Schlichtweg hinreißend: Kirill Gerstein spielt Brahms

Alles spricht. In dieser Realisierung des Klavierkonzerts Nr. 1 von Johannes Brahms gibt es keine Nebensachen und kein Füllmaterial. Kirill Gerstein muss über jede einzelne der vielen Noten meditiert haben. Der 45-jährige Pianist deckt kanonische Kunststücke auf, wo andere bloße Begleitfloskeln wiedergeben. Niemand gestaltete – bei sparsamstem Pedalgebrauch – den nach wie vor gefürchteten Klavierpart je plastischer polyphon durch.

Iván Fischer und Kirill Gerstein bei einer Probe.
Iván Fischer und Kirill Gerstein bei einer Probe.
© Astrid Ackermann/BR
Iván Fischer und Kirill Gerstein bei einer Probe.

von Astrid Ackermann/BR

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Noch im Finale, wo traditionell die Zügel locker gelassen werden, begegnen wichtige Details, die sonst nie zu hören sind. Und dennoch ist dies keine bloß analytische Interpretation eines Werkes, das krasseste Affekte so ungefiltert präsentiert, wie es für Brahms selten ist. Gerstein tritt in die symphonisch aufgewühlte Umgebung ein mit einem unscheinbar kleinen Ton, etwa so, als würde er auf einem Hausklavier nur für sich spielen. Der intensive Ausdruck ergibt sich gerade durch die leise Intimität. Authentisch wirkt sie, weil die Empfindung von sich aus erscheint, nicht mit Betroffenheitsgeste äußerlich gemacht wird. Man kann es nicht anders sagen: Kirill Gerstein, der vor 25 Jahren mit diesem Konzert debütierte, hat dessen Geheimnis gelüftet. „Maßstabssetzend“ nennt das ein namhafter Pianist, der das Werk selbst gespielt hat, im Pausengespräch. Ein größeres Kompliment gibt es nicht.

Ein denkwürdiges Konzert

Nicht auszudenken, wenn diese ohrenöffnende Interpretation Kirill Gersteins auf einen ahnungslosen Dirigenten gestoßen wäre. Iván Fischer aber agiert mit dem hochinteressierten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks derart adäquat, als ob er mit seinem Pianisten über jede einzelne Note ausgiebig diskutiert hätte. Mit mäßigen Tempi eröffnet er ihm den Freiheitsraum, seinen privaten Ton zu entfalten, treibt seinerseits die symphonische Entwicklung voran und formuliert mit den fabelhaften Solisten jede Passage bewusst: Das Horn bläst die so wichtigen Fanfaren hier endlich einmal tatsächlich, wie in der Partitur vorgeschrieben, markiert, aber „dolce“.

Dankenswerterweise hat Iván Fischer die ersten und zweiten Violinen auf der Bühne des Herkulessaals einander gegenüber positioniert und holt auch tatsächlich das Maximum aus dieser akustischen Ausdifferenzierung heraus. Selbst die Symphonie Nr. 8 G-Dur von Antonín Dvorák verwandelt er in eine formallogisch fast plausible Komposition. Wenn der Komponist sich ablenken lässt und allzu frei rhapsodiert, mahnt Fischer zur Konzentration. Und die jubelnde Vitalität, zu der sich das BR-Symphonieorchester und der Dirigent gegenseitig hochschaukeln, der traumhaft schöne, vibrierende Klang, lauter Sentiment statt Sentimentalität – das ist schlichtweg hinreißend.

Die Saison ist noch jung, doch das war schon jetzt eines ihrer denkwürdigsten Konzerte.

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