Wie die Wissenschaft unter der US-Politik von Donald Trump leidet – Wissen

Wenn die Welt noch so wäre, wie sie vor vier Wochen war, hätte Florian Neuhann, Wissenschaftler am Heidelberg Institute of Global Health, demnächst seine Forschungen in Malawi fortgesetzt. Wieso nehmen HIV-positive Männer ihre Tabletten weniger zuverlässig ein als Frauen? Welche Folgen hat die Gewichtszunahme, die man bei manchen Patienten während der HIV-Therapie beobachtet? Doch die Untersuchungen werden nun erst einmal ruhen. Sie sind zweitrangig angesichts des „Erdbebens“, das der Kampf gegen die Immunschwächekrankheit nach Neuhanns Worten in den vergangenen Tagen erlebt hat, nachdem die Trump-Regierung systematisch wissenschaftliche und medizinische Programme zusammengestrichen, unterbrochen oder zensiert hat. Manche dieser Entscheidungen sind noch Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen – trotzdem erschüttern sie die Forschungswelt.

„Allein bei zwei HIV-Projekten, die ich überblicke, wurden etwa 1350 US-finanzierte örtliche Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen in unbezahlten Urlaub geschickt“, sagt der Infektionsspezialist. Zehn Tage lang war vollkommen unklar, wie die lebensrettenden Medikamente zu den Infizierten kommen. „Es ist und wird mit Sicherheit zu Behandlungsunterbrechungen kommen, die wiederum das Risiko für Neuinfektionen erhöhen“, so Neuhann.

Nun machte die US-Regierung zwar einige Zugeständnisse. Die Grundversorgung mit antiviralen Medikamenten wird wohl zunächst fortgesetzt. Inwieweit andere Programme und Forschungen, etwa zur Prävention, weitergeführt werden können, ist unklar.

Die SZ hat etwa ein Dutzend Wissenschaftler in verschiedenen Ländern zu den aktuellen Entwicklungen in den USA befragt. Unklarheit und Ungewissheit waren so etwas wie Leitthemen in den Antworten. Die immer neuen Restriktionen, alle abrupt verordnet, verunsichern die Wissenschafts-Community massiv.

„Wir leben und arbeiten plötzlich in einem Zustand der Bedrohung“, sagt eine Forscherin von der US-Ostküste, die genau deshalb anonym bleiben möchte. Die Auswirkungen seien vielfältig und dynamisch – und sie sind noch gar nicht komplett zu überblicken. Sicher ist, dass sie weit über die USA hinaus reichen. Viele Projekte werden über Grenzen hinweg finanziert, das ist nicht ungewöhnlich. Nur jetzt stehen eben alte Selbstverständlichkeiten plötzlich infrage, wie auch Claudia Denkinger, Ärztliche Direktorin der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin an der Universität Heidelberg, gerade erfährt. Ihr sind von einem Tag auf den anderen zwei große Zuschüsse für die Forschung an verbesserter Tuberkulose-Diagnostik weggebrochen. Einer wurde bereits 2022 gewährt, die Forschungen waren in vollem Gange.

Patienten, die experimentelle Wirkstoffe bekamen, werden alleingelassen

„Wenn sich nicht noch etwas ändert, fehlen unseren Projekten für die nächsten fünf Jahre 5,4 Millionen Euro, mit denen wir gerechnet haben“, sagt die Wissenschaftlerin. Daran hängen wissenschaftliche Erkenntnisse, die dazu beitragen, Erkrankungen zu erkennen und weitere Übertragungen zu verhindern, aber auch Arbeitsplätze und Karrieren: „Wenn wir unsere Arbeit in den kommenden drei Monaten nicht fortsetzen können, ist die Diagnostik-Studie definitiv zu Ende.“ Lokale Mitarbeiter in den afrikanischen und asiatischen Staaten hätten sich dann andere Jobs gesucht, Vertrauen, das über Jahre in der Bevölkerung aufgebaut wurde, wäre zerstört.

Besonders heikel: In dem bereits laufenden TB-Forschungsprojekt wurden auch neue Medikamente getestet. Menschen in den einbezogenen Ländern haben noch nicht zugelassene Wirkstoffe oder -kombinationen bekommen, und nun ist unklar, ob sie weiter betreut werden. Die für die Medikamententests zuständige US-Universität will sich aus eigenen Mitteln weiter um die Patienten kümmern. Nur stellt sich die Frage, wie lange sie das durchhalten kann.

Einem Bericht der New York Times zufolge dürfte es Dutzende klinische Studien geben, in denen Teilnehmer noch relativ ungeprüfte Wirkstoffe schluckten, gespritzt oder implantiert bekamen – und nun zum Teil damit alleingelassen werden. Unterbrochene HIV-Behandlungen können unter anderem zur Resistenzbildung führen, warnt Kenneth Ngure, Global Health-Professor an den Universitäten in Nairobi und Washington. Hinzu kommen ethische Probleme. Studienteilnehmer hätten Zeit, Energie und Vertrauen investiert. „Wir schulden es ihnen, dass die Studien abgeschlossen und die Ergebnisse veröffentlicht werden“, sagt der Wissenschaftler, der auch Mitglied des Leitungsgremiums der International Aids Society ist.

