Zölle führten in die Katastrophe: Donald Trump schickt die Welt zurück in die 30er Jahre

Der „Liberation Day“ ist eine historische Zäsur: Der US-Präsident beerdigt nichts weniger als den freien Welthandel, der als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg entstand. Trump hat offenbar nichts aus der Geschichte gelernt: Das hat die Welt schon einmal in die Katastrophe geführt.

Die Reaktion auf den Auftakt des Handelskriegs kommt prompt. Kurz nachdem der republikanische US-Präsident die historische Erhöhung der Zölle in Kraft gesetzt hat, empört sich ein Abgeordneter der oppositionellen Demokraten im Kongress: „Wir können es uns nicht leisten, unseren Außenhandel zu zerstören, um amerikanischen Herstellern zu erlauben, die Taschen der Verbraucher zu plündern.“ Die Börsen brechen dramatisch ein, die Exporte fallen auf den niedrigsten Stand seit Jahren. Der Zollhammer verteuere „praktisch alles, was ein Mensch im Alltag benutzt, von den Windeln für sein Baby bis zum Grabstein“ für seine Angehörigen, wettert der Oppositionsabgeordnete. Wie die „überlasteten Massen“ angesichts explodierender Lebenshaltungskosten diese zusätzlichen Lasten noch schultern könnten, wisse er nicht.

Der Präsident, um den es geht, ist nicht Donald Trump, sondern Herbert Hoover. Es ist nicht das Jahr 2025, sondern 1930. Diese Worte könnten fast genauso in dieser Woche im US-Repräsentantenhaus gefallen sein. Aber sie stammen von Jacob Milligan, der vor fast hundert Jahren vor den dramatischen Folgen einer beispiellosen Zollerhöhung warnte, die damals gerade beschlossen worden war: dem Smoot-Hawley-Gesetz.

Die Namensgeber des Gesetzes, die Republikaner Reed Smoot aus Utah und Willis Hawley aus Oregon, bedienten damit die Interessen der Agrar- und Produzentenlobby und erhöhten den Durchschnittszoll auf alle US-Importe auf etwa 20 Prozent. Damals litten viele Farmer unter niedrigen Getreidepreisen und Konkurrenz aus Europa, die nach dem Ersten Weltkrieg wieder Fuß fasste. So wie viele Fabriken in den USA heute unter der Billig-Konkurrenz aus China leiden. Was folgte, war jedoch nicht ein Aufschwung der amerikanischen Wirtschaft, sondern eine beispiellose Abwärtsspirale, die im Zweiten Weltkrieg mündete.

Ronald Reagan nannte das Smoot-Hawley-Gesetz und seine Folgen noch in den 80er Jahren einen „Albtraum“ für Amerika. Der US-Senat bezeichnet es bis heute als eines „der katastrophalsten Gesetze in der Geschichte des US-Kongresses“. Es ist eine Vorlage für den Zollkrieg, den Donald Trump in dieser Woche vom Zaun gebrochen hat – und möglicherweise für das, was darauf folgen wird.

Mit Trumps „Liberation Day“ steigen die Zölle in den USA im Schnitt auf gut 24 Prozent – und damit noch über das Niveau im berüchtigten Smoot-Hawley-Gesetz hinaus. Trumps Ankündigung bedeutet nichts weniger als das Ende der Ära des freien Welthandels, die vor 80 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg als Lehre aus dem zerstörerischen Protektionismus begann. Trump hat den Startschuss zu einem globalen Wirtschaftskrieg gegeben, der die Welt in eine Rezession stürzen könnte, wie man sie seit der großen Depression nicht gesehen hat.

„Wirtschaftliche Dummheit“ stürzte die Welt in die Katastrophe

Die historischen Parallelen sind frappierend: Der Zollhammer wurde im Juni 1930 erlassen, als die USA mitten in der Weltwirtschaftskrise steckten, nur knapp ein halbes Jahr nach dem New Yorker Börsencrash am „Schwarzen Freitag“ im Oktober 1929. Wie heute sorgte er auch damals für Panik an den Märkten. Wie heute kontrollierten die Republikaner auch damals gleichzeitig den Senat, das Repräsentantenhaus und das Weiße Haus. Sie konnten durchregieren wie Trump.

