Eine halbjährliche Impfung mit dem Medikament Lenacapavir schützt effektiv vor einer Infektion mit HIV. Das bestätigen Daten der zulassungsrelevanten Phase-3-Studie „Purpose 2“, die im „New England Journal of Medicine“ („NEJM“) vorgestellt werden. Mit Lenacapavir sei ein echter Durchbruch gelungen, lobte Astrid Berner-Rodoreda vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Als Depotspritze schützt Lenacapavir anhaltend vor einer Infektion mit HIV, alle sechs Monate ist eine Auffrischung vorgesehen – bisher verwendete Mittel zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wie Truvada müssen täglich als Tablette genommen werden. Sich zweimal jährlich impfen zu lassen, sei wesentlich komfortabler als täglich an die Einnahme einer Tablette denken zu müssen, sagte Berner-Rodoreda.
Tabletten machen das Umfeld misstrauisch
Hinzu komme ein bestimmter Effekt: Gerade in einigen stark von HIV betroffenen Ländern gebe es bei der täglichen Einnahme von Tabletten das Risiko, im Umfeld als vermeintlich HIV-positiv abgestempelt zu werden. Eine nur zweimal jährlich verabreichte Spritze lasse sich weitaus besser geheim halten. Darum stehe außer Frage, dass Lenacapavir eine „riesen Erleichterung“ für viele Menschen darstelle.
Wie schon die Vorgängerstudie „Purpose 1“ wurde die Auswertung aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse vorzeitig beendet, um das Medikament allen Probanden und Probandinnen zur Verfügung stellen zu können, wie es vom Hersteller Gilead hieß. Für Lenacapavir solle nun die Zulassung als HIV-Schutz in zahlreichen Ländern beantragt werden. Gezielt werde an einer Versorgung auch in ärmeren Ländern gearbeitet.
Vergleichbar effizienter Schutz
Das Mittel soll prophylaktisch Menschen mit hohem HIV-Infektionsrisiko angeboten werden. Es hemmt den Lebenszyklus des Virus in mehreren Stadien der Infektion. Von der Effizienz her sei Lenacapavir mit Truvada vergleichbar, erklärte Max von Kleist von der Freien Universität Berlin. Beide böten einen hervorragenden, nahezu kompletten Schutz.
Bei den Ergebnissen der beiden „Purpose“-Studien wirke es zwar so, als gebe es in den mit Tabletten versorgten Kontrollgruppen anteilig einige Infektionen mehr – die Daten täuschten aber, erläuterte der Leiter der Forschungsgruppe „Mathematics for Data Science“. Vielfach seien die Tabletten nicht regelmäßig oder gerade zum Ende des Untersuchungszeitraums auch gar nicht mehr genommen worden. Dass es dann zu Infektionen komme, verwundere nicht.
Medikament ist für Menschen in ärmeren Ländern noch unbezahlbar
Lenacapavir ist in der EU bereits zur virushemmenden Behandlung bestimmter Patienten zugelassen, die schon infiziert sind. In Deutschland wurde das Medikament dafür bisher von Gilead nicht auf den Markt gebracht. Ob es als vorbeugendes Mittel hierzulande erhältlich sein wird, sei unklar, sagte Berner-Rodoreda. Von großer Bedeutung sei es aber ohnehin vor allem für ärmere Länder, etwa für Frauen in Afrika südlich der Sahara.
Dabei gebe es ein Problem: Zur Behandlung bei bestehender Infektion eingesetzt koste Lenacapavir in den USA rund 42.000 Dollar pro Jahr – in dieser Größenordnung wäre es für Menschen in ärmeren Ländern unbezahlbar. Es sei zentral, dass der Zugang für solche Staaten ermöglicht werde, in denen das Mittel wirklich dringend gebraucht werde, betonte Berner-Rodoreda.
Heilung nach wie vor nicht möglich
Das HI-Virus schwächt das Immunsystem und macht den Körper anfällig für verschiedene Erkrankungen. Das Krankheitsbild heißt Aids. Bei früher Erkennung und Behandlung haben Infizierte praktisch eine normale Lebenserwartung. Komplett beseitigen lässt sich die Infektion in den meisten Fällen allerdings nicht, darum ist die lebenslange Einnahme virushemmender Medikamente nötig.
Nach einem am Dienstag vorgestellten UN-Bericht steigt in 28 Ländern die Zahl der HIV-Ansteckungen. Weltweit leben 39,9 Millionen Menschen mit dem Virus, der Großteil in Afrika südlich der Sahara, wie das UN-Programms UNAIDS mitteilte. 2023 seien 630.000 Menschen im Zusammenhang mit Aids gestorben, 1,3 Millionen Menschen hätten sich neu mit dem HI-Virus infiziert.