
Der Deutsche Dirk Stermann lebt seit 1988 als Kabarettist, Autor und Moderator („Willkommen Österreich!“) in Wien.
Als am Montag Herbert Kickl in der Hofburg bei Bundespräsident
Alexander Van der Bellen eintraf, um mit der Regierungsbildung beauftragt zu
werden, stand ich unter ein paar Hundert
Gegendemonstranten, weil ich das Gefühl hatte, dabei sein zu wollen, wenn die
zweite Republik abgewickelt wird.
Neben mir standen junge Antifaschisten, Vertreter der jüdischen Hochschülerschaft und Omas gegen Rechts und froren im Wiener Wind hinter den weiträumigen Absperrungen der Polizei. Sie skandierten „Nazis raus“ und „Ganz Wien hasst die FPÖ“, und Kinder saßen auf den Schultern von Müttern und Vätern und verstanden noch nicht, warum sie hier in der Kälte beim Ballhausplatz waren. Ich bin als Ausländer wie die Kinder nicht wahlberechtigt und saß also emotional auch auf den Schultern aller wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher. Wie die Kinder vertraue ich auch auf die Weisheit der Erwachsenen in diesem Land, aber anders als die kleinen Kinder kann ich schon Zeitungen lesen und politische Zusammenhänge begreifen, und deshalb wunderte ich mich, wieso nicht viel mehr Inländerinnen und Inländer gekommen waren, um zu zeigen, dass sie sich um die Demokratie sorgen. Denn an diesem Montag, der in Österreich dank der Heiligen Drei Könige ein Feiertag war, hätte man sich nicht einmal krankmelden oder freinehmen müssen.