Zum Tod von Jorge Costa: Das Viech mit den Eisaugen – Sport

Vor ein paar Jahren wurde der portugiesische Trainer José Mourinho in einem Interview zu „Leadern“ und „Kapitänen“ gefragt. Mourinho landete bei seinem Gedankengang nicht nur bei John Terry (FC Chelsea) und Javier Zanetti (Inter Mailand), sondern vor allem bei Jorge Costa, der ihm einst beim FC Porto zu Diensten gewesen war. Der sei ein exemplarischer Kapitän gewesen, und er illustrierte es mit der Anekdote von einem Spiel Portos bei Belenenses.

Porto hatte zur Halbzeit zurückgelegen und lausig gespielt. „Geben Sie mir zwei Minuten“, habe Jorge Costa gesagt und Mourinho vor der Tür warten lassen. Jorge Costa machte die Mannschaft rund und erst danach die Tür wieder auf. „Jetzt, Trainer, coachen Sie uns“, seien seine Worte gewesen. „Er hatte die Drecksarbeit für mich erledigt“, sagte Mourinho: „Er war nicht bloß ein Kapitän. Sondern ein echter Leader.“

Der Interviewausschnitt wurde zu einem Evergreen unter den viralen Videos, am Dienstagabend aber wurde er wieder aktueller denn je. Kurz nach einem banalen Interview für einen portugiesischen TV-Sender sackte Jorge Costa zusammen und erlag den Folgen eines Herzinfarkts. Die Bestürzung darüber war nicht nur in Portugal groß, Costa wurde keine 54 Jahre alt. Mourinho, derzeit Trainer bei Fenerbahce in Istanbul, saß am Dienstagabend bei einer Pressekonferenz und konnte nur noch stammeln: „Ein Teil meiner Geschichte ist gegangen“, schluchzte er.

Es ging auch ein Teil der portugiesischen Geschichte. Jorge Costa war 1991 Abwehrchef der Nachwuchs-Nationalmannschaft gewesen, die U20-Weltmeister wurde; Luís Figo war nur das berühmteste aller Kadermitglieder, die als „Goldene Generation“ so große Hoffnungen weckten. Trotz solcher Lorbeeren hatte Jorge Costa es schwer, bei seinem Herzensklub FC Porto Fuß zu fassen, erst nach Leihen an den FC Penafiel und zu Marítimo Funchal wurde er zur etablierten Größe bei den „Dragões“. In der Saison musste er aber 2001/2002 ins britische Exil; wegen eines Streits mit dem damaligen Porto-Trainer Octávio Machado ging er zu Charlton Athletic. Er genoss die Zeit in einer Liga, in der man harte Verteidiger schätzt, die daheim aus Gründen „Bicho“ genannt werden („das Viech“) – und kehrte Mitte 2002 doch nach Porto zurück. Denn Mourinho hatte Machado ersetzt – und Jorge Costa, den Leader mit den eisblauen Augen, gerufen.

Es folgten zwei der erfolgreichsten Spielzeiten in der Geschichte des Klubs: Porto gewann zwei Meisterschaften, einen Pokal, einen Supercup, vor allem aber den Uefa-Pokal (2003) und in Gelsenkirchen die Champions League (2004). Mit Jorge Costa als Kapitän. Dem Ende seiner mit mehr als 20 Titeln geschmückten Karriere – er ließ sie in Belgien bei Standard Lüttich ausklingen – folgte der Versuch, als Trainer zu reüssieren. Doch das war von vielen Stationen und mäßigem Erfolg geprägt. Vor einem halben Jahr schien sich alles wieder zu wenden beim FC Porto. Präsident André Villas-Boas holte Jorge Costa als Sportdirektor zum Klub. Wer ihn in dieser Rolle erlebte, traf auf einen demütigen, großzügigen Menschen. Auf einen, anders gesagt, herzensguten Menschen. Nur: Das Herz, es war nicht gut.

In Portugal wusste man darum seit 2022, als Jorge Costa ein Stent eingesetzt wurde. Der Dienstag verursachte dennoch einen Schock, weit über Porto hinaus. „Ich weiß, was er sagen würde“, sagte Mourinho: „Míster, hör auf zu weinen, morgen hast du ein Spiel, denn deine Jungs verlangen von dir, bereit und stark zu sein, um zu gewinnen. Ich verspreche dir, bicho, das werde ich sein. Und danach werde ich weinen“, sagte Mourinho.