Als Finanzminister war Wolfgang Schäuble während der Euro-Krise so eine Art Buhmann in Griechenland. Mit seinem Beharren auf der berühmten „Schwarzen Null“ zog er sich 2015 vor allem den Zorn seines dortigen Amtskollegen Yanis Varoufakis zu.
Beim Ortstermin im Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erinnert sich Schäubles langjährige Mitarbeiterin Nicole Gudehus an das erste Treffen der beiden, bei dem Varoufakis betont leger mit aus der Hose hängendem Hemd aufgetreten sei. „Er war ja dann auch nicht lange im Amt“, kommentiert Schäubles Witwe Ingeborg Schäuble trocken.
Ganz im Gegensatz zu ihrem am 26. Dezember vergangenen Jahres gestorbenen Mann, der von 1972 bis zu seinem Tod Mitglied des Bundestages war, sowie dessen Präsident, Alterspräsident und in den Jahren dazwischen Minister in drei verschiedenen Ministerien. In dieser Zeit haben sich in seinem Haus in Offenburg und dem Berliner Büro viele Dinge mit historischem Bezug angesammelt. Rund 120 davon hat seine Frau jetzt dem Haus der Geschichte geschenkt. Der Trennungsschmerz hält sich dabei in Grenzen: „Ich wüsste gar nicht, wo ich den Platz dafür hernehmen sollte“, sagt Ingeborg Schäuble.
Da die Dauerausstellung derzeit generalüberholt wird, ist eine Auswahl der Schäuble-Memorabilien bis Februar im Foyer als „Objektpräsentation“ zu sehen. Darunter sein Pfeifenständer, ein dickes Adressbuch sowie das Handbike, mit dem der seit dem Attentat im Oktober 1990 Querschnittgelähmte sich fit hielt. Und ein 100-Euro-Schein, auf dem Schäubles selbstbewusst dreinblickendes Konterfei in Grün prangt, ein Geschenk des damaligen slowakischen Finanzministers Peter Kažimír von 2017.
Darüber hängt eine Europafahne, auf der die meisten seiner Amtskollegen unterschrieben und ihm seine großen Verdienste um Europa bescheinigten. Er habe ja oft „gesagt und getan, was die anderen nur dachten“, findet seine Frau. Die Fahne soll, wenn das Haus der Geschichte im Dezember des kommenden Jahres vollständig öffnet, zu den Dauerexponaten gehören – ebenso wie der Füller, mit dem Schäuble, damals Innenminister, am 31. August 1990 den deutsch-deutschen Einigungsvertrag unterzeichnete.
Zu den ältesten Exponaten gehört ein Blanko-Veranstaltungsplakat aus seinem ersten Bundestagswahlkampf 1972 mit dem Slogan „Sicher und stabil“, auf dem man wie bei einer vorgedruckten Geburtstagseinladung die Details per Hand eintragen konnte: „Dr. Wolfgang Schäuble spricht am:__um__Uhr. Ort:___“. Seine abgewetzte Aktentasche, die noch aus Referendariatszeiten stammte, nutzte er bis zum Attentat. Danach war ein Aktenkoffer praktischer, den er sich im Rollstuhl zum Arbeiten quer über die Knie legen konnte.
Die wichtigste Rede: ausgerechnet in Bonn
Obwohl er sich immer für die neuesten technischen Entwicklungen interessierte, hielt Schäuble als Konservativer auch an Bewährtem fest. So benutzte er neben seinem iPhone auch weiterhin eine „Stenorette“ – ein Diktiergerät mit Minikassette, das pfleglich zu behandeln ihn seine Mitarbeiterin Nicole Gudehus ermahnte, weil es bei Beschädigung einfach keinen Ersatz mehr gab.
Was dem Schäuble-Vermächtnis an eine Institution ausgerechnet in Bonn eine spezielle Note verleiht, ist der Umstand, dass er die vielleicht folgenreichste Rede seiner langen politischen Karriere noch im Wasserwerk hielt, dem Dauerausweichquartier des Bonner Bundestages. Am 20. Juni 1991 ging es dort in einer leidenschaftlichen Debatte um die Frage, von wo aus das wiedervereinigte Deutschland künftig regiert werden sollte: weiterhin von hier, am Rhein, oder in der alten Reichshauptstadt Berlin. Mit seiner rund zehnminütigen Rede trug Schäuble maßgeblich dazu bei, dass die Abstimmung schließlich zugunsten des Umzugs an die Spree ausging. Man solle im ehemaligen Regierungssitz doch froh sein, dass der ganze „Wahnsinn“ jetzt in Berlin stattfinde, sagt seine Witwe.
Von den vielen Auszeichnungen, die Wolfgang Schäuble erhielt, ist nur der Point-Alpha-Preis für Verdienste um die Einheit Deutschlands ausgestellt. Der Großteil lagere noch in Offenburg, sagt Ingeborg Schäuble: „Da habe ich noch einen ganzen Schrank voll davon.“