So klappt das Training in der Kälte

Draußen ist es kalt und früh dunkel. Für aktive Menschen, die sich sonst beispielsweise mit Laufen und/oder Radfahren fit halten, der ideale Zeitpunkt für einen sportlichen Winterschlaf?

Wenn sie fit bleiben wollen, nein. Wir sind leider keine Bären. Deren Muskeln bauen sich nicht ab, während sie im Winter monatelang auf der faulen Haut liegen. Unsere leider schon.

Auch ohne Bärenfell: Ist Sport bei eisigen Temperaturen ein Problem für unseren Körper?

Nein. Die richtige Bekleidung vorausgesetzt, ist für gesunde und trainierte Menschen Sport im Freien bis etwa minus zehn Grad durchaus möglich. Trainierte Wintersportler vertragen auch Temperaturen von minus 15 bis zu minus 20 Grad. Ist es noch kälter, sollte nur noch drinnen trainiert werden. Viel wichtiger als der Blick auf die Temperaturanzeige ist es jedoch, auf den eigenen Körper zu hören. Stellen sich Atemprobleme oder ein schmerzhaftes Kältegefühl in der Lunge ein, sollte die Belastung sofort reduziert oder das Training ganz abgebrochen werden.

Kann man also bei Kälte sein gewohntes Programm laufend oder radelnd durchziehen?

Kurze bis mittellange Einheiten sind für Läufer und Radfahrer in aller Regel auch an Wintertagen kein Problem. Es gilt, sich individuell an das Training im Freien heranzutasten. Je kälter und trockener die Luft ist, desto größer ist das Risiko, sich eine Bronchitis oder andere Atemwegserkrankung einzufangen. Bei solchen Witterungsbedingungen ist die Intensität im Training herunterzuschrauben.

Andreas Wagner ist Fitnesscoach.
Andreas Wagner ist Fitnesscoach.Carlotta Steinkamp

Stimmt der folgende Satz? Fröstelst du leicht, wenn du das Haus verlässt und mit deinem Draußen-Sportprogramm beginnst, bist du genau richtig angezogen.

Ja. Wenn wir uns bewegen, entsteht nicht nur mechanische Energie für die Muskelarbeit. Ein großer Teil der umgesetzten Energie erzeugt Wärme. Deshalb wird uns beim Sport auch schnell warm, und wir sind dann auch schnell mal zu dick angezogen. Auf ein Aufwärmprogramm sollte auch bei Kälte nicht verzichtet werden. Ein simples Warm-up ist das Laufen oder Radfahren in gemäßigtem Tempo. Sobald man sich gut aufgewärmt fühlt, steigert man das Tempo. Wer zu sehr fröstelt, kann auch mit einem Indoor-Aufwärmen starten und beispielsweise dynamische Übungen wie Kniebeugen, Hampelmänner oder Seilspringen machen. Auch Schneeschippen eignet sich als Aufwärmprogramm.

Wie kleide ich mich am besten für den Lauf oder Ritt in der Kälte?

Am besten kleidet man sich nach dem Zwiebelprinzip. Dabei werden drei Schichten aufeinander abgestimmte Funktionsbekleidung getragen. Zunächst ein sogenannter Base Layer – atmungsaktive Unterwäsche, die den Schweiß vom Körper wegtransportiert; darüber ein Mid Layer – eine isolierende Schicht, zum Beispiel aus Fleece; als Letztes ein Shell Layer als Schutz vor Wind, Wasser und Schnee. Da viel Körperwärme über den Kopf freigegeben wird, sollte eine Kopfbedeckung obligatorisch sein – auch unter dem Radhelm.

Im Labor von iQ Athletics führt Andreas Wagner Leistungstests durch.
Im Labor von iQ Athletics führt Andreas Wagner Leistungstests durch.Carlotta Steinkamp

Aber beim Radfahren im Winter sind doch eisige Hände und Füße kaum zu verhindern, oder?

Durch den Fahrtwind fühlt sich die Luft noch kälter an. Der sogenannte Windchill-Effekt beeinflusst die Differenz zwischen der gefühlten und der gemessenen Temperatur stark. Das spürt man besonders oft an Händen und Füßen. Diese sind auf dem Rad viel Fahrtwind ausgesetzt und werden gleichzeitig relativ wenig bewegt und durchblutet. Winterradhandschuhe, warme Socken und Radüberschuhe sind daher mehr als nur ein cooler Tipp für kalte Tage. Wer besonders mit kalten Füßen zu kämpfen hat, dem empfehle ich Winterradschuhe mit isolierenden Einlagen. Und für besonders kalte Hände gibt es auch beheizbare Radhandschuhe. Auch Fahrrad-Gesichtsmasken, Sturmhauben und Schlauchtücher schützen. Wer unterwegs eine Pause einlegt, sollte auch trockene Wechselbekleidung einpacken.

Was hat es mit dem Open-Windows-Phänomen auf sich?

Intensives Sporttreiben an der frischen Luft ist gut für unser Immunsystem. Allerdings fällt die Anzahl der Immunzellen in der Entspannungsphase nach dem Sport stark ab – sogar unter das Ausgangsniveau. Dadurch wird es krank machenden Erregern leichter gemacht, in den Körper einzudringen. Deshalb sollten sich Läufer und Radfahrer nach intensiven Trainingseinheiten so schnell wie möglich vor der Kälte schützen und rasch trockene und warme Kleidung anziehen, um Infekte zu vermeiden.

Alkohol zur Regeneration vermeiden

Darf man sich nach dem Training ein Bier im Warmen gönnen, oder konterkariert dies die Regeneration?

Es wird oft gesagt, dass Bier isotonisch ist und nach dem Sport die verbrauchten Mineralstoffe im Körper wieder auffüllt. Leider gilt das aber nur für alkoholfreies Bier. Bier mit Alkohol trocknet den Körper eher weiter aus, und es behindert die Regeneration.

Wie bekommt man Abwechslung in sein Winter- und Frühjahrstraining?

Wer gerne läuft und Rennrad fährt, kann sich in den kälteren Monaten prima mit Gravelbiken und Trailrunning draußen auspowern. Das sind coole Alternativen für Rollentraining und Laufband, und sie machen nicht nur viel Spaß, sondern bieten auch neue Reize für Körper und Geist. Natürliches Terrain fordert den Körper anders als Asphalt oder Tartanbahnen. Das Trainieren auf unebenem Boden stellt besondere Herausforderungen an Koordination und Konzentration. Auch die Muskeln werden intensiver gefordert.

Je nach Streckenprofil kann das Laufen oder Radfahren im Gelände durchaus mehr Muskelkraft benötigen, um Anstiege und Hindernisse zu bewältigen. Das sind gute Bedingungen, um sich bei widrigen Bedingungen innerhalb kurzer Zeit im Freien auszupowern.