Troikas Buenavista in der Schirn Kunsthalle


Wenn eine menschliche Stimme behaupten kann, „I Am a River“, wieso sollte dann nicht eine künstliche Existenz Erinnerungen haben? Und womöglich sogar, im Rückblick, traurig sein über einen erlittenen Verlust, der Bilder, der Räume? Menschen jedenfalls, die sich in „Buenavista“ versenken, einer sehr großflächigen Videoinstallation der Künstlergruppe Troika, erleben recht schnell eine seltsame Vermischung. Bis „AI“ nicht mehr unbedingt für „Artificial Intelligence“ stehen muss. Sondern, womöglich, für „Artistic“ oder „Alternative“ oder etwas aus allen dreien.

Eva Rucki, Conny Freyer und Sébastien Noel, ein deutsch-französisches Kollektiv, das als Troika seit Anfang der Zweitausenderjahre in London arbeitet, erzeugt in einem ein paar Minuten kurzen Loop eine Art Vexierbild: Dieses Wesen, das da die langen Haare schüttelt, sich in Sufi-Kreisen bewegt, sich dreht und scheinbar die Schultern schüttelt, in sich zusammenfällt, als trauere es oder sammle sich neu, das organische Schwünge der Hüfte zeigt und mit Wind und Bäumen zu tanzen scheint – es ist kein Wesen. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Ganz brutal gesagt, ist dieses mit Haaren ausstaffierte Ding ein Roboterarm, wie er in der Industrie zum Einsatz kommt. Nur scheint er hier, in der neuen Arbeit „Buenavista“, die Landschaft zu betrachten und tanzend auf sie einzugehen. Und wir, Betrachter des Ganzen, trauen ihm das zu. In einer Vorgängerarbeit von 2020, „Terminal Beach“ hatte ein ähnliches „Wesen“ den angeblich letzten Baum gefällt. Jetzt scheint es die „schöne Aussicht“, „Buenavista“, womöglich sogar zu genießen.

Spiel mit dem Blick

Alles Lug und Trug, die Landschaft sowieso, zusammengesetzt aus den Salzkrusten des Uyuni-Sees am Anfang, aus Traumstränden und Alpenpanoramen, die so rasch ineinanderverfließen, dass man nicht weiß, wo das eigentlich sein könnte. Aber man ist, als Betrachterin und Betrachter, nirgends. Nur in der Schirn Kunsthalle, wo Tonnen von ausgestreutem Salz, in Dünen gekräuselt, den Boden in eine gleißend weiße Wüste verwandeln.

Das Salz verweist zurück auf den bolivianischen See, auf die Ausbeute von Lithium, die dort die Natur zerstört, um uns den unverzichtbaren Rohstoff, im Roboterarm, in Kameras, in unseren Smartphones zu liefern und erst jenen gleichzeitig entfremdeten und vertrauten Blick zu ermöglichen, der uns nun präsentiert wird. So stellen die vier perfektionistischen Installationen in der Schirn stets die Frage nach dem menschlichen und dem maschinellen Blick und deren Überlappungen. Die pixeligen Gemälde „Irma Watched Over by Machines“ (2021), die Kameraaufnahmen des Hurrikans Irma menschlich bearbeiten, die Disteln der „Anima Atman“ (2024), die sich unter der Lichteinstrahlung scheinbar lebendig, tatsächlich aber maschinengetrieben bewegen, tricksen die Wahrnehmung einerseits aus und beruhen doch auf unser aller Bildproduktion und Bilderkonsum.

Performancewochenende zum Abschluss

Die Streifen in Rot, Grün, Blau, die wiederum typisch sind für die Farbfilter der Digitalkamera, werden vom Sonnenlicht in die Schirn zu Bildern auf Boden, Salzwüste, Wänden zusammengetrieben, und sie sind, nachdem schon davor die Ausstellung zu Hans Haacke zum Wohl der Pflanzen, die dort gediehen, das Sonnenlicht unabdingbar gemacht hat, ein weiteres Mal eine Öffnung des „White Cube“ des Galerieraums: Das große Panoramafenster zur Stadt bleibt frei und ist Teil der Show.

Eine Erinnerung daran, dass es neben der digitalen Realität immer noch eine echte vor den Scheiben gibt. Und auch daran, dass es nun rasch gehen wird mit dem Ausbau der Kunst aus der Schirn. Auch in der großen Galerie, man sieht es vom Römerberg aus, sind die Fensterverkleidungen schon abmontiert, die Raumteiler werden zurückgebaut. Mit einem großen Performancewochenende vom 28. bis 30. März, das diesen nun freigelegten Raum bespielt, wird die Schirn den Betrieb dort beenden. Am 30. April noch eine Party mit Tanz, dann wird das Salz zusammengefegt, und die Schirn zieht nach Bockenheim in die Dondorf’sche Druckerei.

Troika, Buenavista, Schirn Kunsthalle Frankfurt, bis 21. April.