Transferwerte schaffen und Rendite absahnen

Markus Krösche hat erstmals ausführlich und detailliert seine Strategie erläutert, wie er die Eintracht in der Spitze des deutschen Profifußballs etablieren möchte. In einer Medienrunde legte der Sportvorstand die Methoden offen, die hinter dem Frankfurter Weg stehen, der in den vergangenen Jahren in die erweiterte Spitzengruppe der Bundesliga führte, nachdem schon zuvor der Aufstieg aus den Niederungen der Tabelle ins obere Mittelfeld gelungen war.

Das Grundkonzept ist offensichtlich und schon häufiger beschrieben worden: Transferwerte schaffen, in dem der Klub vornehmlich Talente und Jungprofis mit Perspektive verpflichtet, die sich dann am Main entwickeln und mit saftiger Rendite weiter gegeben werden. Aber wieso gelingt es der Eintracht so gut, besser als den meisten Konkurrenten? Aus den Ausführungen Krösches lassen sich die Schlagworte Vertrauenswürdigkeit, Geduld und Resilienz destillieren.

Vertrauenswürdigkeit hat sich die Eintracht in den vergangenen Jahren durch eine seriöse Vereinspolitik, durch die Berechenbarkeit der Führungspersonen sowie durch Erfolge auf dem Platz erarbeitet. Sie bildet die Grundlage dafür, dass der Klub mittlerweile nicht nur sehr fantasievoll und auf entlegenen Märkten nach günstigen Verstärkungen suchen muss, sondern auch für europäische und deutsche Spitzentalente ein potentieller Arbeitgeber ist, „die von acht Millionen Euro aufwärts Ablöse kosten“, so Krösche.

„Wahrnehmung total verändert“

„Wir haben an Glaubwürdigkeit im Wettbewerb gewonnen. Gerade im Ausland hat sich die Wahrnehmung total verändert. Vor drei, vier Jahren kannte im Ausland keiner Eintracht Frankfurt“, berichtet der Sportvorstand und setzt hinzu: „Es gibt sogar Spieler aus England, die sagen: Der einzige Klub außerhalb von England wäre Eintracht Frankfurt. Eine solche Resonanz ist schon gut.“

Nach den vielen guten Beispielen von Kolo Muani, über Pacho, Lindström und Ndicka bis zu Kamada, Silva und Sow, wie gut die Eintracht der Karriere eines aufstrebenden Profis tun kann, ist die Bereitschaft zum Zuhören bei vielen Talenten, deren Eltern und Beratern groß, wenn die Frankfurter an sie herantreten: „Wir versuchen, den Spielern eine Geschichte zu erzählen, wie wir sie weiterentwickeln wollen. Wir wissen um ihre Stärken, zeigen ihnen aber auch ihre Schwächen auf und erklären, wie wir an den Schwächen arbeiten wollen“, so Krösche.

Dabei bleibt es aber in den Gesprächen nicht. „Wir erläutern, welche Rolle der jeweilige Spieler in der Systematik bei uns einnehmen soll und welchen Vorteil ein Wechsel zu Eintracht Frankfurt für die zukünftige Karriere hätte: mit dem Stadion, der Emotionalität, unseren Experten um die Mannschaft herum und dem Standort.“

Im Moment bemüht sich die Eintracht um den Mainzer Stürmer Jonathan Burkhardt und den 19 Jahre alten Hoffenheimer Mittelfeldspieler Tom Bischof. Im Fall des Hoffenheimer offensiven Mittelfeldpielers argumentiert der Sportvorstand, dass mit Mario Götze ein 32-Jähriger auf dessen Position spielt, und wenn Bischof käme, er keine weitere Neuverpflichtung vor die Nase gesetzt bekäme.

„Vorteile von Eintracht Frankfurt präsentieren“

So lassen sich sogar Mitbieter wie Bayern München und Borussia Dortmund eventuell ausstechen. Die großen Klubs würden in den Gesprächen allerdings nicht von ihm madig gemacht. „Es geht uns nicht darum zu sagen: Geh nicht zu Bayern, geh nicht zu Dortmund. Das steht uns gar nicht zu. Es geht darum, die Vorteile von Eintracht Frankfurt zu präsentieren. Und wir setzen das um, was wir erzählen. Man kann jungen Spielern immer sagen, dass sie spielen werden. Du musst aber auch einen Trainer haben, der die Überzeugung hat, junge Spieler einzusetzen, und der akzeptiert, dass sie auch mal Fehler machen.“

Krösche hat ihn in Dino Toppmöller, und er weiß auch, was er an ihm hat: „Dino hat einen großen Anteil daran, wie sich die Mannschaft in der Vorrunde entwickelt hat.“ Womit wir bei den Stichworten Resilienz und Geduld wären. Toppmöller blieb bei seinen Werten, seiner Spielphilosophie und seiner Überzeugung, die richtigen Spieler für sein System zu haben, obwohl die zähe Rückrunde der vergangenen Saison viele Fans und Freunde der Eintracht in Zweifel stürzte.

