
Für sie: Schöne Scheune
Das Barn Jacket spielt jetzt seit genau zwei Jahren eine große modische Rolle. Alles begann mit einer kurzen Version in A-Linie von Loewe, die eine besonders schicke Version der guten alten gewachsten Barbour-Jacke sein sollte. Es folgten Oversize-Versionen von Prada, woraufhin ja immer allerlei Kopien von allen Marken folgen, egal wie billig oder teuer. Die Übersetzung – Scheunenjacke – deutet natürlich darauf hin, dass das so nicht geplant war. Wieso tragen diese Jacke jetzt alle, die den ganzen Tag vorm Computer sitzen und mit ihren Jobs die Welt verkomplizieren und nie eine Scheune von innen sehen? Eine schlichte Jacke aus Baumwolle, mit verstärktem Kragen und zwei prominenten Taschen, um die Hände freizuhaben, braucht man ja wirklich eher, wenn man einen richtigen Job hat. Ausmisten. Saat ausfahren. Solche Sachen. Man könnte also sagen, dass sich in dieser Jacke die Sehnsucht nach Einfachheit und Klarheit widerspiegelt in einer Welt, in der niemand mehr irgendwas checkt.

Aber so einfach ist es nicht, weil diese Jacken ja gar nicht so schlicht und simpel sind, wie sie von Weitem aussehen. Auch dieses neue Modell von Cos ist in Wahrheit eher raffiniert, weil es mit seinem Kordelzug plötzlich Bewegung in die gerade Arbeitsjacke bringt. Es heißt deswegen auch gar nicht mehr Scheunenjacke, sondern Field Jacket, ginge also in einer Schlacht genauso wie auf Safari und ist deswegen der beste Beweis, dass dieser Trend rein gar nichts mit irgendwelchen Vereinfachungsfantasien zu tun hat. Eher mit dem Gegenteil.
Für ihn: Für Wachsfiguren
Neulich war zu lesen, dass ein Mann in den Taschen seiner Übergangsjacke einen Lottoschein gefunden hat, der 15 Millionen Euro wert war. Die Firma Barbour in South Shields hat mit Übergangsjacken in den vergangenen hundert Jahren noch deutlich mehr Millionen gemacht und erlebt in letzter Zeit wieder besonders wohlwollende Beachtung durch die Modewelt. Diesen Herbst drückt sich das durch viele Barbour-ähnliche Jacken bei anderen Herstellern aus. Von Uniqlo bis Fay – Kordkragen, olive Farbtöne, gewachste Baumwolle, Tartanfutter und große Aufsatztaschen sind überall zu haben.

Schon beinahe dreist ist in diesem Zusammenhang dieses neue Modell von Selected Homme, einem dänischen Zeitgeist-Label. Die Wachsjacke wirkt auf den ersten Blick, als hätte die KI ein Best-of-Barbour entworfen. Sieht das schlecht aus? Auf keinen Fall. Sollte man für 200 Euro so ein Konstrukt kaufen, wenn man für etwa 150 Euro mehr einen original Barbour-Klassiker „Made in England“ bekommt? Eine moralische Frage, die auch für andere Lookalikes von Designklassikern gilt: Funktioniert das begehrte Prinzip auch, wenn es nur so tut als ob? Und nur beinahe das Richtige ist? Die Antwort ist: Nach außen funktioniert es natürlich, kaum ein Betrachter wird sagen können, ob diese Jacke nicht eines von den zig Saisonmodellen ist, mit denen Barbour sein Sortiment heute verwässert. Nach innen aber weiß der Besitzer, dass er damit nur im Windschatten eines Jahrhunderttrends fährt und ein bisschen schummelt. Auf Dauer macht das weniger Freude. Aber ist ja auch nur eine Übergangsjacke.