F.A.Z. verleiht Jugend-schreibt-Preise und Joseph-Preis

Mit den magischen Worten ‚Erzähl mir mal deine Geschichte‘ ist schon vieles erreicht. Denn jeder hat seine eigene Geschichte, die er oft als sinnvoll erlebt und mit anderen teilen möchte“, sagt Magnus Metzler. Der Schüler des Münchner Asam-Gymnasiums hat solche Geschichten aufgeschrieben, und das so überzeugend, dass er zu den drei Gewinnern im Projekt „Jugend schreibt“ gehört, die am Donnerstag einen Einzelpreis der FAZIT-Stiftung erhalten haben. Bei der Preisverleihung im Frankfurter F.A.Z.-Tower gab es aufgeregte Gesichter, anerkennende Worte, ansehnliche Preise und immer wieder Applaus. Ulrich Wilhelm würdigte als Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung und als gelernter Journalist das Engagement der jungen Leute und ihrer Lehrer. Er machte deutlich, wie ernst Stiftung, Redaktion und Verlag ihren Bildungsauftrag nehmen.

„Jugend schreibt“ geht nun ins 38. Jahr. Gerald Braunberger, als Herausgeber des Wirtschaftsressorts zuständig für die Jugendprojekte, lieferte Zahlen: 1440 Seiten mit Schülerbeiträgen sind bisher in der F.A.Z. erschienen, und rund 58.000 Schüler haben insgesamt mitgemacht. Vom klassischen Gymnasium bis zum Berufskolleg machen in jedem Jahr rund 100 Schulen mit, auch aus dem Ausland, diesmal unter anderem aus Sofia, Jerusalem, Shanghai und Kiew. In erster Linie geht es, das betonte Braunberger, ums Lesen. Darum, dass junge Menschen sich mit einer Qualitätszeitung auseinandersetzen, um sich umfassend und verlässlich zu informieren. Dies sei eine Herkulesaufgabe angesichts von Social Media, Fake News und einer immer mehr von Algorithmen beeinflussten Interessensteuerung. Lesen ist der wichtigste, aber unsichtbarste Teil des Projekts. Das gelte auch für das Partnerprojekt „Jugend und Wirtschaft“.

Viele Kurse lassen sich auf das Abenteuer ein, nicht nur des Lesens, sondern auch des Schreibens. Aus einer Fülle von Artikeln werden besonders lesenswerte Beiträge ausgesucht für die Seite „Jugend schreibt“, die jeden Montag erscheint. Nachzulesen sind die Schülerartikel auch auf FAZ.NET im Ressort Gesellschaft.

Ulrich Wilhelm, Vorsitzender des Kuratoriums der FAZIT-Stiftung, spricht bei der Preisverleihung.
Ulrich Wilhelm, Vorsitzender des Kuratoriums der FAZIT-Stiftung, spricht bei der Preisverleihung.Carlotta Steinkamp

Fröhlich und stolz auf die Bühne ging Sara Fiore von der Kantonsschule Trogen aus der Schweiz. Sie hat acht Reportagen vorgelegt. „Sie fliegt gern, nur nicht vom Platz“ lautet der Titel eines Artikels über eine Schweizerin, die an der University of Florida studiert, dort sehr erfolgreich Fußball spielt und einen Pilotenschein macht. Sara schreibt aber auch über die Jugendsprache, nicht nur für Eingeweihte, sie porträtiert einen Narkoleptiker, der immer wieder vom Schlaf übermannt wird. Und sie besuchte eine Panettone-Backstube. Weniger gute Gerüche schlugen ihr dann auf einem Recyclingbetrieb entgegen, wo sie sich die ewige Wiederkehr des immer Gleichen erklären ließ. Sara schwärmt vom Schreiben: „Sobald ich im Flow war, ging es auf meiner Tastatur ab wie auf einer Party. Natürlich waren auch zähe Interviewpartner dabei.“ Für eine Geschichte konnte sie sich ausnahmsweise „einer Unterrichtsstunde entziehen“ – das sei aber natürlich die Ausnahme gewesen. Um gewissenhaft zu berichten, hat sie die Gespräche aufgenommen: „Das Einzige, was mich etwas zurückhielt, noch mehr Artikel zu schreiben, war das Abhören, Abhören und Abhören der Interviews. Da ich gerne und viel rede und dementsprechend auch schreibe, war das viel Arbeit.“

Sara Fiore von der Kantonsschule Trogen aus der Schweiz legte acht Reportagen vor.
Sara Fiore von der Kantonsschule Trogen aus der Schweiz legte acht Reportagen vor.F.A.Z.

