Till Lindemann: KiWi-Verlag unterliegt im Rechtsstreit


Das Landgericht Köln hat einer Klage des Sängers und Buchautors Till Lindemann stattgegeben, dessen Verlag Kiepenheuer & Witsch im Juni 2023 die Zusammenarbeit mit diesem beendet hatte. Laut dem Urteil vom 11. April hat für den Verlag aber kein Kündigungsgrund bestanden. Es wurde festgestellt, dass die Verlagsverträge zwischen Lindemann und Kiepenheuer & Witsch ungekündigt fortbestehen.

Lindemann, bekannt vor allem als Sänger der Band Rammstein, hat bei KiWi drei Gedichtbände veröffentlicht, die zum Teil Drastisches thematisieren, etwa eine Vergewaltigung unter Betäubung mit Rohypnol („Wenn Du schläfst“). Nach Bekanntwerden von Vorwürfen gegen die Band Rammstein und ihren Sänger, die den Umgang mit weiblichen Fans bei Aftershow-Partys betreffen, und nach Diskussionen über ein Porno-Video, in dem Lindemanns bei KiWi erschienenes Buch „In stillen Nächten“ als Requisite verwendet wird, hatte der Verlag im Juni 2023 im Namen seiner Verlegerin Kerstin Gleba eine Erklärung veröffentlicht.

Lindemanns „künstlerische Ausdrucksweise“ sei vorher bekannt gewesen

Laut dieser überschreitet Lindemann in dem Video „für uns unverrückbare Grenzen im Umgang mit Frauen“. Fragwürdig war, dass der Verlag erst damals Kenntnis von den Inhalten des Videos erlangt haben wollte. Das Landgericht Köln kam nun zu der Ansicht, weder das besagte Porno-Video „Till The End“ noch die Vorwürfe gegen Till Lindemann könnten die Kündigung der Verlagsverträge begründen. Nach den Verträgen seien Kiepenheuer & Witsch „das künstlerische Werk und die künstlerische Ausdrucksweise“ von Lindemann bekannt gewesen: nämlich eine, die gezielt Grenzüberschreitungen thematisiere.

Der Verlag hatte 2020 noch, in Verteidigung seines Autors Lindemann, öffentlich die Unterscheidung von Autor und lyrischem Ich in Bezug etwa auf das besagte Vergewaltigungs-Gedicht betont. In der Erklärung von 2023 aber hieß es, durch „die gezielte Verwendung unseres Buches im pornographischen Kontext“ habe Lindemann „die von uns so eisern verteidigte Trennung zwischen dem ’lyrischem Ich’ und dem Autor/Künstler selbst verhöhnt.“

Betrachtungen zur Kunstfigur

Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht. Dem Standpunkt des Verlages, „wonach die Handlungen im Video nicht solche einer Kunstfigur, sondern diejenigen des Klägers selbst seien, kann dagegen nicht gefolgt werden. Genauso wie im Gedicht das lyrische Ich eine künstliche Figur ist, sind die in einem filmischen Werk auftretenden Personen grundsätzlich als solche zu betrachten.“

Auch auf die öffentlich gewordenen Vorwürfe gegen Till Lindemann, die seinen tatsächlichen Umgang mit Frauen betreffen, könne Kiepenheuer & Witsch die Kündigung nicht stützen, heißt es weiter in einer Pressemitteilung der Hamburger Kanzlei Lichte, die Lindemann im vorliegenden Fall vertreten hat. Das Ermittlungsverfahren gegen Lindemann sei eingestellt worden; soweit in den Vorwürfen „moralisch vorwerfbares Verhalten“ zu sehen sei, könne dies kein Kündigungsrecht begründen.

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch war für eine Stellungnahme am Samstag nicht zu erreichen.