Sneaker-Ballerinas und hybride Schuhe: Mode zwischen Bequemlichkeit und Ästhetik – Stil

Für sie: Hochgeschlappt

Die letzten beiden Jahre kann man getrost als Ballerina-Jahre bezeichnen – der Schuh war der neue Turnschuh. Natürlich ist so ein Schläppchen zwar nicht so unlaufbar wie irgendwas mit Absatz, kommt aber in Sachen Bequemlichkeit trotzdem nicht an den Turnschuh ran. Für das Dilemma gibt es jetzt Abhilfe, denn der Sneaker-Ballerina scheint sich durchzusetzen. Das Label Rombaut zum Beispiel setzt auf die Devise oben Satin und unten klobige Sneakersohle, und bei Camper sieht das ganze einfach nur aus wie ein Ballerina mit allergischer Anschwellreaktion. Nur bei Zara wirkt der Schuh am ehesten wie ein echter Ballerina, aber im schnittigen Sport-Look. Sneaker-Ballerinas wurden schon im letzten Jahr von Leuten mit Hang zu avantgardistischem Schuhwerk eingeführt, im Modesprech nennt man solche Schuhe ugly shoes, und ihr Spektrum reicht vom orthopädischen Laufhilfe-Look bis zum Zentaurenhuf. Die Liebe zu ihnen ist mit der modernen Einstellung zu erklären, dass das Blickfangen auf der Straße mit konformistischer Hübschheit altmodisch, das Aufsehenerregen grundsätzlich aber ein großer Spaß ist.

(Foto: Miu Miu)

Miu Miu, das Label, das für jeden Schuhtrend vom Bikerstiefel bis zum Bootsschuh verantwortlich ist, hat jetzt also auch einen Sneaker-Ballerina im Angebot, er ist endgültig im Establishment angekommen. Das bedeutet nicht, dass man ihn jetzt gut finden muss. Es bedeutet aber, dass wir uns auf keinen Fall vom Establishment wieder in hübsche High Heels zwingen lassen sollten. Oder sagen wir so: Sollten wir Melania Trump mal in diesen Schuhen sehen, gäbe es wieder Hoffnung.

Für ihn: Aufgebockt

Das Hybridprinzip ist nicht nur bei Automotoren Teil unserer Gegenwart. Hybride Identitäten, hybride Arbeitskultur – es entspricht einfach dem modernen Lebensgefühl, dass man sich nicht mehr gerne zwischen zwei Möglichkeiten entscheidet, sondern lieber beides hätte. In diesem Sinne sind wohl auch die inklusiven Schuhmodelle zu verstehen, die zuletzt in etlichen Kollektionen zu sehen waren – hier im Bild ein nagelneuer „Speed Loafer“ des Herstellers Hoka, der irgendwie an ähnlich aufgebockte Autos erinnert wie den BMW X6 – oben Limousine, unten SUV.

(Foto: Hoka)

Hybrid vereint sind in diesem Schuhdesign also eine klassisch anmutende Loafer-Oberfläche, sogar mit Quasten, die auf eine ziemlich massive Trail-Sohle verpflanzt wurde. Das Ergebnis würde, so liest man in der Beschreibung, „die Grenze zwischen Sport und Lifestyle verwischen“. Tja, nun, aber wurde der Wunsch nach dieser Verwischung wirklich so laut geäußert? Klar, nahezu jeder geht heute mit Turnschuhen seinen urbanen Verrichtungen nach, und die Sneakers zum Anzug tragen schon seit 25 Jahren diesem Wunsch Rechnung – bequemes Schuhwerk bei gleichzeitig formaler Resterscheinung. In diesem Sinne ist also ein Schuh, der von oben aussieht wie ein Klassiker und von unten wie ein Sportler, eine konsequente Fortsetzung. Aber macht ihn diese Theorie zu einem schönen Schuh? Oder doch nur eher zu einem grotesken Mischwesen, das eben irgendwie nicht best of both worlds ist? Guter Stil hat eben schon auch mit der formalen Reinheit der einzelnen Komponenten zu tun. Derartige Konglomerate können durchaus modisch sein, aber ästhetisch vermutlich nicht besonders langlebig.