Was für Toppmöller gilt, gilt vielleicht sogar noch mehr für Krösche, der an seinem Trainer festhielt und auch nie den Stab über einen Spieler brach. „Wir wollen eine junge Mannschaft, wir haben eine junge Mannschaft und junge Spieler machen einfach mehr Fehler als erfahrene. Man muss ihnen Zeit geben und Vertrauen schenken“, postuliert der Sportvorstand.

„Slapstick, aber was soll’s“

So hat Krösche auch noch lange nicht die Geduld mit Igor Matanovic verloren. Der im Sommer vom Karlsruher SC zurückgekehrte Mittelstürmer hat bisher die großen Erwartungen noch nicht erfüllt, die er in der zweiten Liga und durch seine starken Leistungen in der Sommervorbereitung geweckt hat. „Igor muss sich an die Bundesliga gewöhnen, die Gegenspieler sind besser, alles geht schneller. Sein erster Kontakt war in der zweiten Liga kein Problem, für die Bundesliga ist er manchmal zu unsauber. Aber das alles ist normal. Igor braucht nur Zeit, er macht seinen Weg“, so Krösche.

Und auch die grotesk anmutenden Fehler von Kaua Santos im letzten Spiel des Jahres gegen Mainz 05 rauben dem Sportvorstand nicht die Überzeugung, dass der Brasilianer einen großes Torwart-Talent ist: „Natürlich war es Slapstick, aber was soll’s. Er wird daraus lernen.“ Die Außenverteidiger Nathaniel Brown und Nnamdi Collins sind Beispiele dafür, wie schnell sich ein Knoten manchmal löst.

Zu Saisonbeginn Hinterbänkler im Kader, werden sie mittlerweile von Bundestrainer Julian Nagelsmann beobachtet. Krösche lobt Trainer Toppmöller dafür, wie er es fertig bringt, enttäuschte Spieler, die wenig Einsatzzeiten haben, von ihrer Wichtigkeit für das Team zu überzeugen und davon, dass sie ihre Chancen noch bekommen werden.

Die Geduld der Frankfurter können sich die großen Klubs nicht leisten. Für Krösche der Hauptgrund, warum viele Eintracht-Stars bei ihrem neuen Arbeitgeber nicht so erfolgreich waren, wie in Frankfurt. „Da muss man auf Anhieb funktionieren. Wenn nicht, dann war es das ganz schnell, weil die Konkurrenz im Kader so eine hohe Qualität hat.“

Noch „keinen Anruf“ wegen Marmoush

Manche Spieler seien für den Schritt zu einem europäischen Spitzenverein auch noch nicht bereit gewesen, manche hätten sich für einen Klub mit einem für sie unpassenden Spielsystem entschieden. „Ich habe häufiger gesagt, bleib noch ein Jahr in Frankfurt.“ Aber wenn sich jemand verändern möchte und das Finanzielle stimmt, dann legt die Eintracht den Wechselwilligen keine Steine in den Weg. Das gehört für Krösche zum fairen Umgang dazu. „Wenn sich ein Spieler schneller entwickelt als die Mannschaft, dann muss man eben sprechen und eine Lösung finden.“

Und auf der Grundlage gegenseitiger Wertschätzung stellen sich manche Situationen einfacher dar, als es von außen scheint. Mit Omar Marmoush besteht Einigkeit darüber, dass er bis zum Sommer bleibt, damit die Chancen gewahrt bleiben, in dieser Saison etwas Großes zu erreichen.

„Aber natürlich gibt es extreme Situationen. Dies muss man dann neu bewerten, allerdings muss schon etwas Außergewöhnliches passieren.“ Sprich eine exorbitante Ablöse geboten werden, wobei Krösche das Wort exorbitant nicht mit einer Zahl versehen möchte. „ Bis jetzt gibt es jedoch kein Angebot und keinen Anruf.“ Ob es noch im Winter kommt oder erst im Sommer – die Eintracht wird Marmoush nicht halten können und auch nicht wollen. Und so wird sich der Frankfurter Weg mit Hilfe seiner Millionenablöse fortsetzen.