Wie viele Personen die Wehrdienstreform betrifft

Nachdem sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union auf die Ausgestaltung des neuen Wehrdiensts geeinigt haben, stellen sich viele junge Menschen – insbesondere Männer – die Frage, inwiefern sie von der Reform betroffen sind.

Die NATO hält 260.000 aktive Soldaten in Deutschland für erforderlich, um einem Angriff – etwa Russlands – standzuhalten. In den kommenden fünf Jahren will die Bundeswehr deshalb rund 80.000 Soldatinnen und Soldaten rekrutieren sowie mindestens 200.000 Reservisten.

Das neue Wehrdienstgesetz, auf das sich die Fraktionsspitzen von Union und SPD nun geeinigt haben, soll die Grundlage für die größere Reserve schaffen. Demnach sollen junge Männer nach Vollendung ihres 18. Lebensjahrs von 2026 an verpflichtend einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie Auskunft geben, ob sie zum Wehrdienst bereit und fähig sind. Frauen können dies freiwillig tun. Mitte 2027 wird die Musterung für Männer vom Geburtsjahrgang 2008 an wieder zur Pflicht.

Der Wehrdienst selbst soll zunächst freiwillig bleiben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant diverse Maßnahmen, um den Dienst attraktiver zu machen, so zum Beispiel einen höheren Sold: Wehrdienstleistende sollen künftig als Zeitsoldaten bezahlt werden, damit erhielten sie mehr als 2000 Euro netto pro Monat.

Rund 700.000 Menschen erhalten 2026 Post von der Bundeswehr

Doch wie viele junge Menschen sind konkret von der Reform betroffen? Hier geben Zahlen des Statistischen Bundesamts Auskunft: Rund 673.000 Menschen werden im kommenden Jahr 18 Jahre alt und gehören damit zu denjenigen, die von der Bundeswehr Post erhalten werden. Davon sind rund 344.000 männlich und 329.000 weiblich.

Der neue Wehrdienst soll sich jedoch nicht nur an junge Menschen richten, die im kommenden Jahr volljährig werden, sondern an den Pool der 18- bis 25-Jährigen. In dieser Altersgruppe will die Bundeswehr Freiwillige für den Wehrdienst gewinnen. Konkret bedeutet das: Das jährliche Verfahren startet jeweils bei dem Jahrgang, der innerhalb des Kalenderjahres 18 Jahre alt wird. Diese Menschen, unabhängig vom Geschlecht, werden zunächst postalisch kontaktiert und die Männer von 2027 an verpflichtend zur Musterung geladen.

Derweil bedeutet die Zugehörigkeit zum Pool, dass man prinzipiell im passenden Alter für den Dienst ist – freiwillig oder, falls jemals nötig und politisch beschlossen, per Bedarfswehrpflicht. Mit Stand 2026 umfasst diese Gruppe knapp 5,5 Millionen Menschen, davon sind 2,8 Millionen Männer.

Möglichkeit auf Kriegsdienstverweigerung bleibt bestehen

Schon jetzt ist ein Anstieg bei den Anträgen auf Kriegsdienstverweigerung zu erkennen. In Artikel 4, Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Damit wird das Recht garantiert, den Kriegsdienst zu verweigern.

Ein solcher Antrag kann sowohl von aktiven Soldaten als auch von Reservisten sowie Ungedienten gestellt werden, also männlichen Staatsbürgern, die gemäß dem – derzeit ausgesetzten – Wehrpflichtgesetz zum Kriegsdienst herangezogen werden könnten.

Nachdem die Wehrpflicht 2011 ausgesetzt worden war, erhielt das zuständige Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) kaum noch Anträge auf Kriegsdienstverweigerung. Die Zahlen bewegten sich lange im niedrigen dreistelligen Bereich. Erst mit Beginn des russischen Angriffskriegs stieg die Zahl deutlich an: 2022 verweigerten fast 1000 Menschen den Dienst, 2024 gut 3000. Die meisten dieser Menschen, so lässt sich vermuten, wollen präventiv ein Zeichen setzen.

Zum Vergleich: Nach Angaben des BaFzA gingen in diesem Jahr bis Ende Oktober bereits 3034 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung ein, der überwiegende Teil auch hier von Ungedienten (1562 Anträge) und Reservisten (1324 Anträge).

Diesen Trend bestätigt auch Cornelia Mannewitz, Sprecherin bei der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Die Organisation, die dabei unterstützt, den Wehrdienst zu verweigern, sieht einen starken Anstieg beim Bedarf nach Beratung. „Auf jeden Fall zeigt der Trend nach oben, und zwar steil“, sagt Mannewitz. So seien allein im September bundesweit mehr als 500 Anträge eingegangen, im Oktober dürfte die Gesamtzahl noch höher gewesen sein.

Mannewitz rechnet damit, dass der inzwischen beigelegte Streit in der Koalition über die Wehrdienstreform viele verunsichert haben dürfte. Der Versand der Fragebögen vom kommenden Jahr an dürfte ihrer Meinung nach zu einem weiteren Anstieg führen. Genaue Zahlen ließen sich schwer prognostizieren. In einem Punkt ist sie aber sicher: „Bundesweit erwarten wir einen massiven Anstieg.“