
Robert Habeck hat am Montagabend in Frankfurt an den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz appelliert, für die Entscheidung, in der vergangenen Woche im Bundestag gleich zweimal gemeinsam mit der AFD über die Migrationspolitik abzustimmen, endlich Verantwortung zu nehmen. Es könne nicht sein, dass der Unions-Politiker die Schuld dafür nun Grünen und SPD zuweise und seine Entscheidung so umdeute, dass diese die Verantwortung zu tragen hätten, nur weil sie sich nicht hätten erpressen lassen wollen, sagte der Spitzenkandidat der Grünen und amtierende Wirtschaftsminister Habeck bei einer Wahlkampfveranstaltung vor mehr als 2500 Zuhörern in der Frankfurter Jahrhunderthalle.
Das sei „eine Verdrehung der Wirklichkeit, die wirklich nicht hinnehmbar ist“, sagte Habeck. „Als Vertreter der Konservativen steht man doch zu seinen eigenen Entscheidungen.“ Und wenn man einen Fehler gemacht habe, dann müsse man diesen doch auch selbst verantworten wollen. Denn „für eigene Entscheidungen trägt man die eigene Verantwortung“, sagte Habeck. Das habe Merz offenbar noch immer nicht gelernt.
Neue Heimat für Wähler der Mitte
Habeck wiederholte seinen Vorwurf, dass mehrfacher Wortbruch begangenen worden sei. Dabei habe man sich doch vor Wochen in die Hand versprochen, nur Gesetze und Anträge in den Bundestag einzubringen, die mit den Stimmen aus der demokratischen Mitte der Gesellschaft beschlossen werden könnten. Habeck bot die Grünen als neue Heimat für Wähler der Mitte an.
Natürlich sei es nicht einfach, sagte Habeck, Fehler selbst zu korrigieren. „Das ist schwierig, gerade auch für Politiker, aber es geht.“ Er erwarte, dass der CDU-Chef und Kanzlerkandidat die Kraft habe einzugestehen, dass sein Handeln nicht gut gewesen sei und er die Wirkung des gemeinsamen Abstimmens mit der AfD im Bundestag unterschätzt habe; dass ihm nicht klar gewesen sei, „was das mit Deutschland macht“. Er selbst werde eine Entschuldigung von Merz loben und nicht mit Hass und Häme reagieren. „Aber es muss jetzt auch bald passieren.“ Bisher habe Merz diese Chance nicht ergriffen.
Warnung vor Anbiederei
Für Habeck stellt sich grundsätzlich die Frage, wie die Parteien künftig mit dem Populismus umgehen sollten. Er warnte vor der Einschätzung, man könne den Populismus besiegen, indem man sich seiner Mittel bediene und sich anbiedere. „Aber schwarz ist nicht mit grau zu bekämpfen“, sagte Habeck. „Unsere Antwort als Grüne auf Schwarz ist es, bunt und vielfältig zu sein.“
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte in den vergangenen Tagen Empörung ausgelöst, weil er im Bundestag in Kauf genommen hatte, dass AfD-Stimmen ausschlaggebend für eine Mehrheit wurden. Ein Fünf-Punkte-Migrationsplan bekam am Mittwoch so eine Mehrheit – erstmals auch wegen AfD-Stimmen. Bei einer Abstimmung am Freitag scheiterte ein Gesetzentwurf der Union zur Begrenzung der Migration trotz der Zustimmung der AfD.