
Der schlagfertige Teamkollege stahl Nico Hülkenberg glatt die Show. Formel-1-Neuling Gabriel Bortoleto, der in diesem Jahr gemeinsam mit dem Rheinländer für das künftige Audi-Werksteam Sauber ins Lenkrad greift, zeigte sich scharfzüngig, als er am Donnerstag im Fahrerlager des Albert Park Circuits saß und sich zu einer Verbalattacke verhalten sollte. Geritten tags zuvor von Helmut Marko, dem ewig polternden Motorsportberater des Red-Bull-Rennstalls. Wie das?
In einer Fernsehsendung hatte Marko, er sollte alle fünf Grand-Prix-Debütanten des Jahres bewerten, Bortoleto als allenfalls zweitklassigen Piloten abgestempelt, ihn wörtlich einen „B-Fahrer“ genannt. Der 20 Jahre alte Brasilianer, sagte Marko dem Konzernsender Servus TV, verstehe sich vielleicht darauf, ins Ziel zu kommen und sich aus brenzligen Situationen herauszuhalten. Ihm fehle aber „der pure Speed“. Bortoleto, 2023 Meister der Formel 3, im Vorjahr Champion der Formel 2, bloß ein Nasenbohrer?
„Habe seine Piloten geschlagen“
„Ich habe gelesen, was er gesagt hat“, begann Bortoleto seine Replik. „Ich bin mir sicher, ich werde ihm bald das Gegenteil beweisen.“ Setzte nach: Marko habe etliche Talente in die Formel 1 gebracht, „aber er lag auch oft daneben“. Und noch einen drauf: „In der Formel 2 und 3 habe ich seine Red-Bull-Piloten jedenfalls geschlagen. Insofern: Alles gut für mich.“
Die erfrischende Widerrede des ersten brasilianischen Stammfahrers seit Felipe Massa deckte sich mit dem, was Bortoletos 17 Jahre älterer Arbeitskollege Nico Hülkenberg über den Jungspund aus Osasco bei São Paulo zu berichten wusste, der von der Berateragentur des zweimaligen Weltmeisters Fernando Alonso gemanagt wird. „Ich bin beeindruckt von Gabi“, sagte Hülkenberg, „er ist ein kluger, aufgeweckter Typ. Und er ist schnell. Es wird interessant mit ihm.“
„Schwierig zu fahren“
Hülkenberg, wie Bortoleto neu bei Sauber, muss sich derweil aus mehrerlei Gründen umstellen. Die Schalter und Regler am Steuer seines giftgrün-schwarz gehaltenen Dienstwagens sind gänzlich anders angeordnet als die Armaturen des Haas-Renners, den der Emmericher in den vergangenen beiden Jahren so erfolgreich gelenkt hatte. Außerdem suchte er sich nach acht Jahren einen neuen Personal Trainer. Vor allem aber wird sich Hülkenberg wohl daran gewöhnen müssen, vorerst am Ende des Feldes zu kreisen.
Kämpfte er 2024 regelmäßig um Punkte, sammelte im Saisonverlauf deren 41 und landete schließlich auf einem beachtlichen elften Rang der Meisterschaft, sah die Welt bei Sauber anders aus. Das Team, das im kommenden Jahr Audi heißen wird, und, so das erklärte Ziel, im Jahr 2030 um den WM-Titel kämpfen will, wendete durch ein einziges Punkteresultat im vorletzten Rennen zwar geradeso die Nullrunde ab, landete aber trotzdem abgeschlagen auf dem letzten Platz der Teamwertung.

Hört man Hülkenberg und Bortoleto vor dem Auftaktrennen an diesem Sonntag (5.00 Uhr MEZ im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky) zu, deutet wenig darauf hin, dass es den Sauber-Ingenieuren über den Winter gelungen ist, die lahme Ente in eine Rakete zu verwandeln. Die Branche wähnt das Team nach wie vor ganz hinten.
Ehe sie am Freitag in Melbourne ihre ersten Runden drehen, blickten beide Steuermänner noch einmal zurück auf die Versuchsfahrten in der Wüste von Bahrain vor zwei Wochen. „Das Auto“, sagte Hülkenberg, „war schwierig zu fahren.“ Es habe einige „Ungereimtheiten“ gegeben, das Fahrverhalten sei teils schwer vorhersehbar. Das kann ja heiter werden.
Alle Kraft dem ersten Audi
Hülkenberg paraphrasierte beinahe wortgleich, was die früheren Sauber-Piloten Valtteri Bottas und Zhou Guanyu im vergangenen Jahr wiederholt zu Protokoll gaben. Immer wieder klagten sie, ihr Rennwagen neige im Grenzbereich zu Kapriolen, sei weder verlässlich noch vertrauenswürdig.
Auch Bortoleto gestand ein, dass Sauber noch an der Balance des neuen Boliden, Typennummer C45, feilen müsse. „Hoffentlich wird es hier in Australien schon etwas besser laufen als bei den Testfahrten“, sagte er. Ans Limit und darüber hinaus habe er sich in Bahrain stellenweise schon gewagt, sagte Bortoleto und lachte: „Schließlich habe ich das Auto ja einige Male verloren.“
Im vergangenen Oktober verglich Audi-Projektleiter Mattia Binotto die Mission, aus Sauber-Audi ein Siegerteam zu formen, mit einer Everest-Expedition. Das war nicht übertrieben. Gewissermaßen als Sherpa wird in wenigen Wochen Jonathan Wheatley zum Team stoßen. Der Brite, den Audi von Red Bull weglotste, wird vom dritten Rennen des Jahres in Japan an den Teamchef geben und Binotto operativ entlasten, dem die Entwicklung der Rennwagen obliegt.
Es steht zu erwarten, dass Binotto das diesjährige Modell im Saisonverlauf nur begrenzt verbessern lässt. Eher früher als später, so konnte man Nico Hülkenberg in Melbourne verstehen, wird alle Kraft dem ersten Formel-1-Audi gelten, für den wegen der großen Regelreform keine Teile aus diesem Jahr wiederbenutzt werden können. Als Vorjahresverlierer steht Sauber immerhin von allen Teams die meiste Entwicklungszeit im Windkanal zu. Ein Vorteil für Audis Einstieg? „Es liegt an uns“, sagt Hülkenberg, „was wir daraus machen.“