
Irgendjemand schien sich da verzählt zu haben. „Die 14 höchsten Berge in Nepal“ sind auf der Website aufgelistet, mitsamt einer Übersichtskarte des Landes – und alle 14 sind über 8000 Meter hoch. Bislang war man sich international einig, dass es 14 Berge auf der ganzen Welt gibt, die über die 8000-Meter-Grenze hinausreichen, und nur acht davon liegen in Nepal. Sind jetzt also plötzlich sechs neue Achttausender entdeckt worden, von denen die Welt bisher nichts wusste?
Die Darstellung auf der Website nepalhimalpeakprofile.org, betrieben vom nepalesischen Tourismusministerium und der Bergsteigervereinigung Nepal Mountaineering Association, rief einige Aufregung hervor. Tatsächlich dokumentiert sie einen Vorstoß der nepalesischen Behörden, sechs bisherige Nebengipfel schon bekannter Achttausender wie etwa des Kangchendzönga, des mit 8586 Meter dritthöchsten Bergs der Welt, künftig als eigenständige Achttausender anzuerkennen.
Was macht einen Gipfel aus?
Der Kangchendzönga würde dann nicht mehr als ein einziger Berg geführt, wie bisher, sondern als Bergmassiv, das aus fünf eigenständigen Gipfeln besteht. Übersetzt bedeutet die tibetische Bezeichnung Kangchendzönga „Fünf Schatzkammern des Großen Schnees“ – und impliziert damit, dass die fünf Gipfel einen einzigen Berg bilden. Das soll jetzt aber nicht mehr so gelten.
Der Kontroverse liegt die Frage zugrunde, was einen eigenständigen Gipfel – im Gegensatz zu einem Nebengipfel – überhaupt ausmacht. Mögliche Faktoren dafür gibt es einige: die Topographie, also Prominenz, Schartenhöhe und Dominanz, die Geschichte, die Tradition, spirituelle Hinweise und die Bezeichnungen der einheimischen Bevölkerung. Eine allgemein verbindliche Definition gibt es nicht. Die Internationale Vereinigung der Bergsportverbände (UIAA) hängt bisher der Meinung an, dass es bei 14 Achttausendern bleiben solle, will aber die Frage bei der nächsten Hauptversammlung im Herbst genauer klären.
Für Nepal würde eine Erweiterung des Portfolios auch neue Einkommensquellen mit sich bringen. Kommerzielles Höhenbergsteigen boomt, es ist ein finanzieller Stützpfeiler des Landes, das auf die Verdienstmöglichkeiten für Träger, Köche, Bergführer, Lodgebetreiber, Reiseagenturen sowie die Einkünfte durch die Genehmigungen angewiesen ist.
Bei der Achttausender-Sammelwut moderner Höhenbergsteiger könnten sechs weitere Gipfel den Rekordjägern tatsächlich als attraktive Ergänzung erscheinen. Doch wie dann weiter? Mit dem ersten Neuntausender auf Erden womöglich? Alles vielleicht nur eine Frage der Zeit. Oder der Definition.