
Überall Knallfarben
Einerseits passt es natürlich zu Kollektionen, die im Frühjahr und Sommer herauskommen, dass sie farbenfroh sind. Andererseits gab es schon oft genug Saisons, in denen graue oder beige Töne dominierten. Diesmal war das anders. Durch die Bank weg präsentierten die Designer bei der Mailänder Modewoche Knallfarben. Besonders beliebt war das Sonnengelb, wie etwa bei Ferragamo zur orangefarbenen Tasche. Oder die grasgrüne Jacke bei Prada, die man zu einer apricotfarbenen Hotpants tragen kann. Dezentes Colour-Blocking auch bei Jil Sander, wo Navy Blue mit knalligem Rot und zartes Rosé mit grünen Halbschuhen kombiniert wurde. Die Botschaft: Wenn schon ziemlich viel Tristesse auf dieser Welt herrscht, dann soll der Alltag wenigstens bunt sein.
Abschied von „Re Giorgo“
Mailand und die Mode sind nicht mehr ganz so wie vor dem 4. September. Dem Tag, an dem Giorgio Armani mit 91 Jahren starb. Was das nicht nur für die Mode, sondern für Italien heißt, erkennt man daran, wie betroffen die Menschen sind. Zum Beispiel der junge Mann im Restaurant, der, auf den Designer angesprochen, sagt: „Es fühlt sich an wie der Tod der Queen.“ Nicht umsonst nannte man ihn „Re Giorgio“ und bereitete ihm am letzten Abend der Modewoche in der Pinacoteca di Brera mit Hunderten von Kerzen einen würdigen Abschied. Gekommen waren Weltstars, die zu seinen Freunden zählten, darunter Cate Blanchett, Glenn Close und Richard Gere, der 1980 in dem Film „American Gigolo“ seine Anzüge trug und ihm zu internationaler Bekanntheit verhalf. Models, von denen einige seit Jahren bei seinen Schauen aufgetreten waren, zeigten seine letzte Kollektion, manche mit Tränen in den Augen. In einer immer schnelllebigeren Modewelt wird es Persönlichkeiten wie ihn kaum noch geben.

Aus Enttäuschung wurde eine Event-Reihe
Vor der Bar steht ein Pulk von Menschen vor einem Bildschirm. Von Weitem könnte man es für ein Public Viewing halten. Champions League? Oder ein AC-Mailand-Spiel? Es sind aber keine Fußballer, die auf der Leinwand hin- und herlaufen, sondern Models der Show der Marke „The Attico“. Elias Medini, in der Modewelt besser bekannt als „Lyas“, veranstaltet seit Neuestem unter dem Namen La Watch Party Public Viewings für Fashion Shows. An diesem Abend während der Mailänder Modewoche steht er vor der „Bar Tommasi“ an der Piazza Giovine Italia und erzählt, wie alles anfing. Der Franzose, der mit witzigen Kommentaren zur Mode im Netz populär wurde, erhielt im Juni keine Einladung zur Dior-Herrenschau, ausgerechnet dem Debüt von Jonathan Anderson. „Ich war unglaublich enttäuscht“, erzählt er. Kurzerhand rief er Freunde an, bestellte sie in seine Stammbar und ließ über den Bildschirm die Dior-Show streamen. Zufällig Flanierende stellten sich dazu. „Daraus wurde etwas, womit ich nicht gerechnet hatte, eine Bewegung“, sagt er. Lyas, 26 Jahre alt, der sich wegen Lady Gaga schon als Kind für Mode zu begeistern begann, baut die Idee weiter aus. In Paris sind es acht Public Viewings, darunter die Schauen von Dior und Chanel. „Jeder kann dabei sein“, sagt er, „das ist die Demokratisierung der Mode!“

Ein Hut von Dior
Der Damenhut hat auf den Laufstegen einen so geringen Stellenwert wie auf der Straße. Selbst bei Giorgio Armani, der zeit seines Designerlebens Models Hüte aufsetzte, waren sie in seiner letzten Schau, die nach seinem Tod gezeigt wurde, nicht zu sehen. Der Hut ist uns so fremd geworden, dass es für ein gutes Ergebnis beim Styling viel Fingerspitzengefühl braucht. Der Designer Jonathan Anderson hat es, und zum Debüt bei Dior wagt er sich auch an dieses wenig gefällige Accessoire. Nur was genau ist das für ein Modell, das auf 23 von 74 Köpfen sitzt? Die breite und wie eine Welle geschwungene Krempe deutet auf die Cornettes genannten Kopfbedeckungen französischer Ordensschwestern im 19. Jahrhundert hin. Das passt, denn Anderson taucht tief ein in die Geschichte der Kleidung. Zugleich zeigen die Hüte in ihrer Theatralik Richtung John Galliano, der Dior 15 Jahre lang verantwortete. Andersons Spiel mit Volumen, die verkürzten, ausgestellten Bar-Jacken erinnern an diese Zeit. 2009 zeigte Galliano ein ähnliches Hutmodell mit ausladender Wellenform. Ein Kunstobjekt. Dagegen wirkt Andersons Version schon fast alltagstauglich.

Jetzt kommt die Flauschtasche
Statt Ledertaschen sind bei vielen Marken jetzt unkomplizierte Flauschtaschen zu sehen, weiche, häufig pelzige oder haarige Teile, die wie dicke Kissen unter dem Arm klemmen, aber ohne Logo auskommen. Abseits der Laufstege tragen Modeleute schon länger solche Objekte bei sich. Dann tauchten sie in Mailand bei Bottega Veneta zum Debüt von Louise Trotter auf. Drei Tage später: haarige Modelle bei Dries Van Noten. Und noch am selben Abend hing ein riesiges Etwas bei Stella McCartney (Foto) von der Schulter eines Models, als wäre es ein Hula-Hoop-Reifen, dekoriert mit türkisgrünem Bastelpapier. Die drei Beispiele zeigen: Die Flauschtasche ist extrem groß und auffällig bunt, sie ist eben keine klassische Ledertasche. Diese neue Kategorie könnte dabei strategischen Hintergrund haben. Die Preise für Luxusartikel sind in den vergangenen Jahren heftig gestiegen. Viele ehemalige Stammkundinnen sind da raus. Das bringt die Marken in die Bredouille, sie können die Preise schlecht wieder runtersetzen. Aber sie können Flausch anbieten. Der ist günstiger als Leder und macht zudem mehr Spaß.

Zwei „Vogue“-Chefinnen, eine mit Sonnenbrille
Anna Wintour, die Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue“, kann in dieser Saison mit gleich mehreren Versionen ihrer Selbst rechnen. Da trifft sie in Mailand bei Dolce & Gabbana auf Meryl Streep, die bei dieser Gelegenheit eine Szene für die Fortsetzung von „Der Teufel trägt Prada“ dreht. Und da ist in Paris an Anna Wintours Seite dann Chloe Malle, die von ihr auserwählte Nachfolgerin. Malles offizieller Titel lautet zwar „Head of Editorial Content“, aber so sind da nun trotzdem zwei amerikanische „Vogue“-Chefinnen. Eine mit Sonnenbrille, die andere ohne. Eine Ausnahme ist die Schau von Courrèges am Dienstagabend (Foto). Es ist besonders hell im Schauentheater, die Schauspielerin Naomi Watts neben Chloe Malle sorgt entsprechend vor. Malle selbst hält lange durch, aber zum Finale trägt auch sie Sonnenbrille.
