Es gibt in diesen Tagen angenehmere Aufgaben, als ein mittelgroßes Auktionshaus durch die unruhigen Zeiten zu manövrieren: Der Markt schwächelt, wer Spitzenwerke besitzt, gibt sie zu den wenigen großen Playern oder behält sie zurück für bessere Tage. Kein Wunder also, wenn derzeit in vielen Auktionshäusern auch Dinge an den Wänden landen, die man in den heißeren Tagen des Kunstmarkts getrost in der Asservatenkammer gelassen hätte. In dieser Situation hat das Berliner Auktionshaus Grisebach für seine Auktion „Ausgewählter Werke“ am 28. November einige wirklich interessante Werke zusammenbekommen – allen voran einen weiteren Max Beckmann.
Das „Selbstbildnis gelb-rosa“ des Malers hatte dem Auktionshaus vor zwei Jahren einen 20-Millionen-Euro-Rekord eingebracht. Jetzt ist ein mit vier bis sechs Millionen Euro taxiertes, bisher selten ausgestelltes Bildnis von Beckmanns Frau Mathilde „Quappi“ von Kaulbach aus einer Privatsammlung im Angebot: „Quappi mit grünem Sonnenschirm“. Es zeigt den Moment eines gefährdeten Glücks vor dem Einbruch der Dunkelheit.
Wer ist hier zugange?
1937 waren Beckmann und seine Frau ins holländische Exil gegangen, ein Jahr später entstand dieses für den politischen Moment ungewöhnlich heitere Bild: Die Sonne scheint, die schöne Frau kneift die Augen im hellen Licht zusammen, ein Träger des Sommerkleids rutscht herunter und gibt die Schulter frei, der Himmel ist blau, es schweben zwei Wölkchen im Himmel, die vielleicht auch Austern sein könnten, von denen die Frau gerade träumt. Hier haben es zwei schön.
Düster ist allein der rätselhafte Kopf, der sich von unten gegen ihren Arm drängt. Wer ist hier zugange? Beckmann selbst wird es angesichts der Frisur nicht sein. Bloß irgendein Tourist? Oder doch ein Verleumder, ein Glückszerstörer, der sich aus dem Hinterhalt herandrängt, ein böser Zeit-Geist, der ihnen hartnäckig aus Deutschland folgte?
Im Angebot ist auch ein weiterer Beckmann, ein für Mathilde gemaltes „Stillleben mit Orchideen und Birnen“ von 1946 (Taxe eine bis 1,5 Millionen Euro). Für Freunde deutscher Zero-Künstler steht ein Op-Art-hafter Strudel aus weißen Nägeln bereit, ein Spätwerk von Günter Uecker aus dem Jahr 2005 (200.000/ 300.000). Ein Furnierplatten-Malereikunstwerk des Exzentrikers Victor Servaranckx soll zwischen 100.000 und 150.000 Euro den Besitzer wechseln. Einen Probeabzug zur Druckfreigabe einer Radierung von Matisse von 1929, der eine Dame mit Collier zeigt, ist vergleichsweise günstig zu bekommen /5000/7000), eine kleine Tierbronze („Junger Elefant“) der großartigen Bildhauerin Renée Sintenis von 1926 liegt bei 25.000 bis 35.000 Euro.
Typhusteufel von Nolde
Vor dem hinreißenden kleinen Elefanten muss man sich nicht so fürchten wie vor Emil Noldes ähnlich eingepreistem, in Tintenblau hinaquarelliertem „Porträt Stephanie Wiesand“, von dem nicht bekannt ist, ob die Schauspielerin, die Nolde 1947 in Sankt Peter-Ording kennenlernte, über ihre Darstellung als knallblauer Typhusteufel mit diabolisch unterlaufenen Augen besonders erfreut war.
Interessant sind acht Abzüge einer Farblithographie von Pablo Picasso aus dem Jahr 1949, die Françoise Gilot darstellt (8000/12.000 Euro für einen Probeabzug). Und noch ein bemerkenswertes „Bildnis einer Dame“ gibt es, gemalt um 1890 von Lesser Ury, dem Meister Berliner Nachtszenen: der Kopf einer Unbekannten im Profil leuchtet da aus der Dunkelheit, ein paar kunstvoll gesetzte rote Pinselstriche geben dem Gesicht eine fast gespenstische Lebendigkeit, als rausche ihr gerade das Blut in den Kopf.
Das Sfumato erinnert an Rembrandt, das Porträt selbst an Manet und Whistler – aber der Glanz, der auf Ohrring und Schulter fällt, scheint schon die Spiegelungen der Autoscheinwerfer und Straßenlaternen auf der regennassen Straße vorwegzunehmen, mit denen Ury später berühmt wurde. So trägt die Unbekannte das Versprechen der funkelnden Großstadt in sich (20.000/30.000 Euro). Insgesamt keine schlechte Ausbeute für einen Moment der Krise.