
Spielzeug, das viele Jahre in deutsche Kinderzimmer gelangte und nun nicht mehr dorthin darf. So etwas gibt es, wie Matthias Kienzle, Chef des Spielwarenherstellers Kosmos , zu berichten weiß. Sein Unternehmen liefert nicht nur Brettspiele wie den Dauerbrenner „Siedler von Catan“, sondern auch Experimentierkästen. Kindern sollen sie spielerische Lektionen in Chemie und Physik geben, für Hersteller sind sie mit immer mehr Lektionen über Gesetze und Paragrafen verbunden.
„In den vergangenen Jahren sind sehr viele Normen entstanden, die über uns ausgeschüttet wurden. Einzelne Experimentierkästen, mit denen naturwissenschaftliche Kenntnisse erlernt werden, mussten wir in der Folge sogar aus dem Programm nehmen“, klagt Kienzle. „Das waren Produkte, die lange voll und ganz den Normen entsprachen und von den Kunden sehr geschätzt wurden.“ Doch das kleine Chemie-Labor C3000, das 333 Experimente versprach, gibt es in der bisherigen Form nicht mehr. „Manche Experimentierkästen funktionieren nicht ohne Chemikalien.
Aber mittlerweile ist es schwer geworden, Produkte mit lehrreichen chemischen Versuchen auf den Spielwarenmarkt zu bringen“, sagt er. Das Kosmos-Lastwagenmodell, an dem sich die Funktion einer Brennstoffzelle nachvollziehen lässt, wurde dennoch fertig – eine Neuheit auf der Spielwarenmesse, die gerade in Nürnberg zu Ende gegangen ist. Das Set, mit dem Kinder Gummibärchen, die jeder Supermarkt führt, selbst herstellen können, hatte größere Anstrengungen erfordert.
Konkurrenz gibt auf
Kosmos hat in diesem Segment immer weniger Konkurrenten. Es scheint so, als ob andere Unternehmen, die keine lange Tradition mit Experimentiersets haben, den Aufwand scheuen. Kienzle blickt sorgenvoll auf das, was kommen könnte, wenn die EU-Spielzeugrichtlinie durch eine neue Spielwarenverordnung ersetzt wird. Der Gesetzgebungsprozess läuft. „Mit neuen Vorgaben droht, dass Experimentierkästen denselben Anforderungen genügen müssen wie Kleinkindspielzeug“, sagt er. „Amerikanische Anbieter können ähnliche Produkte in den USA übrigens problemlos weiter verkaufen, in Europa sind rechtliche Vorgaben viel strenger.“
Für Kienzle steht fest: Was an Regulierung kommt, ist „an manchen Stellen zu gut gemeint“, Besonderheiten von Produkten wie Experimentierkästen blieben unberücksichtigt. „Mir ist nicht bekannt, dass mit einem Experimentierkasten jemals etwas Schlimmes passiert ist“, sagt er. „Mein Eindruck ist, dass das Pendel in der Regulierung sich in eine Richtung bewegt, die man überdenken sollte. Kunden haben in der Regel auch ein Gespür dafür, was als Spielware geeignet ist. Sie benötigen keine übermäßige Bevormundung.“ Das heißt: Bei für Spielwaren ohnehin strengeren Grenzwerten zu Inhaltsstoffen, bei Test- und Dokumentationspflichten besser nicht weiter draufzusatteln.
Bis ins letzte Detail aufgezeichnet
Stefan Krings, der den Hersteller von Carrera -Rennbahnen und Revell -Hobbyprodukten führt, hat ebenfalls Anekdote parat, welche Gedanken er sich in der Produktentwicklung machen muss. In einer geht es nicht um Carrera-Bahnen mit viel Elektronik oder Revell-Bausätze mit Spezialkleber, sondern um Buchstützen. Die gibt es nämlich neu von Revell – als Steckbausätze aus Holz. Neben die Reihe mit Harry-Potter-Buchbänden können sich lesefreudige Bastler nun Holzkästen als Stützen stellen, die im Kleinformat Einblicke ins Potter-Schloss Hogwarts bieten. Die filigranen Teile werden im Werk maschinell per Laser geschnitten.
Das klingt nach einer simplen Sache – wie aus dünnem Holz gesägte Anhänger für den Weihnachtsbaum. Doch so einfach war es mit den Stützen zum Bauen, die eine Spielware sind, nicht. „Würde man zu dünnes Holz dafür verwenden, wäre der Anteil der beim Schnitt entstehenden Aschepartikel höher, was zu einer zu hohen Schadstoffbelastung führen würde“, erklärt Krings. „Wir halten uns an alle rechtlichen Regelungen – und das schon aus Eigeninteresse. Aber man muss auch feststellen, dass die hohen Schutzvorgaben für Spielwaren einen Preis haben, den Hersteller miteinkalkulieren müssen“, sagt Krings. „Und die Frage bleibt, inwiefern weiter verschärfte Dokumentationspflichten dem Kunden einen Mehrwert bringen.“ Die EU-Pläne sehen vor, dass es für jedes Spielzeug einen Produktpass geben soll, der über einen Code auf der Packung online abrufbar sein soll.
