Weidel setzt schärferen Ton mit Ruckrede

Alice Weidel war gerade zur AfD-Kanzlerkandidatin gewählt worden, und zwar einstimmig, da richtete sie das Wort wieder an Elon Musk. Bei ihm wolle sie sich bedanken, rief Weidel von der Bühne. Denn er streame den AfD-Parteitag. Und tatsächlich: Der Tech-Milliardär hatte am Samstagmittag auf seiner Plattform X den Live-Stream aus dem sächsischen Riesa in einen seiner Tweets eingebettet. Alice Weidels Profilbild auf der Plattform war umrahmt von einem leuchtenden Ring: „Live“. Wieder bekam sie Schützenhilfe von ihrem berühmtesten Fan.

Sie hielt eine Rede, die in ihrer Rhetorik an den künftigen US-Präsidenten Donald Trump erinnerte und inhaltlich radikaler war als frühere Reden von ihr. „Schwarz-rot-gold, liebe Freunde, schwarz-rot-gold“, eröffnete Weidel vor den 600 Delegierten. Sie geißelte die „rot lackierten Nazis“, also Gegendemonstranten, die auf den Straßen Riesas demonstriert und Straßen blockiert hatten. Viele AfD-Leute waren stundenlang nicht durchgekommen. Der Parteitag hatte mit zwei Stunden Verspätung begonnen.

Weidel teilte in alle Richtungen aus; sie trat deutlich selbstbewusster auf als in ihrem Live-Gespräch mit Musk auf X am Donnerstagabend; über dessen Verlauf hatten einige AfD-Leute seitdem schon reichlich gelästert. Das ändert allerdings nichts daran, dass sie das Gespräch an sich für nützlich halten. Hauptsache, ein Superpromi steht zur AfD.

„Dann heißt es eben Remigration“

Ihren innerparteilichen Kritikern gab Weidel beim Thema Migrationspolitik Zucker. Man müsse die Grenzen dicht machen und Rückführungen im großen Stil durchführen. „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration.“ Diesen Ausdruck hatte sie lange vermieden, aus Sorge, dass die Wähler ihn mit Zielen verbinden könnten, die die AfD-Führung nicht ihre Ziele nennt. Gerade das rechtsextreme Vorfeld und Parteifreunde aus ostdeutschen Landesverbänden verwenden den Ausdruck gern.

Viel Redezeit verwendete Weidel darauf, die CDU als Heuchler darzustellen. Es handele sich um eine „Betrügerpartei“. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Deutschland auf den falschen Kurs gebracht, und der jetzige Vorsitzende Friedrich Merz setze das fort. Weidel kündigte an, sämtliche Subventionen und Förderprogramme für den Klimaschutz abschaffen zu wollen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz abzuwickeln. „Wenn wir am Ruder sind, reißen wir alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande!“, rief die AfD-Vorsitzende.

Weidels Rede wurde mit stehenden Beifall quittiert, Mitglieder des Bundesvorstands umarmten sie, ihr Ko-Vorsitzender Tino Chrupalla, der sie zuvor schon als nächste Bundeskanzlerin vorgestellt hatte, drückte ihr einen Blumenstrauß in die Hand, der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland stand Arm in Arm mit ihr. Ein AfD-Landtagsabgeordneter aus dem rechtsextremen Flügel der AfD sagte der F.A.Z. anschließend, Weidel habe soeben eine ihrer besten Reden überhaupt gehalten.

Zwischen den beiden AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla steht der Bundestagsabgeordnete Alexander Gauland neben weiteren Parteimitgliedern auf der Bühne des Bundesparteitags.
Zwischen den beiden AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla steht der Bundestagsabgeordnete Alexander Gauland neben weiteren Parteimitgliedern auf der Bühne des Bundesparteitags.Daniel Pilar

Auch im Laufe des Nachmittags trafen noch Delegierte in der Veranstaltungshalle ein. „Ich kann es noch gar nicht fassen, dass wir jetzt da sind“, rief eine Frau. Gegner der Partei hatten seit dem frühen Morgen Zufahrtstraßen zeitweise blockiert, die Polizei war im Großeinsatz. Zum geplanten Startzeitpunkt des Parteitages war nur ein Bruchteil der Delegierten in der Halle. Auch viele akkreditierte Journalisten, von denen manche zwei Stunden zuvor von fünfzehn Kilometer entfernten Hotels aufgebrochen waren, standen noch draußen.

Zusammenstöße der Polizei und Demonstranten

Tausende Demonstranten waren in Riesa unterwegs; bei Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden sechs Beamte leicht verletzt. Bis zum Nachmittag registrierte die Polizei 34 Straftaten. Es werde unter anderem wegen Körperverletzung, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Nötigung und Sachbeschädigung ermittelt, hieß es.

Der sächsische Landtagsabgeordnete der Linken Nam Duy Nguyen wurde nach Angaben seiner Partei von einem Polizisten bewusstlos geschlagen. Er sei als „Parlamentarischer Beobachter“ unterwegs gewesen, als solchen hätten ihn auch seine Warnweste und ein Ausweis ausgewiesen. Er habe sich stets friedlich verhalten. Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken kündigte an, Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten stellen zu wollen. Ein Sprecher der Polizei in Dresden sagte, man habe von dem Vorfall gehört und prüfe ihn.

Auf dem zweitägigen Parteitag will die Partei, nachdem sie ihre Kanzlerkandidatin gekürt hat, auch ihr Wahlprogramm verabschieden. Die Programmdebatte begann am Samstagnachmittag. Es wurden einige Kontroversen erwartet. So hatte im Vorfeld ein Antrag des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke für Debatten gesorgt: Er will Straftatbestände zu Volksverhetzung oder zum Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen großteils abschaffen. Auch beim Abtreibungsrecht wurden emotionale Debatten erwartet.

Eine weitere wichtige Frage zog der Parteitag in der Tagesordnung zwar vor; doch die ausführliche Diskussion des Programms führte dazu, dass sie bis Samstagnachmittag noch nicht entschieden wurde. Es geht darum, ob die Jugendorganisation der Partei, die Junge Alternative (JA), eingegliedert werden oder wie bisher als eigener Verein weiterbestehen soll. Der Bundesvorstand wirbt für die Eingliederung, radikale Teile der Partei befürchten dadurch eine Einhegung der als gesichert rechtsextrem eingestuften JA. Vor allem in den Landesverbänden aus Bayern, Brandenburg und Thüringen wird die Eingliederung skeptisch gesehen.