
Der Uhrenhersteller Sternglas muss sein Geschäft in den Vereinigten Staaten angesichts der Zölle neu justieren. Das bedeutet für das noch junge Unternehmen einen erheblichen Aufwand – doch der Verlust des US-Marktes wäre noch gravierender.
Wie man ein Unternehmen von null an aufbaut, wie man sein Produkt weltweit vermarkten kann, das hat Dustin Fontaine, 36, in den vergangenen neun Jahren gelernt. Doch der Gründer und Geschäftsführer des Hamburger Uhrenherstellers Sternglas kann nicht sicher sein, welche Regeln demnächst an seinem wichtigsten Auslandsmarkt gelten werden. Denn US-Präsident Donald Trump verändert Zölle am liebsten von jetzt auf gleich.
Vom 28. August an gelten neue Zollsätze von mindestens 15 Prozent für die Einfuhr auf eine Vielzahl von Waren in die USA. Das haben die Europäische Union und die Vereinigten Staaten ausgehandelt, auf Druck der Regierung Trump. Für Sternglas hat das gravierende Folgen. Der US-Markt – und hier vor allem der Onlinehandel – trägt rund ein Viertel zum gesamten Umsatz des Hamburger Unternehmens bei. Diesen Markt müssen Fontaine und sein Team retten, wenn sie die Existenz des Unternehmens nicht aufs Spiel setzen wollen.
Der Zollsatz von 15 Prozent auf die Sternglas-Uhren ist dabei wohl noch das kleinste Problem für das Unternehmen. „Mit dem Beginn der neuen Zollregeln zum 28. August schalten wir unseren Onlinehandel in den USA zunächst ab“, sagt Fontaine. „Die Wert-Grenze für die Einfuhren in die USA liegt bislang bei 800 Dollar. Unterhalb dieses Warenwertes können wir die Zollformalitäten und auch die Kosten für den Zoll bislang mit geringem bürokratischem Aufwand übernehmen. Vom 28. August an wird die Wertgrenze aber auf null gesenkt – dann muss ein Kunde in den USA, der eine unserer Uhren bestellt, umfangreiche Zollformalitäten erbringen.“
Fontaine sitzt in einem kleinen Konferenzraum im Coworking-Gebäude von WeWork an der Gerhofstraße in der Hamburger Innenstadt. Sternglas minimiert die Fixkosten, auch bei den Geschäftsräumen, damit sich das Unternehmen entwickeln kann. Die Laufwerke für die Uhren stammen überwiegend aus Japan, montiert werden die Zeitmesser in China, die Armbänder kommen teils aus deutscher Fertigung. Die Konfektionierung und den Versand der Uhren verantwortet ein Logistiker in Nordrhein-Westfalen. Repariert werden die Sternglas-Uhren bei einem Vertragsunternehmen in Frankfurt.
„Bauhaus-Uhren“ nennt Fontaine die Kollektion der von ihm entworfenen Zeitmesser mit ihrem klaren Design und den hochwertigen Materialien. In einer Preisspanne von einigen Hundert Euro sind sie auch für Normalverdiener bezahlbar. Derzeit 18 Frauen und Männer hat das Team von Sternglas, das Unternehmen verkauft jährlich mehr als 25.000 Uhren in etwa 80 Ländern, überwiegend im Onlinehandel. Aber auch bei Juwelieren findet man zum Beispiel in Deutschland die Kollektion, ebenso an Bord bei Lufthansa oder Condor.
Seit Wochen arbeitet das Team an einer Reaktion auf die neuen Importhemmnisse in den USA. „Wir bereiten die Gründung eines Tochterunternehmens in den USA vor. Unser Ziel ist es, an jedem Werktag gesammelte Bestellungen in die USA zu senden, zum Beispiel 50 Uhren zugleich, und die Zollformalitäten damit zu bündeln“, sagt Fontaine. „Unser Tochterunternehmen sorgt dann in den USA für den Versand zum Endkunden. Allerdings bedeutet das auch, dass wir uns steuerlich in den USA neu aufstellen müssen. Und das ist durchaus mindestens so kompliziert wie in Deutschland.“
Mithilfe von Schnellkurieren wie etwa DHL Express versendet Sternglas bislang eine im Onlineshop bestellte Uhr von Deutschland in die USA innerhalb von drei Tagen bis zum Kunden. Mit dem Umweg über eine künftige US-Niederlassung wird es einige Tage länger dauern. Um die Belastung mit Zollformalitäten möglichst gering zu halten, sucht Sternglas in den Vereinigten Staaten auch ein Partnerunternehmen für Reparaturen. „Wir haben in den USA eine Datei mit etwa 30.000 bis 50.000 Kunden“, sagt Fontaine. „Die werden wir anschreiben, sobald wir wissen, wann wir den Onlineversand wieder aufnehmen können.“
Wie sehr Zölle das Geschäft behindern können, wusste das Team von Sternglas allerdings schon, bevor Trump bei diesem Thema die Konfrontation mit aller Welt suchte. Auf die Erschließung des indischen Marktes verzichteten die Hamburger wegen der Zölle bislang völlig: „Indien ist ein riesiger Markt, aber wir sind dort nicht aktiv, weil die Zollregeln zu kompliziert und für uns zu intransparent sind“, sagt Fontaine. „Das bedeutet zum Beispiel: Es wäre unwirtschaftlich, Uhren aus Indien für eine Reparatur nach Deutschland und wieder zurückzusenden. Der Zoll bei der Wiedereinfuhr wäre schwer kalkulierbar und im Zweifel zu hoch.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Über den norddeutschen Außenhandel berichtet er seit vielen Jahren.