
Wer am Dienstagabend vom Flughafen in Los Angeles aus abhob und nach Norden blickte, sah eine Katastrophe biblischen Ausmaßes: eine gewaltige Feuerwand mit riesiger Rauchwolke – als hätte jemand das Tor zur Hölle geöffnet. Es brannte lichterloh in Pacific Palisades; eine kleine Stadt nordwestlich von Los Angeles, bekannt als Heimat vieler Prominenter wie Sängerin Jhene Aiko, Basketballprofi Kawhi Leonard oder Schauspieler James Woods. Dieser dokumentierte von seinem Haus aus auf X den, wie er schrieb, „Tornado aus Feuer“ – bis er um kurz vor 21 Uhr ein Video der brennenden Nachbarhäuser veröffentlichte mit der Botschaft: „Leaving“. Es war auch für ihn Zeit, sich in Sicherheit zu bringen, wie für 30 000 andere Menschen. Denn: Es sollte über Nacht noch schlimmer werden.

Es war genau das passiert, wovor der kalifornische Katastrophenschutz die 14 Millionen Einwohner im Bezirk Los Angeles am Morgen per SMS gewarnt hatte: ein „perfect alignment“. So nennen sie das, wenn alles erdenklich Negative zusammenkommt, also: kaum ein Tropfen Regen in den acht Monaten seit April; Trockenheit und Hitze in den Wochen um Weihnachten und Neujahr; und dann heftige Winde an Orten, an denen es gewöhnlich kaum welche gibt. Diese Winde sorgen nicht nur dafür, dass sich ein Brand mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet, sondern auch dafür, dass Löschmaßnahmen aus der Luft erschwert werden, weil Hubschrauber und -Flugzeuge nicht starten dürfen wie zeitweise in Pacific Palisades.

„Es ist ein außerordentliches, lebensgefährliches Feuer“, sagte Erik Scott von der Feuerwehr in Los Angeles der Süddeutschen Zeitung: „Viele Leute denken, dass im Winter die Gefahr schlimmer Feuer nicht so extrem sei – das stimmt einfach nicht.“
Um 10.30 Uhr Ortszeit war ein Feuer – die Ursache ist derzeit noch nicht bekannt – im Norden der Kleinstadt ausgebrochen, das sich bis zum frühen Abend auf mehr als zwölf Quadratkilometer ausbreitete und unter anderem die Getty Villa erreichte. „Bäume und Gräser haben gebrannt“, heißt es in einer Stellungnahme des Museums, das 44 000 Artefakte und Kunstwerke beheimatet: „Die Kollektion ist aber sicher.“ Bei der 275-Millionen-Dollar-Renovierung bis 2006 seien Maßnahmen gegen Brände installiert worden. 10 000 andere Gebäude, darunter die Villen von Sängerin Cher, Schauspielerinnen Jane Seymour und Mira Sorvino sowie die der Schauspieler Mark Hamill und Ben Affleck, seien dagegen in Gefahr.
Die Besonderheit von Pacific Palisades, in dem auch das Thomas-Mann-Haus beheimatet ist: Es gibt nur eine Hauptstraße zur Küste und von dort aus nur den Pacific Coast Highway zur Flucht vor den Flammen. Die Evakuierungen von mehr als 10 000 Gebäuden lösten ein Verkehrschaos aus, sodass viele Bewohner zu Fuß fliehen mussten – und ihre Autos zurückließen.

Das wiederum sorgte dafür, dass die Straße für Fahrzeuge der Feuerwehr blockiert war. „Lasst die Schlüssel im Auto, wenn ihr sie zurücklasst“, sagte Schauspieler Steve Guttenberg („Police Academy“) im Interview mit News-Sender KTLA: „Ich versuche, so viele Autos wie möglich wegzufahren, damit die Straße für die Feuerwehr frei wird. Da oben sind Leute, die gefangen sind und unsere Hilfe brauchen.“ Später setzte die Feuerwehr Bulldozer ein, um Fahrzeuge wegzuräumen. Da war dann auch Guttenberg vor den Flammen geflohen. „Es sieht aus wie in einer Geisterstadt“, sagte er: „Niemand ist hier; aber so weit ich das beurteilen kann, sind alle in Sicherheit – genau so sollte es bei einem Brand dieses Ausmaßes sein.“

Am Abend sagte Feuerwehrchefin Kristin Crowley, dass bislang keine Verletzten gemeldet worden seien – sie mahnte aber auch, dass die Gefahr nicht gebannt sei, im Gegenteil. „Es fängt gerade erst an; es dürfte noch schlimmer werden“, sagte sie angesichts der Prognose des US-Wetterdienstes, der zufolge die Winde über Nacht auf eine Stärke von mehr als 80 Kilometer pro Stunde zunehmen sollten. Das bedeute in Kombination mit Luftfeuchtigkeit im einstelligen Bereich, dass das bereits bestehende Feuer noch gefährlicher werden könne; aber auch, dass neue Feuer ausbrechen könnten. „Wir hoffen sehr, dass wir falsch liegen – aber wir rechnen mit weiteren Bränden in dieser Gegend“, sagte Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Erst von Donnerstag an sollen die Winde nachlassen.