb laufend“, was wegen des schlammigen Grunds „fordernd“ für Taucher sowie Rettungsschwimmer sei. Laut Donnelly besteht außerdem die Gefahr, dass treibende Wrackteile die Schutzanzüge zerstören. Schon am Donnerstagmorgen hatten die Behörden mitgeteilt, man rechne nicht mehr mit Überlebenden. Bis zum späten Donnerstagabend wurden laut Medienberichten 50 Opfer aus dem Wasser geborgen.
Trump mit schweren Vorwürfen
Nachdem Präsident Donald Trump in einer Pressekonferenz am Donnerstag einen unbelegten Zusammenhang zwischen Diversitätsprogrammen der Biden-Regierung in der Bundesluftfahrtbehörde und dem Unglück suggeriert hatte, äußerte sich die Gouverneurin von Kansas zurückhaltender in dieser Frage. Man solle die Untersuchung denjenigen überlassen, „die gut geschult sind in diesen Dingen“, sagte die Demokratin Laura Kelly. Am Ende werde man „ganz genau“ herausfinden, welche Fehler gemacht wurden. Trump hatte unter anderem behauptet, der frühere Verkehrsminister Pete Buttigieg habe seine Behörde „mit seiner Diversität in den Ruin getrieben“.
Unter den Opfern des Flugzeugunglücks befinden sich laut amerikanischen Medien nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch zwei Lateinamerikaner, Vater und Sohn, sowie zwei chinesische Staatsangehörige. Besondere Bestürzung herrscht im Eiskunstsport. Im Flugzeug, das aus Wichita im Bundesstaat Kansas kam, saßen viele Sportler, Trainer und Angehörige, weil dort gerade ein Trainingslager und Meisterschaften im Eiskunstlauf zu Ende gegangen war. Neben einem aus Russland stammenden Trainerehepaar waren unter den Opfern laut dem Eiskunstverein Club of Boston auch zwei 13 und 16 Jahre alte Nachwuchstalente sowie deren Mütter.