Und wie heute gab es auch damals reichlich Warnungen, die allesamt in den Wind geschlagen wurden. Henry Ford, der Chef des größten Autokonzerns, soll die Smoot-Hawley-Zölle eine „wirtschaftliche Dummheit“ genannt haben, und versuchte persönlich, sie Hoover auszureden. Mehr als 1000 Ökonomen schickten einen Brandbrief ans Weiße Haus. Doch es nützte nichts. Kurz darauf stürzte die Welt in den Abgrund.

Denn noch viel verheerender als die US-Zölle war die Vergeltung der US-Handelspartner für die USA. Frankreich und Spanien etwa machten aus Rache ihren Markt für US-Autos faktisch dicht. Deutschland, schon 1928 nach Großbritannien und Kanada der drittwichtigste Handelspartner der USA, in den fast zehn Prozent der Exporte gingen, senkte die Einfuhren aus Übersee nach Beginn des Zollkriegs um fast 70 Prozent. Nach einer Analyse im „Economic Journal“ der Universität Oxford brachen die US-Exporte in die meisten Länder nach dem Smoot-Hawley-Gesetz im Schnitt um rund 30 Prozent ein.

Es entstand ein Teufelskreis, indem sich die USA und ihre Handelspartner gegenseitig mit Zöllen und Gegenzöllen beharkten, und alle dabei verloren. Historiker sind sich weitestgehend einig: Der Zollkrieg verschärfte die Weltwirtschaftskrise dramatisch und machte sie erst zur großen Depression.

Trump hat aus der Geschichte nichts gelernt

Nach dem Weltkrieg setzten die USA deshalb auf Freihandel und das Bretton-Woods-System mit festen Wechselkursen, Weltbank und Internationalem Währungsfonds. 1947 wurde das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) abgeschlossen, das 1994 in die Welthandelsorganisation (WTO) mündete: An die Stelle von willkürlicher Diskriminierung und Vergeltungszöllen trat die Gleichbehandlung aller Handelspartner und die Schlichtung von Konflikten.

„Eine ganze Generation von Republikanern und Demokraten nach dem Zweiten Weltkrieg war aufgrund der Erfahrung der 30er Jahre gegen Zollerhöhungen konditioniert“, zitiert der US-Sender „ABC“ den US-Ökonomen Douglas Irwin, der die Folgen des Zollkriegs vor hundert Jahren studiert hat. „Jetzt haben wir eine neue Generation von Anführern, die viel stärker bereit ist, bei höheren Zöllen den Abzug zu drücken.“

Mit Donald Trumps willkürlichen Strafzöllen in dieser Woche ist die regelbasierte Nachkriegsordnung des Welthandels faktisch tot. Trump hat offenbar nichts aus der Geschichte gelernt: „Als der Kongress in den 30er Jahren über das Smoot-Hawley-Gesetz beriet, wurde nicht berücksichtigt, was andere Länder in Reaktion tun könnten“, sagt Irwin dem britischen „Guardian“. „Sie dachten, dass sie passiv bleiben würden. Aber sie bleiben nicht passiv.“

Denselben Fehler macht Trump womöglich heute wieder. Er schwingt den Zollhammer als Drohgebärde, um Zugeständnisse zu erpressen und glaubt, der Rest der Welt wird einknicken. Doch wichtige Handelspartner wie Kanada, China und auch die EU haben unisono bereits harte Vergeltungsmaßnahmen gegen Trumps Zölle angekündigt. Peking hat umgehend Gegenzölle von 34 Prozent auf US-Importe erhoben und führt zusätzliche Exportbeschränkungen für seltene Erden ein. Damit könnte der gleiche Teufelskreis wie in den 30er Jahren in Gang gesetzt werden.

Wenn die Geschichte schon beim Zollkrieg für Trump keine Lehre ist, dürfte ihm etwas Anderes vielleicht doch zu denken geben: Nur zwei Jahre nach dem verhassten Smoot-Hawley-Gesetz gaben die Wähler seinen Erfindern Reed Smoot und Willis Hawley 1932 den Laufpass. Im gleichen Jahr jagten sie auch Präsident Herbert Hoover in einem politischen Erdrutsch aus dem Weißen Haus. Und ein Demokrat übernahm die Macht: Franklin D. Roosevelt.