„Körperwelten- Am Puls der Zeit“ in München

Ein Versprechen hatte die Kuratorin und Frau des Plastinatoren Gunther von Hagens, die Chirurgin Angelina Whalley im AZ-Interview gegeben: „Sie kommen anders aus der Ausstellung heraus, als Sie hineingegangen sind.“

Das hätte auch eine Drohung sein können. Und dann passiert doch ein kleines Verwandlungswunder: „Körperwelten – Am Puls der Zeit“ ist wirklich eine Au

sstellung ohne Gruseleffekt und auch keine voyeuristische Skandalveranstaltung, ein Vorwurf, der sich in der dreißigjährigen Geschichte dieser Ausstellungsreihe ohnehin verflüchtigt hätte.

Wer die dunklen Räume mit ihren schwarzen Wänden betritt, wird still – nicht unbedingt vor Ehrfurcht, aber doch durch eine Atmosphäre der Würde. Die Kleine Olympiahalle im Olympiapark ist unterirdisch. Dennoch hat man nicht das Gefühl, in eine Art Grabkammer gestiegen zu sein. Was hatte der ethische Berater – der Philosophieprofessor Franz Josef Wetz – zur Eröffnungspressekonferenz als pathetischen Werbeslogan ausgegeben? „Hier wird am toten Körper das Leben beleuchtet und gefeiert!“

Gunther von Hagens beim Plastinieren von Ross und Reiter: Dieses Objekt musste 2003 in München noch verhüllt werden.
Gunther von Hagens beim Plastinieren von Ross und Reiter: Dieses Objekt musste 2003 in München noch verhüllt werden.
© Körperwelten
Gunther von Hagens beim Plastinieren von Ross und Reiter: Dieses Objekt musste 2003 in München noch verhüllt werden.

von Körperwelten

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„Am Puls der Zeit“ heißt der Untertitel der Ausstellung. Es soll um die Frage gehen: Was macht die Beschleunigung unseres Lebens durch Maschinen, Bilderflut und Digitalisierung mit uns und unserem Körper? Eine kleine, unfreiwillige Ironie ist es, dass der witzige Einführungs-Animationsfilm genau das ist: zu schnell. Aber dann kann man vor den ausgestellten Organen, Gelenken, Schaubildern und Texten natürlich sein persönliches Tempo wählen.

Plastinierte Querschnitte durch einen menschlichen Körper.
Plastinierte Querschnitte durch einen menschlichen Körper.
© Körperwelten
Plastinierte Querschnitte durch einen menschlichen Körper.

von Körperwelten

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2003 – und wieder 2014 – waren „Körperwelten“ in München, damals mit anderen Schwerpunkten und Exponaten. 2003 hatte sich Widerstand gebildet. Bis eine Stunde vor Ausstellungseröffnung war nicht klar, ob sie öffnen könnte oder was gezeigt werden dürfte. Dann kam die Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts: „Körperwelten“ dürfen öffnen.

Interessanterweise ging es bei dem Versuch, die Ausstellung zu stoppen, auch um die Frage, ob der Mensch hier nicht zum Kunstobjekt herabgewürdigt würde. Das Gericht konnte sich in der Schnelle keine abschließende Meinung bilden. Und so musste eines der größten Objekte verhüllt werden, was dann auch mit Goldfolie geschah. Ein merkwürdiger Blickfang entstand.

Jetzt erhebt sich das sich aufbäumende Pferd mit Reiter im zentralen Raum der Ausstellung. Und man kommt nicht umhin, an Reiterstandbilder der Renaissance zu denken, als Mensch und Tier in der Kunst gefeiert wurden – nicht mehr nur als Schöpfungen Gottes, sondern auch als Wunder der Natur mit dem Menschen im Zentrum.

Eleganz und Schwerelosigkeit: Dieses plastinierte Paar soll an den "Titanic"-Film erinnern.
Eleganz und Schwerelosigkeit: Dieses plastinierte Paar soll an den „Titanic“-Film erinnern.
© Körperwelten
Eleganz und Schwerelosigkeit: Dieses plastinierte Paar soll an den „Titanic“-Film erinnern.

von Körperwelten

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Aber selbst diese Schauobjekte – hier auch ergänzt durch große Tiere wie einen Bären, Gorillas und sogar Elefanten in einem Extraraum – stehen gar nicht im Vordergrund der Ausstellung. Vielmehr sind es intimere Themen und Fragen: Was macht die moderne Geschwindigkeit mit unserem Leben?

Menschlicher Vergleichspunkt bleibt dabei ja unser Körper – vom Rhythmus der Verdauung, von unserem Puls, unserer Gehgeschwindigkeit oder die neun Monate einer Schwangerschaft bis zur ganzen Lebensspanne. Plastiniert werden die ausgestellten menschlichen Teile und Organe abstrakt und glatt, auch wenn sie organischen Ursprungs sind. Das schafft eine Balance zwischen sterilem Objekt und doch einer gewissen Aura.

Dezent wird auch unsere heutige Arbeitswelt zurechtgerückt: Wirbelsäulen von Bändern und Rückenmuskulatur umspannt sind zu sehen – auch in Fehlstellungen an unseren Computerarbeitsplätzen.

Eine der Neuerungen der Ausstellung sind Tierexponate.
Eine der Neuerungen der Ausstellung sind Tierexponate.
© Körperwelten
Eine der Neuerungen der Ausstellung sind Tierexponate.

von Körperwelten

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Interessant ist in „Am Puls der Zeit“ auch, dass nicht nur physische und anatomische Themen besprochen werden. An einer Stelle wird zum Beispiel das „Gebrochene Herz“-Syndrom erklärt mit seinen Symptomen, die einem Herzinfarkt ähneln, ohne dass Ärzte einen physischen Grund finden können. Herzquers

chnitte aber zeigen die Veränderungen.

Gegen Ende der Ausstellung sind auf einer Weltkarte Orte zu sehen, an denen Menschen am gesündesten sind – eine Gegend liegt in Kalifornien, Sardinien ist dabei und es gibt Punkte in Südostasien. Und was ergibt die Suche nach Gemeinsamkeiten – neben einer gesunden Ernährung und Bewegung? Das Gefühl, in einer Gemeinschaft aufgehoben und gebraucht zu werden und die Fähigkeit, Glück zu empfinden. Hier entwickelt „Am Puls der Zeit“ sogar eine politische Dimension über klassische Gesundheitspolitik hinaus.

Zuvor war auch kurz eine Studie vorgestellt worden: Kinder, die zu früh zu viel mit digitalen Medien in Berührung gekommen sind, verlieren den Spaß am Analogen, am Natürlichen – und werden später unglücklicher. Aber das gilt sicher auch noch im Erwachsenenleben.

So geht man durch zehn große, nie überladene Räume vorbei an Details oder Ganzkörperplastinaten, liest etwas, entdeckt etwas, bekommt Bilder gezeigt. Das Auffallende aber, was diese Ausstellung erreicht, ist die Sicht auf den Körper als Spiegel des Lebens. Und wenn man ihn hier anhand der Lehrexponate betrachtet, wird er in seiner Faszination, Gefährdung und Zerbrechlichkeit zum lebendigen Objekt, das zum Reflektieren anregt.

Vielleicht will man am Ende der Ausstellung sogar Tempo aus seinem Leben nehmen – „aufhören, drei Leben in einem zu leben, weil man nur eines hat“, wie der Ethikprofessor Franz Josef Wetz es formuliert hat.

Kleine Olympiahalle, täglich 10 bis 18 Uhr, 29 Euro, bestimmte Zeitfenster: 22 Euro, Informationen: koerperwelten.de

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