Wurf mit der Sahnetorte: Die musica viva im Herkulessaal

„Beautyful!“ rief eine kräftige männliche Stimme nach dem Verklingen der letzten Note laut in den Herkulessaal. Tatsächlich: Der Schluss von Philippe Manourys „Anticipations“ hat was: Von einem kraftvollen Orchester-Ausbruch des am Freitag in der musica viva des Bayerischen Rundfunks zur Deutschen Erstaufführung gebrachten Stücks bleibt nur eine sanft aufsteigende Klangfläche der Violinen übrig.

Sonst wirkt das Stück des 72-jährigen Franzosen vor allem gediegen komponiert. Nach einigen Präliminarien begab sich eine Bläsergruppe in den Parkett-Umgang, um im Rücken des Publikums ein ziemlich banales Fanfarenmotiv anzustimmen, das ein wenig an Leoš Janáčeks „Sinfonietta“ gemahnte. Andere Musikerinnen und Musiker des von David Robertson geleiteten BR-Symphonieorchesters spielten von der Seite. Beim besten nachzählenden Willen kam man allenfalls auf vier Orchestergruppen, keinesfalls aber auf die im Programmheft genannten sieben. Und der Raumklang, der sich letztendlich auf Dialoge mit dem Hauptorchester auf dem Podium beschränkte, blieb ein weitgehend uneingelöstes Versprechen.

Am Solo weniger interessiert

Auch das Leonidas Kavakos angeblich in die Geige geschriebene Violinkonzert Nr. 2 von Unsuk Chin überzeugte nicht. Denn die Komponistin schien vor allem an den düster dräuenden Klangballungen zwischen den doch eher konventionellen Soli interessiert. Die immer wieder durchscheinende Eingangs-Geste, ein kraftvoller Sprung von der tiefen Lage ins Flageolett gliederte das Stück, auch das Rauschen von Bürsten kehrte an Ruhepunkten immer wieder zurück.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.
© Astrid Ackermann/BR
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

von Astrid Ackermann/BR

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Eine überzeugende Idee für das Verhältnis von Solo und Gruppe entwickelt das Konzert nicht. Und mit der eigentlichen Kernkompetenz der Geige als Solo-Instrument, kann die in Berlin lebende Komponistin anscheinend auch nichts anfangen: dem poetischen Gesang. Kavakos hatte das übliche virtuose Figurengeflecht kleiner Noten abzuarbeiten, das auf nichtgeigende Hörer eher anstrengend wirkt.

Der Alte Peter

Die Uraufführung von Bernhard Langs „Game 18 Radio Loops“ eröffnete den Abend. Das Stück begann mit einer mikrotonal getrübten und sich verdichtenden Klangfläche. Später folgt eine längere Schlagzeug-Episode, irgendwann wähnte sich der Hörer in einem von Vogelgezwitscher gestörten Erlösungsschluss einer Tondichtung von Richard Strauss.

Unsuk Chin mit dem Geiger Leonidas Kavakos.
Unsuk Chin mit dem Geiger Leonidas Kavakos.
© Astrid Ackermann/BR
Unsuk Chin mit dem Geiger Leonidas Kavakos.

von Astrid Ackermann/BR

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Die Live-Elektronik riss an Zäsuren hörbar ab. Panne oder Ansicht? Schwerer wiegt das etwas unklare Konzept des Stücks, eines Auftragswerks zum 75. Geburtstag des Bayerischen Rundfunks und seines Senders, dem Pausenzeichen verschiedener Rundfunkanstalten als Material zugrunde liegen – wohl nach dem Vorbild von Karlheinz Stockhausens „Hymnen“.

Nun sind solche respektvollen Kopien immer etwas heikel. Und ursprünglich sollten die Pausenzeichen wohl auch im Original eingespielt werden. Der 67-jährige Österreicher scheint – auch wegen urheberrechtlicher Bedenken – sein Konzept geändert zu haben. Daher blieb nur das aus Beethovens Fünfter entliehene Ticken des Deutschen Diensts der BBC während des Zweiten Weltkriegs in den Bässen übrig. Und die am Ende vom Vibrafon gespielte Melodie „So lang der Alte Peter“ des Bayerischen Rundfunks. Und das wirkte als Gag dermaßen aufgesetzt, dass Lang gut beraten wäre, dieses Zitat vor einer Wiederaufführung zu entfernen, weil es als zu seiner ansonsten hochseriösen Musik passt wie der Sahnetortenwurf in einer Tragödie.

Im „räsonanz – Stifterkonzert“ 2025 der musica viva gastiert am 9. Januar das Orchester Les Siècles unter Franck Ollu mit einem Boulez-Programm. Karten unter www.br-musica-viva.de

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