Suhrkamp-Autoren zu Unselds NSDAP-Mitgliedschaft

„Öffentliches Schweigen“ hatte die Wochenzeitung „Die Zeit“ Siegfried Unseld vorgehalten, als sie am vergangenen Mittwoch die Entdeckung der NSDAP-Mitgliedschaft des bedeutendsten deutschen Verlegers der Nachkriegszeit bekanntgab. Bislang haben sich noch nicht viele Autoren des Hauses dazu geäußert, was sie über den Fall denken. Drei der Prominentesten unter ihnen haben jetzt aber auf die diesbezügliche Frage der F.A.Z. geantwortet.

Die Wahrnehmung der Mitgliedschaft von Siegfried Unseld in der NSDAP wird im Moment durch die Präsenz der AfD verstärkt. Unseld hatte zu seiner Zeit als Verleger keine Möglichkeit, diese Mitgliedschaft zu thematisieren. Sein jugendliches Alter, die fehlende Reife, wird ein Grund für den Beitritt gewesen sein. Unselds Reue über diese Mitgliedschaft ist artikuliert im Programm des Suhrkamp Verlags, wo die Aufklärung und der Kampf gegen den Faschismus zentral sind. In meiner Biographie gibt es einen ähnlichen Fall: Mein Lehrer, der Jurist Hellmut Becker, war auch Mitglied der NSDAP, was sich erst nach dessen Tod herausgestellt hat.

Alexander Kluge, geboren 1932 in Halberstadt, ist Suhrkamp-Autor seit 1972. Zuletzt erschien dort zusammen mit Anselm Kiefer „Klugheit ist die Kunst, unter verschiedenen Umständen getreu zu bleiben“. 2003 erhielt er den Büchnerpreis.

Ist es nicht geradezu symptomatisch für jene Generation, die dann die Bundes­republik so umfassend prägen sollte? Und ließe sich Unselds verlegerische Arbeit nicht gerade auch als Überschreiben dieses biographischen Fakts lesen – viel mehr als das, was jetzt so groß und raunend „verschweigen“ genannt wird? Ich weiß es nicht – und es ist in der Tat ärgerlich, dass wir Unseld nicht mehr dazu befragen können, um zu begreifen, um welche Form des bewussten oder unbewussten Vergessens oder Nicht-mehr-Erinnern-Könnens es sich in diesem konkreten Fall handelt.

Judith Schalansky, geboren 1980 in Greifswald, ist Suhrkamp-Autorin seit 2011. Zuletzt erschien dort „Verzeichnis einiger Verluste“. 2021 erhielt sie den Gutenbergpreis der Stadt Leipzig.

Ich kann nur sagen, daß dieser Mitgliedsantrag ein Moment im Leben des jungen Mannes war, den der Erwachsene dann ein Leben lang abgearbeitet hat.

Durs Grünbein, geboren 1962 in Dresden, ist Suhrkamp-Autor seit 1988. Zuletzt erschien dort „Der Komet“. 1995 erhielt er den Büchnerpreis.