Ebenso viel Engagement hat Geschichtensammler Magnus Metzler vom Asam-Gymnasium an den Tag gelegt. Der Bayer hat mit professionell strukturierten Reportagen beeindruckt. So hat der Siebzehnjährige bei einem Münchner Wild-West-Verein vorbeigeschaut, dem ältesten Cowboy-Club Europas, und sich erklären lassen, warum von Amerika aus so eine Begeisterungswelle für diese exotische Welt über den Atlantik schwappte. „In Bayern tobt der Wilde Westen“ heißt sein Aufmacher. Einem Brauchtum, das traditionell zum Süden Deutschlands gehört, hat er sich in einem Beitrag über ein originelles Lederhosen-Geschäft gewidmet und dessen Inhaber als bayerisches Original vorgestellt. Schließlich hat Magnus über eine Initiative zur Integration geschrieben, den Verein „Buntkicktgut“, bei dem Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Nationen über Sport zusammenfinden. Magnus schildert in bester Sportreporter-Manier ein spannendes Spiel und wechselt geschickt die Seiten, indem er immer wieder aufschlussreiche Hintergrundinformationen hineinmontiert.

Der Leser fühlt sich als Zuschauer und ist nach dem Spiel ein bisschen schlauer. So soll es sein, nicht nur im Fußball. Magnus resümiert: „Dieses Projekt gab mir, da ich sonst eher zurückhaltend bin, den Anreiz, Dinge zu erkennen, die ich sonst übersehen hätte. Am Cowboy-Club München bin ich unzählige Male interessiert vorbeigeradelt, aber erst als ich den Rahmen der Reportage hatte, wurde dieser Ort für mich erreichbar. Ich hatte einen Schlüssel, um viele phantastische Türen zu öffnen.“

Der siebzehnjährige Geschichtensammler Magnus Metzler vom Asam-Gymnasium in München nutzte „In Bayern tobt der Wilde Westen“ als seinen Aufmacher.
Der siebzehnjährige Geschichtensammler Magnus Metzler vom Asam-Gymnasium in München nutzte „In Bayern tobt der Wilde Westen“ als seinen Aufmacher.F.A.Z. Datenmanagement

Ungemein produktiv war Nora Scharmann von der Deutschen Schule zu Porto. Sie hat neun Reportagen eingereicht, unter anderem über deutsch-portugiesische Ehepaare, die einige auch bürokratische Hürden zu meistern hatten. Sie berichtet farbenfroh von einer Orchideenmesse, erschienen unter der Schlagzeile „Sie bringen Blüten in Umlauf“, und sie schreibt über Granny-Aupair, eine Plattform, die Leihomas auf Zeit vermittelt. Nora thematisiert auch die deutschen Auslandsschulen und die dort entdeckten Tücken der Finanzierung sowie der deutschen Sprache. Sie betont: „Was mir am Projekt gefallen hat, war die große Selbständigkeit. Wir durften uns eigenständig Themen suchen. Mit der Zeit habe ich merkbar Fortschritte gemacht. Vor meinem ersten Interview war ich noch ziemlich nervös, während ich mich am Ende auf die Gespräche gefreut habe.“

Die produktive Schülerin Nora Scharmann aus Porto hat neun Reportagen eingereicht.
Die produktive Schülerin Nora Scharmann aus Porto hat neun Reportagen eingereicht.F.A.Z. Datenmanagement

Themen zu finden fiel ihr leicht. „Mein Problem war eher, nicht über alles, was mich interessiert hat, schreiben zu können. Man entdeckt eigentlich an allen Ecken faszinierende Themen.“ Alle drei Schüler wurden mit einem Einzelpreis ausgezeichnet, der jeweils mit 1000 Euro dotiert ist. Stolz darauf sind natürlich auch Lehrer, Helmut Rössler, der eigens aus Porto angereist war, und Markus Hirschl aus München. Das Projekt hat in all den Jahren gezeigt: Hinter großartigen Schülern stehen immer auch großartige Lehrer.

