
DIE ZEIT: Herr Horwath, Ihr neuer dokumentarischer Film Henry Fonda for President ist der Versuch, die bekanntesten Filmrollen der Schauspiellegende mit der US-Politik und den gesellschaftlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts zusammenzudenken. Wie kam es dazu?
Alexander Horwath: Als Direktor des Österreichischen Filmmuseums habe ich 2017 eine Retrospektive mit dem Titel Henry Fonda for President kuratiert, einen Querschnitt durch sein Schaffen – auch seine Filme mit dem Regisseur John Ford waren zu sehen. Das sind geradezu Archetypen aus der amerikanischen Geschichte: von Young Mr. Lincoln bis zu Früchte des Zorns, wo es um Migrantenschicksale während der Großen Depression in den 1930er-Jahren geht.
ZEIT: Wollten Sie schon damals, als Sie sich um die Retrospektive kümmerten, selbst einen Film dazu machen?
Horwath: Nein, dazu hat mich die deutsche Produzentin Irene Höfer überredet – ich selbst sah mich gar nicht als Regisseur. Nachdem aber die Entscheidung gefallen war, ging es sehr schnell, und das Projekt wuchs und wuchs. Unser dreiköpfiges Team bereiste mehrmals die USA, um Orte zu besuchen, die in Fondas Leben eine Rolle gespielt haben oder Schauplätze seiner Filme waren.
ZEIT: Das Werk hat eine recht komplizierte Form, es erzählt die Geschichte auch gar nicht chronologisch.
Horwath: Es ist eine Montage aus Filmausschnitten und selbst gedrehten Szenen. Eine Überblendung von Geschichte und Gegenwart und eine Expedition in die entlegenen Regionen des heutigen MAGA-Landes, um zu sehen, was die Leute dort umtreibt.
ZEIT: Der Austausch zwischen der Traumfabrik Hollywood und den Fabrikträumen des Kapitalismus in den USA und der dranhängenden Politik ist seit mehr als 100 Jahren sehr intensiv.
Horwath: Ja, und Momente wie der, als Marilyn Monroe John F. Kennedy mit Happy Birthday, Mr. President anschmachtete, sind längst Teil der politischen Ikonografie geworden. Überhaupt wurde die gesamte Präsidentschaft Kennedys mit Begriffen aus der damaligen Populärkultur beschrieben.
ZEIT: Donald Trump wirkt, selbst im Vergleich zu dem B-Movie-Darsteller Ronald Reagan, nur noch wie eine Karikatur davon.
Horwath: Er ist eine Medienerscheinung, aber natürlich keine Kinofigur. Trump entstammt ganz und gar dem Reality-TV. Man kann an seinem Erfolg vor allem ablesen, welchen Bedeutungswandel die unterschiedlichen Medienformate durchlaufen haben.
ZEIT: Was ist da passiert?
Horwath: Das Kino ist nicht mehr so zentral wie im 20. Jahrhundert. Es ist deshalb kein Zufall, dass mit Trump jemand reüssieren kann, der Fernsehauftritte bei der US-amerikanischen Wrestling-Organisation WWE hatte und eben mit seiner Show The Apprentice Quotenrekorde erzielte.
ZEIT: In der europäischen Politik haben Aussehen, Glamour und Showmanship lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle gespielt. In Österreich sagte noch in den 1980er-Jahren der nicht sonderlich telegene Fred Sinowatz, es sei ein Privileg, dass einer, der aussehe wie er, Minister und Kanzler werden dürfe. Das hat sich mittlerweile aber geändert, oder?
Horwath: Absolut. Dass jemand wie der frühere SPÖ-Kanzler Christian Kern sich als eine Mischung aus Man in Black und James Bond inszenierte und Sebastian Kurz als Mamas liebster Schwiegersohn im Geilomobil herumfuhr, hat vielleicht noch ein wenig mit den Bildwelten des Kinos zu tun – mehr aber mit den sogenannten Beauty-Concepts, die in den sozialen Medien angeboten werden und über die sich die Wähler austauschen.
ZEIT: Wie passt da FPÖ-Chef Herbert Kickl dazu?
Horwath: Das ist ein interessanter Fall. Die Erfolgsgeschichte der FPÖ in den vergangenen 30, 40 Jahren verknüpft sich mit drei Politikertypen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Jörg Haider, der jugendliche Draufgänger, Heinz-Christian Strache, der leicht dekadente Lebemann, und Herbert Kickl, der unauffällige, man könnte sogar sagen: farblose Streber. Es geht also nie nur um das Erscheinungsbild. Erst wenn das Äußerliche sich mit einer schlagenden Rhetorik und politischen Phantasmen verbindet, stellt sich das Begehrenswerte und somit das Wählenswerte ein. Es ist wie beim Lego.