Zum Tod von Uwe Kockisch: Ein Meister der stillen Präsenz

Will man sich vorstellen, was schauspielerische Präsenz ausmacht, die ohne viele Worte und große Gesten auskommt, muss man sich Uwe Kockisch vor Augen rufen. Er füllte den Raum und das Bild, sobald er die Szene betrat. Sein Wissen um das Leben und das Wesen der Menschen teilte sich allein schon durch seinen Habitus mit. Da genügte ein Blick.

Mit diesem spielte er auf dem Theater und im Fernsehen zahllose Rollen, insbesondere solche, in denen sich die deutsche Nachkriegsgeschichte spiegelte, die seine eigene war. Am 31. Januar 1944 in Cottbus geboren, unternahm er 1961 als Jugendlicher mit Freunden einen Fluchtversuch aus der DDR. Er wurde geschnappt, kam für ein Jahr ins Gefängnis. Nach der Haft verdingte sich der gelernte Tagebaumaschinist am Theater in Cottbus als Bühnenarbeiter und Statist. Er ging an die Schauspielhochschule Ernst Busch und spielte am Theater in Cottbus, in Chemnitz und schließlich am Maxim-Gorki-Theater in Ost-Berlin.

Den meisten Zuschauern dürfte er durch die Rollen bekannt sein, die er nach der Wende im Fernsehen spielte. Da gab er von 2010 bis 2018 etwa den melancholischen, um das Ende der SED-Herrschaft wissenden Stasi-General Hans Kupfer in der Serie „Weissensee“ und – von 2003 bis 2019 – den von Donna Leon erfundenen Commissario Guido Brunetti in Venedig; ein weiterer Melancholiker, den Kockisch, wie es in der F.A.Z. hieß, feinfühlig zeichnete.

Er beeindruckte sogar die Venezianer

Mit dieser Kunstfigur vermochte Kockisch, wie man bei Dreharbeiten erleben konnte, sogar die Einheimischen zu beeindrucken. Sie behandelten ihn wie einen Eingeweihten, er lebte in Venedig und bezahlte beim Einkaufen sogar dieselben Preise wie die von Touristen überwältigten Venezianer. Die Stadt wurde ihm, wie er sagte, zum Partner, der die Depression, Melancholie und Schwere des Commissario teile. Hier, sagte Kockisch, umgebe einen die „süßliche Empfindung der Vergänglichkeit auf Schritt und Tritt“.

Für seine Schauspielkunst wurde er mehrfach ausgezeichnet. Für seine Rolle in Dominik Grafs Film „Eine Stadt wird erpresst“ erhielt er den Grimme-Preis, mit dem Ensemble von „Weissensee“ den Deutschen Fernsehpreis, 2020 verlieh ihm Volker Bouffier den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten beim Hessischen Filmpreis. Im dreißigsten Jahr der deutschen Einheit schien es Bouffier besonders geraten, jemanden auszuzeichnen, der „die Brutalität des DDR-Systems am eigenen Leib erfahren“ hatte.

Ausformulieren musste Uwe Kockisch seine Lebenserfahrung nicht, in seinem Spiel teilte sie sich mit. Am 22. Dezember ist er im Alter von 81 Jahren in Madrid gestorben.