VfB Stuttgart im Pokalhalbfinale: Hoeneß hofft auf eine befreiende Wirkung – Sport

Welch beachtliche Gefühlsregungen auch ein mäßig begeisterndes Spiel auslösen kann, war dem Fußballpublikum der Republik bereits am vergangenen Samstag im Südwesten vorgeführt worden. Mike Tullberg tobte bei seinem Ausstand als Interimstrainer von Borussia Dortmund nach dem 2:1-Sieg derart wild über den Heidenheimer Schlossberg, dass Seismologen ihn als dänischen Vulkan hätten einstufen können.

Ganz so explosiv brachen die Emotionen aus Sebastian Hoeneß am Dienstagabend nach dem Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals zwar nicht heraus. Aber auch der VfB-Trainer jubelte im Stuttgarter Tal nach dem 1:0 (1:0) gegen den FC Augsburg äußerst ausgelassen. Ähnlich wie Tullberg war Hoeneß nach dem Abpfiff in die Fankurve gelaufen. Er wirkte mit seinen schwungvollen Armbewegungen beinahe wie ein Animateur, der den Anhang zum Mitmachen und zu mehr Lärm aufforderte.

„Ich habe einfach meinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Da ging es nicht darum, zu animieren, sondern eher darum, meine Emotionen mit den Fans zu teilen“, erklärte Hoeneß seine Eruption später. Die Pokalrunde der letzten Vier zu erreichen, zumal unter den aktuellen Umständen, sei „für den VfB Stuttgart ein großartiger Erfolg – und das habe ich rausgelassen, nicht mehr und nicht weniger“. Und jetzt, sagte Hoeneß, sei doch klar: „Ich möchte mit dieser Mannschaft nach Berlin, das wäre ein Traum.“ Zum Pokalfinale am 24. Mai.

Hoeneß sind die Makel seiner Mannschaft egal – ihren Vortrag bezeichnet er als „überragend“ und „reif“

Von einem möglichen „Booster“ hatte Hoeneß vor dem Spiel gesprochen. Nun hofft der 42-Jährige, dass sich eine befreiende Wirkung entfaltet in seiner Mannschaft, in der durch zuvor drei Niederlagen in Serie samt Aus in der Champions League das Selbstvertrauen und einige zuletzt tragende Säulen weggeknickt waren. Wie Ameen Al-Dakhil mit einer Oberschenkelzerrung und die erkrankten Nick Woltemade und Josha Vagnoman. Nun droht auch noch Enzo Millot auszufallen. Der Offensivspieler hatte sich bei einem Foul des Augsburgers Dimitrios Giannoulis in der letzten Aktion des Viertelfinals eine Blessur am Sprunggelenk zugezogen. Eine Diagnose lag zunächst zwar nicht vor, doch die Hoffnungen der Stuttgarter, dass Millot umgehend wieder auflaufen kann, fielen recht überschaubar aus. Humpelnd verließ der Franzose die Arena.

Ohnehin machen sie beim VfB gerade eine schwierige Phase durch, und ob diese durch den Pokalerfolg wirklich schon beendet ist, lässt sich vor den wichtigsten Wochen der Saison nicht sagen. Am Samstag in Dortmund beim Debüt von Niko Kovac als BVB-Trainer geht es für die Stuttgarter darum, den Konkurrenten um den erneuten Einzug in die Champions League mindestens auf Abstand zu halten. Danach folgen für den VfB in der Liga bis Ende März die ebenfalls schwierigen Aufgaben gegen Wolfsburg, den FC Bayern, Leverkusen und in Frankfurt. Dann steht das Pokalhalbfinale an.

„Manchmal reicht auch eine schlechte Leistung“, schloss Deniz Undav (am Ball), Stuttgarts Siegtorschütze gegen Augsburg, nach dem Sieg gegen den FCA – er immerhin fällt nicht aus. (Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Auch wegen dieser herausfordernden Agenda hoffen sie, dass der mühsame Erfolg gegen Augsburg bestärkend wirkt. Dass die vorherigen Enttäuschungen noch nicht lange zurückliegen, war dem Spiel der Stuttgarter anzusehen gewesen. Verunsichert hatten sie begonnen, ehe sie ihre beste Phase ab Mitte der ersten Halbzeit zum entscheidenden Tor nutzten. Wie beim 1:0-Ligasieg zum Jahresauftakt in Augsburg demonstrierte Deniz Undav erneut seine Kühle im Abschluss. Mit Übersicht schob er nach seinem Ballgewinn und einem Zuspiel des ehemaligen Augsburgers Ermedin Demirovic nach einer halben Stunde ein. Die Auszeichnung als „Man of the Match“ nahm der deutsche Nationalspieler später allerdings mit Selbstkritik entgegen. „Manchmal reicht auch eine schlechte Leistung“, sagte Undav und bemängelte bei sich „viele Stockfehler, viele Passfehler“. Damit war er bei den Stuttgartern keineswegs allein.

Hoeneß waren die Makel diesmal egal. Als „überragend“ und „reif“ bezeichnete er gar den Vortrag seiner Elf angesichts der Umstände. Bescheiden sagte er: „Ich weiß, da draußen wird es wieder welche geben, die sagen: ‚Schöner spielen.‘ Nein, nein, nicht in diesem Spiel.“ Zumindest die Pokalsaison wird nun als Erfolg in der Gesamtbilanz stehen, unabhängig davon, ob die erwünschten ein oder sogar zwei Siege und damit der vierte Pokaltitel der Klubgeschichte hinzukommen oder nicht.

Beim FC Augsburg trauern sie dagegen der verpassten Gelegenheit nach, zum zweiten Mal in ihrer Historie das Halbfinale zu erreichen. Gegen den vor allem anfangs wackeligen VfB hätte mit mehr Mut im Spiel nach vorne vielleicht mehr herausspringen können als nur Mert Kömürs Distanzschuss, der einzige gefährliche Abschluss des FCA. „Am Ende sind wir raus, da gibt es keine zweite Chance, und das tut mir echt leid“, sagte Jess Thorup. Auf einen sehr emotionalen Ausbruch hatte dieser dänische Trainer verzichtet.