Wohin Vorgaben führen können, erläutert Florian Sieber, Chef der Fürther Simba-Dickie-Group mit Bobbycar-Rutschautos, Smoby-Spielküchen und Tamiya-Fernlenkautos. Mitunter geht es darum, wie viel Gramm eines bestimmten Kunststoffes in einem Modellauto verbaut sind, wie viel das Metall der Achse wiegt und wie leicht die Mini-Gummireifen sind. Mit der Verpackung geht es weiter: Wie viel Gramm Pappe, wie viel Kunststoff und viel Klebstoff. Die Tests zur Produktsicherheit gibt es sowieso.
Lieferkettengesetz trifft Hersteller trotzdem
„Wir haben schon viele Audits durchlaufen, nun kommt noch das Lieferkettenaudit dazu“, sagt Sieber. Das Ergebnis kennt er noch nicht. Was daraus folgt, ahnt er schon. Für seine Produkte nämlich: nichts. „Wir könnten es uns gar nicht erlauben, mit Kinderarbeit zu produzieren“, sagt er. Er befürchtet, dass nur Kosten für die Prüfungen bleiben, danach aber alles weiter wie bisher laufen kann.
Spielwarenproduktion ist bürokratisch geworden. „Und es geht nicht immer nur um unmittelbar staatlich verursachte Kosten“, sagt Sieber. Die Simba-Dickie-Group beschäftigt in Deutschland weniger als 1000 Mitarbeiter, laut Gesetz ist sie somit nicht von gesetzlichen Lieferkettenvorgaben erfasst. Tatsächlich ist es anders. „Wir fallen nicht unter das Lieferkettengesetz, die größeren unserer Handelspartner aber schon. Und die reichen Anforderungen an uns weiter“, erklärt Sieber. Das hat Folgen: „Wir stehen davor, Hunderttausende Euro für zusätzliche Zertifizierungen ausgeben zu müssen. Wenn wir das nicht machen, laufen wir Gefahr, von einigen Händlern ausgelistet zu werden.“
Änderung des Weltpostvertrags?
Auch Revell-Chef Krings kennt solche Probleme. „Auf die künftigen Regulierungen blicke ich mittlerweile entspannter, weil wir uns nach dem Bekanntwerden der Pläne darauf vorbereitet haben. Das hat aber Personal gebunden und Kosten verursacht“, sagt er. Er hätte es sich anders gewünscht. „Spielwaren der traditionellen Hersteller sind wahrscheinlich nach den Produkten der Pharmaindustrie die bestgeprüften Artikel“, sagt er und fügt gleich an: „Deshalb ist es ein großes Problem, dass über Online-Plattformen aus Asien ungeschützt Produkte zu niedrigen Preisen nach Europa gelangen, die nicht dieselben Tests durchlaufen haben.“ Er spricht über Plattformen wie Temu, über die zu Tiefpreisen direkt aus Fernost versandte Produkte verkauft werden.
Dort erweist sich die große Bürokratie als löchrig. Simba-Dickie-Chef Sieber hatte schon zur Spielwarenmesse 2024 darüber geklagt. „Nun sind wir ein Jahr weiter, und wirklich geändert hat sich nichts“, sagt er. Die Bundesregierung hat angekündigt, die Zollfreigrenze für Pakete unter 150 Euro Warenwert abschaffen zu wollen. Ob dann eine schärfere Kontrolle zur Regeltreue der Produkte gelingt, ist unklar – angesichts einer Flut mit einer mindestens dreistelligen Millionenzahl an Warensendungen aus China im Jahr.
Sieber würde anders ansetzen: „Der einfachste Schritt wäre, den Weltpostvertrag zu ändern. Dann würde der Versand aus China teurer.“ Der Vertrag ermäßigt den Versand aus Schwellenländern – zu denen China vertragsgemäß noch zählt. Ändere sich das, würde für deutsche Kunden aus einem Zehn-Euro-Artikel aus dem China-Paket eher ein Produkt für 20 Euro, prognostiziert Sieber. Aus seiner Sicht wäre so das bisherige Geschäftsmodell der Versender auf den Kopf gestellt – ohne neue Tabellen zu Grenzwerten für Inhaltsstoffe.