Die Kantonsschule Trogen erhielt den mit 3000 Euro dotierten Gruppenpreis.
Die Kantonsschule Trogen erhielt den mit 3000 Euro dotierten Gruppenpreis.F.A.Z. Datenmanagement

Strahlend im Publikum saß ebenfalls die Schweizer Projektlehrerin Brigitte Brünnle, die Sara unterrichtet. Die Pädagogin hatte gleich doppelt Grund zur Freude. Ihr Kurs von der Kantonsschule Trogen erhielt den mit 3000 Euro dotierten Gruppenpreis. Denn auch die Mitschüler von Sara haben beeindruckende Artikel geschrieben, ein Dutzend ist bisher erschienen. Darunter ausgefeilte Por­träts. Ein launiger Artikel handelt von einer Frau, die Schweine mochte und alle möglichen „Sauereien“ rund um die Tiere sammelte. „Die Frau hinterließ eine Schweinerei“ hieß der Beitrag. Christine Thürmer, die meistgewanderte Frau der Welt, steht im Mittelpunkt des Beitrags „Eigentlich ist sie eine Einzelgängerin“, und ein nachdenklich machender Aufmacher handelt von einem dunklen Kapitel der Schweiz, der Verdingung von Kindern. Er ist unter der Schlagzeile „Man muss die Dinge beim Namen nennen“ erschienen. Über manche Themen können sie im Übrigen authentischer als die Profis schreiben, weil sie näher dran sind. So stellt ein Aufmacher einen jungen Mann vor, der in einem falschen Körper steckte, das Thema Transgender-Menschen wird in dem Artikel „Theo verkörpert den Wandel“ einfühlsam beschrieben.

Weitere Artikel des Projekts der Kantonsschule Trogen, die Gruppenpreis gewonnen hat.
Weitere Artikel des Projekts der Kantonsschule Trogen, die Gruppenpreis gewonnen hat.F.A.Z. Datenmanagement

Zudem wurde zum ersten Mal von der FAZIT-Stiftung der insgesamt mit 1000 Euro dotierte Joseph-Preis verliehen. Überreicht wurde er von Geschäftsführer Simon Haug. So wird der Rolf-Joseph-Preis fortgeführt, der einst von einer Berliner Schülergruppe des Evangelischen Gymnasiums zum Grauen Kloster initiiert worden ist. Eine der ehemaligen Schülerinnen, Pia Sösemann, stellte die Geschichte des Preises vor, der an den Holocaustüberlebenden Rolf Joseph erinnert. Artikel, Dokumentationen, Collagen, kurzum Beiträge, die sich mit jüdischem Leben damals und heute auseinandersetzen, werden damit gewürdigt. Befragungen im Auftrag der Jewish Claims Conference haben ergeben, dass viele junge Menschen wenig über den Holocaust wissen oder ihn gar leugnen. In diesem Jahr ging der Hauptpreis an Schüler der Johann-Philipp-Palm-Schule in Schorndorf, die in einer sorgfältig recherchierten Dokumentation an die jüdische Kaufmannsfamilie Anspach in ihrem Heimatort erinnert (F.A.Z. vom 20. Januar). Lehrerin Ina-Kerstin Schulz und ihr Kollege Eberhard Abele haben den Schülern zur Seite gestanden und sie darüber hinaus zu Schülerguides ausgebildet, die interessierten Bürgern und Schulklassen die NS-Zeit in Schorndorf vor Augen führen.

Einen Einzelpreis erhielt Constança Hörster von der Deutschen Schule Porto, die über die Synagoge in Porto berichtet hat, erschienen ist der Beitrag „Also lassen sie das Licht an“ am 7. Oktober. F.A.Z.-Feuilletonredakteur Simon Strauß aus der Joseph-Gruppe hielt die Laudatio. Bei einem Kamingespräch am Abend im Tower gab es Gelegenheit für einen intensiven Austausch. Nach dem Projekt ist vor dem Projekt: Im Anschluss an die Preisverleihung werden die neuen Projektlehrer auf das kommende Jahr vorbereitet. In bewährter Zusammenarbeit mit dem medienpädagogischen IZOP-Institut werden sie ins journalistische Handwerk eingeführt und erhalten Tipps, wie die Schüler das E-Paper für den Unterricht nutzen können, das sie ein Jahr lang kostenlos erhalten.