
Wer heute auf die zweite Liga schaut, der schaut auf eine bessere Fußball-Welt. Zumindest kann das so sehen, wer sich selbst zu den Fußball-Romantikern zählt. Statt Werksklubs und Marketingmannschaften gibt es in Liga zwei große Traditionsvereine zuhauf, statt Seriensiegern und zementierten Verhältnissen einen offenen Wettbewerb.
Die zweite Liga bricht damit Rekorde: 322.145 Stadionbesucher am 19. Spieltag, 30.377 pro Spiel im ligaweiten Saisondurchschnitt. Von den Top-Ten der zuschauerstärksten Vereine Deutschlands spielen fünf in Liga zwei.
Schließlich ist es dort spannend wie nie zuvor. Zwischen Platz drei und neun liegen sechs Spieltage vor Saisonende gerade einmal fünf Punkte. Elf von 18 Teams standen im Saisonverlauf schon mal auf einem Aufstiegsplatz, sieben waren Tabellenführer. Zufall ist all das nicht. Vielmehr zeigt es, dass der Wettbewerb ausgeglichener wird, wenn die Unterschiede bei den wirtschaftlichen Voraussetzungen kleiner sind.
Ein Teil der Fußball-Zukunft
Während in der Bundesliga der Etat von Teams wie Bayern, Dortmund und Leipzig acht- bis neunmal so hoch ist wie der einiger Konkurrenten, ist es in Liga zwei maximal das Vier- bis Fünffache. Und beim TV-Geld ist es zwar so, dass in der zweiten Liga wie in der Bundesliga der Verein an der Spitze der Verteilungstabelle knapp dreimal mehr Geld erhält als die Vereine am unteren Ende.
Doch ist es eben ein Unterschied, ob zwischen den beiden Extremen rund 17 Millionen, wie in Liga zwei, oder rund 70 Millionen, wie in Liga eins, liegen – und da sind die Einnahmen der Topklubs aus der Champions League noch nicht einmal miteingerechnet.
Wer heute auf die zweite Liga schaut, der sieht dort außerdem einen Teil der Fußball-Zukunft. Die Zeiten, in denen die Vereine vorwiegend auf erprobte Zweitliga-Haudegen setzten und Willi Landgraf zu sagenhaften 508 Einsätzen kam, sind vorbei. Drei eingesetzte Spieler waren in dieser Saison 16, drei 17 und 14 waren 18 Jahre alt. Zwölf von 18 Vereinen setzen auf einen Kader, in dem die Spieler im Schnitt 26 Jahre oder jünger sind – in der Bundesliga sind es gerade einmal sechs.
Diese Strategie bringt zwar auch Leistungsschwankungen mit sich, kann aber lukrativ sein: Der 1. FC Nürnberg verkauft den 19 Jahre alten Griechen Stefanos Tzimas nach der Saison für rund 25 Millionen Euro in die Premier League. Finn Jeltsch, 18 Jahre alt, Innenverteidiger, wechselte für acht Millionen Euro von Nürnberg nach Stuttgart. Der HSV hat im Winter einen 17 Jahre alten Norweger und einen 19 Jahre alten Franzosen für zusammen rund fünf Millionen Euro verpflichtet. Es könnte sich lohnen.
Wer in diesen Tagen auf die Bundesliga schaut, der sieht oft die gleiche Spielidee: tiefe Abwehrreihen, fünf Verteidiger, zwei, drei schnelle Stürmer, direkte Pässe in die Spitze nach Ballgewinn. Nicht nur Abstiegskandidaten spielen so. In der zweiten Liga wird zwar auch gekratzt, gebissen, gekontert. Aber es gibt eben auch Schöngeister und Tüftler, die die Liga als Versuchslabor nutzen. Der Erfolg gibt ihnen dabei recht.
In Magdeburg lässt Christian Titz seine Mannschaft den Ball so lange hin und her passen, bis die Gegner nur noch Xavi und Andrés Iniesta sehen, nicht mehr Barış Atik und Silas Gnaka. Der 1. FC Nürnberg baut unter Miroslav Klose sein Spiel so präzise und geplant auf, wie man es aus der Bundesliga nur von Spitzenteams kennt. Und der HSV lief bisher trendbewusst in einem 4-3-3-System auf, bekommt nun aber mit Robert Glatzel einen zweiten Funkturm für den Sturm zurück. Die zweite Liga ist zu einer spannenden Spielwiese des deutschen Fußballs geworden. Aufsteigen würden die meisten aber trotzdem allzu gerne.