
Die graue, händellose Zeit an Münchens Opernhäusern geht zu Ende. Das Gärtnerplatztheater bringt mit „Alcina“ eine der bekanntesten Opern des Komponisten heraus. Sie handelt von einer Zauberin, die ihre Widersacher und Ex-Freunde wahlweise in Steine, Bäume oder Tiere verwandelt. Mithilfe seiner Geliebten Bradamante, die ihm nachgereist ist, befreit Ruggiero nicht nur sich selbst, sondern auch alle auf der Insel verzauberten Menschen. Die musikalische Leitung der Aufführung hat Rubén Dubrovsky, Magdalena Fuchsberger inszeniert gemeinsam mit dem Choreografen Karl Alfred Schreiner.
AZ: Frau Fuchsberger, wir sind eben auf dem Gang an einem Ständer mit sehr vielen Haaren vorbeigekommen, der zu dieser Produktion gehört. Was hat es damit auf sich?
MAGDALENA FUCHSBERGER: Das war Teil eines Kostüms, das aber in der fertigen Aufführung ganz anders aussehen wird. Und das nur in einem bestimmten Moment auftauchen wird und daher nicht repräsentativ für die Inszenierung ist.

© Marie-Laure Briane
von Marie-Laure Briane
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Barockopern haben eine ziemlich verwirrende Handlung. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es in „Alcina“ geht?
FUCHSBERGER: Schwierig. Die Handlung ist für unsere Inszenierung nicht entscheidend. Der Spruch „Too hot to Händel“, mit dem das Gärtnerplatztheater für die Aufführung wirbt, trifft es gut: Jeder ist heiß auf jeden und ist aus voller Überzeugung heraus bereit zum Partnertausch. „Alcina“ bringt ein Beziehungskaleidoskop auf die Bühne, das in seiner Groteske und Surrealität, aber auch im Rausch und der Lüge für heutige Zuschauer aufregend ist.

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Wer ist denn diese Alcina?
FUCHSBERGER: Eine unsterbliche Frau, eine Göttin, ein weiblicher Dionysos. Wir alle haben einen Alcina-Zustand in uns: einen Wunsch nach Entgrenzung und Enthemmung. Das kann sich bis zur Obsession steigern. Leid und Zerstörung wecken dann wieder den Wunsch nach Beschaulichkeit und Ordnung. Zwischen diesen beiden Polen spielt diese Oper.
In französischen Opern des 17. und 18. Jahrhunderts ist Tanz ein selbstverständlicher Bestandteil. Aber auch in Werken italienischen Typs gab es Ballett – allerdings zwischen den Akten. Bei „Alcina“ spielt der Tanz ausnahmsweise auch in der Oper mit, und Händel hat dafür auch Musik komponiert.
KARL ALFRED SCHREINER: Was damals getanzt wurde, lässt sich nur aus Beschreibungen erschließen. Aber man hat offenbar versucht, durch die Truppe von Marie Sallé einen aufsehenerregenden choreografischen Kontrapunkt zu setzen. Die Tänzerin scheint als Cupido aufgetreten zu sein – also in einer männlichen Rolle. Und sie soll kein Mieder getragen haben, was Anstoß erregte.
„Keine vertanzten Emotionen“
Sie werden das aber kaum rekonstruieren wollen.
SCHREINER: Es war von Anfang an klar, dass wir Tanz zum integralen Bestandteil der Inszenierung machen. Das Ballett sollte auch keine abgegrenzte Einlage sein.
FUCHSBERGER: Im besten Fall soll man gar nicht wissen, wo die Inszenierung aufhört und die Choreografie anfängt – und umgekehrt. Und es sollte auch nicht um vertanzte Emotionen gehen. Ich verlange auch von den Sängerinnen und Sängern höchsten körperlichen Einsatz.

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Welche Funktion hat Tanz in Ihrer Inszenierung?
SCHREINER: Die Oper besteht aus einer Folge von Arien. Sie drücken persönliche Blickpunkte der Figuren aus. Das erlaubt es mir, mit Tanz ebenfalls einen sehr persönlichen Standpunkt einzunehmen, der mehr ist als eine Illustration der Emotionen der Figuren und eine weitere, zweite Ebene öffnet. Das kann eine Landschaft sein, oder ein Gebäude. Oder jemand, der Objekt des Zorns in einer Rachearie ist. Oder dass plötzlich ein Lustgarten entsteht. Daher würde ich sagen: Ich habe mit Figuren eher architektonisch gearbeitet.

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Verstehe ich das richtig? Sie haben den Sängerinnen und Sängern also keine tanzenden Doppelgänger hinzugefügt?
SCHREINER: Das fände ich gefährlich. Wir wollten auch – bis auf wenige Ausnahmen – keine Psychologie illustrieren. Im Übrigen meine ich, dass Alcinas Zauberinsel kein realer Ort ist, sondern sich als geistiger und körperlicher Extremzustand eher im Kopf der Figuren ereignet.
Haben Sie schon einmal zusammengearbeitet?
FUCHSBERGER: Ich war vor Jahren in Klagenfurt Regieassistentin bei Emmy Werners Inszenierung von Millöckers „Der Bettelstudent“, an dem auch Karl choreografisch mitgearbeitet hat. Der Kontakt ist danach nie wirklich abgerissen. Aber „Alcina“ ist unsere erste Zusammenarbeit.

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Haben Sie einen tänzerischen Hintergrund, Frau Fuchsberger?
FUCHSBERGER: Nein. Aber ich finde spartenübergreifendes Arbeiten interessant und hatte schon oft Tänzerinnen und Tänzer in meinen Inszenierungen. Ich habe größten Respekt vor ihren körperlichen Leistungen und ihrer Disziplin.
Unterscheidet sich die Probenarbeit in der Oper nicht fundamental von der beim Tanz?
SCHREINER: Beim Tanz entsteht viel mehr bei den Proben. Es geht darum, erst einmal ein Schrittmaterial zu finden. Zugleich können wir dafür eine Sängerin die Arie nicht zehnmal wiederholen lassen. Trotzdem hat sich die Arbeit gegenseitig befruchtet. Magdalena hat auch mit den Tänzerinnen und Tänzern gearbeitet, und ich mit den Sängern und Sängerinnen.
FUCHSBERGER: Wir haben uns vorab auf die Ausstattung und bestimmte Bühnensituationen geeinigt. Karl hat im Ballettsaal gearbeitet und ich mit den Sängern auf der Probebühne. Dann trifft man sich und baut alles zusammen.
Es ist zwar üblich, dass Ruggiero mit einer Mezzosopranistin besetzt wird, trotzdem könnte das Münchner Publikum in Erinnerung an die Zeit von Peter Jonas bei Händel einen Countertenor erwarten.
FUCHSBERGER: Barock war schon immer queer. Die Frage nach dem Geschlecht stellt sich bei den Figuren nicht mehr. Alles, was auf der Zauberinsel behauptet wird, ist wahr. Das gilt auch für die Geschlechterrollen.
Premiere am 31. Januar, 19.30 Uhr, ausverkauft. Auch am 2., 6., 8., 14. und 16. Februar sowie im April. Karten unter gaertnerplatztheater.de
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