
Die Fraktionen von SPD, Grünen und Linken haben sich erleichtert gezeigt, dass ein Entwurf der Union für ein umstrittenes Migrationsgesetz keine Mehrheit gefunden hat. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, nach einem sehr schwierigen Tag im Bundestag sei dies eine gute Nachricht. Zugleich sagte sie, es seien „großen Risse“ in der demokratischen Mitte sichtbar geworden. Darüber könne niemand froh sein.
Der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, sprach nach der Bundestagssitzung
von einem Erpressungsversuch. „Friedrich Merz hat sein Versprechen,
nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, gebrochen. Er hat Erpressung als
Mittel der Politik eingesetzt.“ Damit habe er der AfD den größten Erfolg
beschert, nämlich die Spaltung der Demokraten. Eine dramatische,
bittere Woche gehe zu Ende, sagte Habeck.
Bundeskanzler Olaf Scholz
reagierte „erleichtert“ auf den Ausgang der Abstimmung. Er sei
„sicher, dass es vielen anderen auch so geht. Denn: Wir dürfen uns nicht
spalten lassen“, schrieb Scholz am Abend auf der Plattform X.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bezeichnete die Ablehnung des Entwurfs als doppeltes Scheitern von Merz. „Herr Merz ist heute zweimal gescheitert“, sagte er. „Gescheitert, den Weg zur AfD zu suchen. Gescheitert an der
Mehrheit im Deutschen Bundestag, die er eigentlich hätte haben können.“ Die
Wählerinnen und Wähler hätten nun am 23. Februar darüber zu
entscheiden, „ob man einem solchen Kanzlerkandidaten das Schicksal
unseres Landes in schweren Zeiten in die Hände legen darf.“
Die Vorsitzende der Gruppe Die Linke, Heidi Reichinnek, begrüßte
das Scheitern des Entwurfs. „Ich bin sehr
erleichtert“, sagte sie im TV-Sender Phoenix. Ohne die Stimmen ihrer Fraktion hätte die Ablehnung so nicht funktioniert, fügte sie hinzu. Reichinnek nannte es
zugleich „schrecklich, dass es überhaupt so weit kommen musste“.
Weidel: „Er kann kein Kanzler“
Die AfD sprach nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs von einer Implosion der Union. Bei der AfD habe es keine Abweichler gegeben, sagt Co-Parteichefin Alice Weidel. Für Merz sei das Abstimmungsergebnis eine herbe Niederlage. „Er kann kein Kanzler“, sagte sie. Die Union habe mit ihren Abweichlern in der Abstimmung Merz abgesägt. „Die Union steht nicht geschlossen.“ Man wisse nicht mehr, wofür sie inhaltlich stehe. Co-AfD-Chef Tino Chrupalla ergänzte, die Union müsse sich fragen, wer der eigentliche Kanzlerkandidat sei – Merz oder die frühere Kanzlerin Angela Merkel.
Merz bedauerte die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Es zeigte sich zugleich dankbar, dass seine Fraktion den vereinbarten Weg mitgegangen sei. In der Unionsfraktion hätten zwölf Abgeordnete nicht für den Gesetzentwurf gestimmt, was er respektiere. Dennoch sei der Entwurf an den Sozialdemokraten und an den Grünen „gescheitert“.
Der CDU-Chef äußerte auch Kritik an der FDP. Dass es aus deren Fraktion zwei Nein-Stimmen, mehrere Enthaltungen sowie etliche Abwesenheiten gegeben habe, habe ebenfalls zum Scheitern des Entwurfs beigetragen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr wies den Vorwurf indessen zurück. Er sieht die Union selbst in der Verantwortung. „Die Union hatte mehr Abweichler als am Mittwoch – und das bei ihrem
eigenen Gesetz. Das spricht nach den Einlassungen von Altkanzlerin
(Angela) Merkel Bände. Die FDP hat heute alles versucht, damit es eine
Mehrheit in der Mitte gibt“, sagte Dürr.
Trotz Ablehnung zeige das Ergebnis, wo die Parteien stünden, sagte Merz. Der deutsche Parlamentarismus sei der eigentliche Sieger der Woche, sagte er. Die heftige Debatte habe allen genutzt und nicht geschadet. „Ich bin mit mir selbst sehr im Reinen“, fügte er hinzu.