„Ihre Handlungen werden Menschen töten.“

Auch in weiten Teilen der US-Forschungslandschaft ist die Lage derzeit angespannt. Ganze Bereiche, darunter auch die Klimawissenschaften, sind pauschal in Ungnade gefallen. So wurden viele Erwähnungen der Erderhitzung bereits von staatlichen Websites gelöscht. Das sei zum einen ein symbolischer Schlag der Trump-Regierung gegen Klimaschutzmaßnahmen, sagt der prominente Klimaforscher Michael Mann von der University of Pennsylvania. Aber es bedeute auch: „Menschen, die auf der Suche nach verlässlichen Informationen über den Klimawandel sind, werden es schwerer haben, diese zu finden – ich bin sicher, das ist die Absicht.“

Hinzu kommt, dass die Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA allem Anschein nach das Schicksal vieler Gesundheitseinrichtungen teilt und personell wie finanziell geschwächt werden soll. „NOAA spielt nicht nur in der Klimawissenschaft eine entscheidende Rolle, sondern auch bei der Katastrophenvorsorge, einschließlich der Vorhersage gefährlicher und tödlicher Wirbelstürme und anderer extremer Ereignisse“, sagt Mann. „Die Streichung der Mittel für die NOAA wird Menschenleben kosten; Trump und die unheilvollen Akteure in seiner Regierung wissen das und es ist ihnen egal.“ Es werde bleibende Schäden geben, meint Mann. „Ihre Handlungen werden Menschen töten, so muss man das verstehen.“

Schwierig ist auch die Lage für Forschende, die sich den Themen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion widmen. Ein Wissenschaftler an einer großen Privatuniversität im Süden der USA berichtet, er wisse nicht, inwieweit seine Forschung zur Gesundheit marginalisierter Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Ländern weiter finanziert wird. Problematisch sei in diesem Bereich auch eine Art „vorauseilender Gehorsam“ vieler öffentlicher Universitäten.

Manche Universitäten reagieren mit vorauseilendem Gehorsam

Insbesondere in republikanisch dominierten Bundesstaaten würden an Universitäten bereits entsprechende Forschungsprogramme ausgesetzt, sagt der Forscher, „aus Angst vor Repressalien, vor zukünftigen legalen Ausgabenstopps oder um sich bei der Trump-Regierung beliebt zu machen“. Auch die Vereinigung der US-Universitätsprofessoren (AAUP) warnte kürzlich vor Selbstzensur: Eingriffe in das Kursprogramm an Universitäten in Florida und Texas zeugten von „Gehorsamseifer“ in den Verwaltungen.

Eine Wissenschaftlerin an der amerikanischen Ostküste berichtet, dass sich Nachwuchswissenschaftler, die sich mit dem Thema Vielfalt und Gleichberechtigung beschäftigen, bereits fragten, ob sie ihren Forschungsschwerpunkt ändern sollten. Sie fürchteten andernfalls zur Zielscheibe von Regierungsmaßnahmen oder Schikanen in den sozialen Medien zu werden.

Andere Forscher erleben, wie die restriktive Einwanderungspolitik Forschungsteams bedroht. David Hogg, Physikprofessor an der New York University, berichtet von Studenten und Nachwuchswissenschaftlern, denen ihre von der Biden-Regierung gewährten Visumsverlängerungen gestrichen wurden. „Sie werden aus den USA fliehen müssen, was das Ende ihrer Forschungsprojekte bedeutet“, sagt der Physiker.

Zu den Eingriffen gehört auch, dass manche Forschungsergebnisse vorerst nicht veröffentlicht werden dürfen. Zugleich wurden laut einer Analyse der New York Times etwa 8000 Webseiten von Regierungsbehörden abgeschaltet. Darunter fallen Themen wie Impfungen, Wochenbettdepressionen, sexuell übertragene Erkrankungen oder Transgender-Medizin. „Selbst wenn einige von ihnen wieder auftauchen, herrscht Misstrauen darüber, ob die Daten und Informationen verändert wurden. All dies ist nicht gut für die Qualität der Forschung und letztlich für die Menschen, die von dieser Arbeit profitieren könnten“, sagt Marissa Levine, ehemalige Public-Health-Professorin an der University of South Florida und frühere Leiterin der Gesundheitsbehörde in Virginia.

Auch die jüngste Volte der US-Wissenschaftspolitik könnte laut Levine „erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der Universitäten haben, ihre Forschungen fortzusetzen“: Am Freitagabend wurde bekannt, dass die Trump-Regierung die Mittel für biomedizinische Forschung ab sofort um etwa vier Milliarden Dollar jährlich kürzen will. Konkret geht es um Zahlungen, die zur eigentlichen Finanzierung von Forschungsprojekten hinzukommen. Sie decken Kosten für Dinge wie Büros, Datensicherung, Labore und Verwaltung ab. Sie liegen in der Regel bei mehr als 50 Prozent der direkten Zuschüsse – und sollen nun pauschal auf 15 Prozent beschnitten werden. Noch ist die Regelung allerdings juristisch umstritten, Anfang der Woche wurde sie von einem Richter am US-Bezirksgericht in Boston per einstweiliger Verfügung wieder aufgehoben.

„Was in den USA geschieht, hat tragische, ja katastrophale Folgen“, sagt die US-Amerikanerin Merike Blofield, die heute an der Universität Hamburg als Professorin für Gesellschaft und Politik Lateinamerikas arbeitet. Dies wäre ein hervorragender Zeitpunkt für deutsche Forschungseinrichtungen, US-Wissenschaftlern Zuflucht zu bieten. Die Max-Planck-Gesellschaft versucht so etwas bereits. Präsident Patrick Cramer kündigte am Wochenende im Spiegel an, gezielt um Spitzenpersonal aus den USA werben zu wollen.

Hinweis: Kurz vor Veröffentlichung dieses Textes wurde bekannt, dass die Vier-Milliarden-Kürzung bei den Nebenkosten von Forschungsprojekten vorerst richterlich gestoppt ist. Wir haben diese Entwicklung nachträglich ergänzt.