Wieso Schimpansen keinen Shakespeare schreiben – Wissen

Welch eine Zeitverschwendung, wenn die Schimpansen im Zoo immer nur Grimassen schneiden oder unerfreuliche Dinge nach den Besuchern werfen. Man sollte ihnen Schreibmaschinen hinstellen und wild darauf loshacken lassen. Irgendwann wird schon was Sinnvolles dabei herauskommen, vielleicht sogar ein Sonett! So lautet, stark vereinfacht, das Infinite-Monkey-Theorem (deutscher Name: Theorem der endlos tippenden Affen), eine der wenigen Anekdoten aus der grauen Welt der Statistik, die es ins allgemeine popkulturelle Bewusstsein geschafft haben. Leider ist wohl nur wenig dran, wie die Mathematiker Stephen Woodcock und Jay Falletta von der University of Technology in Sydney jetzt in einem gelehrten Aufsatz in der Fachzeitschrift Franklin Open nachgewiesen haben.

Dabei beriefen sich die beiden Wissenschaftler auf die Standardversion des Theorems, das davon ausgeht, dass alle Schimpansen dieses Planeten – derzeit geschätzte 200 000 – mit Schreibmaschinen ausgestattet werden und bis an das Ende aller Zeiten auf ihnen herumtippen dürfen. Dann würden irgendwann alle Werke Shakespeares entstehen. Dabei nahmen sie mal unter Umgehung aller arbeitsrechtlichen Vorschriften und grob vereinfacht an, dass die willigen Affen rund um die Uhr auf einer Tastatur mit nur 30 Buchstaben ein Zeichen pro Sekunde erzeugen.

Zumindest einmal im Leben könnte ein Schimpanse das Wort „Banane“ tippen

Allerdings beschränkten die Wissenschaftler den zeitlichen Rahmen  für das Vorhaben, weshalb sie korrekt von der Widerlegung des „Finite Monkeys Theorem“ sprechen, also des endlichen Affen-Theorems: Die Tiere sollten ihren Shakespeare bis zum voraussichtlichen Hitzetod des Universums in zehn Sexdezilliarden Jahren schaffen. Mathematiker nennen diese Zahl Googol: eine Eins mit 100 Nullen. Google hat übrigens seinen Namen von diesem mathematischen Begriff abgeleitet.

Obwohl dies eine wirklich sehr lange Zeit ist, reicht er nach Darlegung von Woodcock und Falletta nicht aus, um rein per Zufall die vergleichsweise überschaubaren 888 647 Wörter in der richtigen Reihenfolge zu erzeugen, die der große britische Dichter in seinem 50-jährigen Leben zu Papier gebracht hat. Man kann es natürlich nicht völlig ausschließen, dass ein Affe das große Werk hinbekommt, schließlich geht es um Statistik, bei der man nie weiß, wann genau der Zufall zuschlägt. Allerdings liege die Wahrscheinlichkeit für den spontanen Erfolg des Chim-Shakespeare-Projects nur bei 6,4 mal zehn hoch 7448254, so die Autoren.  Also eigentlich bei null.

So wie es statistisch aussieht, werden sich nichtmenschliche Primaten, die lesen und schreiben nicht gelernt haben, mit kleineren literarischen Erfolgen zufriedengeben müssen. Wie die beiden Autoren der neuen Studie ausgerechnet haben, ist es statistisch durchaus plausibel, dass ein Schimpanse mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 30 Jahren irgendwann das Wort „Banane“ tippen wird.

Doch selbst das setzt eine gewisse Zielstrebigkeit und Motivation voraus, die man bei Affen nicht unbedingt erwarten darf. Das erfuhren Dozenten und Studenten der University of Plymouth, die einer Gruppe von Schopfaffen im Zoo von Devon von Mai bis Juni 2002 mit einer Computertastatur ausrüsteten. Am Ende des Studienzeitraumes hatten die Affen gerade mal fünf Seiten Text produziert, auf denen sich fast ausschließlich der Buchstabe S fand. Außerdem beschlossen die Tiere irgendwann, auf die Tastatur zu urinieren und zu defäkieren. Die Forscher und Forscherinnen publizierten den so entstandenen Text dennoch unter dem leicht prätentiösen Titel „Notes towards the complete works of Shakespeare“.