Wie Städte ihn einhalten können

Unter dem Stichwort „Saubere Luft für Europa“ ist am 10. Dezember eine neue Richtlinie für die Luftqualität in der Europä­ischen Union in Kraft getreten. Für den Alltag und damit politisch bedeutsam ist der neue Grenzwert für Stickoxid.

Von 2030 an, also in fünf Jahren, muss in allen EU-Mitgliedsländern ein Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm je Kubikmeter Luft eingehalten werden. Das ist die Halbierung des geltenden Grenzwerts von 40 Mikrogramm. Dieser konnte in der Vergangenheit auch in Hessen nur unter größten Anstrengungen erreicht werden.

Größter Emittent dieses Luftschadstoffs ist der Verkehr. Er entsteht durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe, insbesondere von Dieselkraftstoff. Auch wenn die technische Weiterentwicklung und Modernisierung der Fahrzeugflotten und damit der höhere Anteil an Elektroautos die Schadstoffbelastung in den nächsten Jahren weiter minimiert, erwarten Fachleute nicht, dass die Einhaltung des neuen Grenzwerts ein Selbstläufer wird.

Hessische Städte halten Grenzwert seit 2021 ein

Zumal der Anteil an Hybrid und Elektrofahrzeugen nicht so schnell zunimmt wie erhofft. In Frankfurt, einer Stadt mit vielen Dienstwagen und damit einem schnelleren Fahrzeugwechsel, hat der Anteil an Hybrid- und E-Autos zum Jahresbeginn bei 15,5 Prozent gelegen. Bundesweit lag er bei nur 8,7 Prozent.

Der 40-Mikrogramm-Grenzwert war in der Vergangenheit in Deutschland erst nach zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen und enormen Anstrengungen der Städte in Form von Zufahrtsbeschränkungen und Tempolimits, mit dem Abbau unentgeltlicher Parkplätze, dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und zum Teil dem verschärften Einsatz von Pförtnerampeln an den Stadteingängen eingehalten worden.

HLNUG/ swa.

Inzwischen wird in allen hessischen Städten und mit zwei Ausnahmen in ganz Deutschland der Grenzwert gewahrt. In Hessen ist dies seit 2021 der Fall – elf Jahre nachdem der Grenzwert Pflicht geworden war. Gegen die Bundesrepublik läuft ein Vertragsverletzungsverfahren der EU.

Leitlinien der WHO dienen als Grundlage

Die Festlegung des neuen, strengeren Grenzwerts wird die Städte wieder herausfordern. Derzeit wird an keiner verkehrsbezogenen Messstation in hessischen Großstädten ein Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm je Kubikmeter Luft erreicht.

In Frankfurt wird aktuell mit knapp 35 Mikrogramm der höchste Wert an der Mainzer Landstraße gemessen, an der Hügelstraße in Darmstadt liegt er bei fast 36 Mikrogramm und in Offenbach an der Mainstraße bei knapp 31 Mikrogramm. Als Problem gilt in Hessen die Schiede in Limburg. Dort wird derzeit der höchste Wert in ganz Hessen mit 36,6 Mikrogramm gemessen.

Feinstaub in Frankfurt

Messwerte seit einer Woche (PM2,5 = Korngröße kleiner als 2,5 Mikrometer)

Warum verschärft die EU den Stickoxidgrenzwert? Will sie, wie es häufig vermutet wird, die Autofahrer drangsalieren? Denken sich Politiker in Brüssel die Vorgaben aus? Grundlage der neuen EU-Richtlinie sind die Luftqualitätsleitlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Sie hatte die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung überprüft und 2021 ihre Luftqualitätsleitlinien aktualisiert. Ginge es nach der WHO und dem Ziel, die Gesundheit der Bürger grundsätzlich zu schützen, läge der Stickoxidgrenzwert sogar bei nur zehn Mikrogramm je Kubikmeter Luft.

„Da ist ordentlich Druck dahinter“

Schon der 20-Mikrogramm-Grenzwert, der binnen zwei Jahren, also bis Ende 2026, ins Bundes-Immissionsschutzgesetz eingearbeitet werden muss, wird in den Bundesländern eine lebhafte Debatte auslösen. Denn das Einhalten der Werte obliegt den Ländern.

Feinstaub in Deutschland

Aktuelle Werte für PM2,5* in Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (Grenzwert: 25 µg/m³)

„Wir dürfen den Fehler, zu spät damit zu beginnen, auf die Einhaltung der Grenzwerte zu dringen, nicht wiederholen“, sagt Diana Rose vom hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Ziel müsse es dieses Mal „wirklich“ sein, den Grenzwert 2030 einzuhalten.

Dies erinnert daran, dass vor 20 Jahren, bei der Einführung des 40-Mi­kro­gramm-Grenz­werts, die Exekutive über­fordert war, zumindest drastische Eingriffe in den Autoverkehr der Städte scheute. Mit den bekannten Folgen, wie die Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen 28 deutsche Städte wegen Grenzwertüberschreitungen zeigten, darunter Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Limburg.

Auch der neue Grenzwert hat es nach Ansicht von Fachleute in sich. „Da ist ordentlich Druck dahinter“, sagt Rose. Die EU schreibe dieses Mal den Mitgliedstaaten auch vor, dafür zu sorgen, dass die Bürger die Einhaltung der Grenzwerte leichter einfordern können. Vom „Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren“ ist die Rede.

Und die Städte selbst haben nicht mehr viel Handlungsspielraum, um die Stickoxidwerte weiter zu drosseln. Für Meteorologin Rose ist der 20-Mikrogramm-Grenzwert nur einzuhalten, wenn ein großer Teil der privaten Fahrzeuge E-Autos sind. Da in diesem Jahr, nach dem Wegfall der Kaufprämie, der Zuwachs an reinen Elektrofahrzeugen in Frankfurt stagnierte, ist dies kein einfacher Weg.

Gesetzliche Vorgaben sollen Kommunen helfen

„Auf uns in den Städten wartet eine Mammutaufgabe“, bestätigt Offenbachs Bürgermeisterin Sabine Groß. Offenbach habe seine Busflotte fast zur Hälfte elektrifiziert. Es bleibe die Frage, was die Stadt noch tun könne, um die Belastung zu senken.

Die Grünenpolitikerin lobt das Ziel der EU, die Gesundheit der Bürger zu schützen, vor allem jener, die an stark belasteten Straßen wohnten. Der Beschluss der EU sei notwendig. „Ohne gesetzliche Vorgaben schaffen wir es als Kommunen nicht, für saubere Luft zu sorgen.“

Für Rose ist in Deutschland die Luftverschmutzung der „größte umweltbezogene Risikofaktor für den Verlust von Gesundheit“. Die Ursache für schlechte Luft liege zu einem Großteil in der Verbrennung von fossilen Treibstoffen. Die seien auch maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. Mit der Reduzierung der Verbrennermotoren auf den Straßen werde also Gutes für die Luftqualität und das Klima getan.