
M illionen Menschen generieren heute Bilder mit KI, was unsere visuelle Kultur grundlegend verändert. KI-Bilder fallen oft durch dramatische Lichtstimmungen, gesättigte Farben und einen bizarren Hyperrealismus auf. In den Social Media und in medienanalytischen Texten werden sie oft abwertend als „Slop“ (Abfall, Ausscheidungen) bezeichnet: als kultureller Schund. Und sie werden zunehmend als „Ästhetik der Rechten“, als hilfreicher visueller Bullshit-Generator und Propagandainstrument wahrgenommen und kritisiert.
Der Bildwissenschaftler Roland Meyer analysierte in seinem Essay „Echte Emotionen“, wie bestimmte ästhetische Tendenzen von KI-Bildern und ihren Trainingsdaten – besonders die nostalgischen Anklänge – mit rechtspopulistischen Affektpolitiken korrespondieren. Der britische Autor Gareth Watkins hat Slop sogar als „faschistische Ästhetik“ bezeichnet.
Nun ist die ideologische Sortierung kultureller Phänomene in „rechts“ und „links“ generell ein fragwürdiges Unterfangen. So reduziert auch die Behauptung, gewisse ästhetische Qualitäten seien inhärent „rechts“, komplexe visuelle Traditionen auf plumpe politische Schlagworte.
Tatsächlich aber sind Nostalgie und Pathos keine exklusiven Markenzeichen rechter Bildsprache, sondern waren oder sind Bestandteile zahlreicher kultureller Strömungen quer durch das politische Spektrum – ob im Sozialistischen Realismus, bei Hollywood oder in der Werbeindustrie.
Natürlich nutzen rechte Akteure die KI für ihre Zwecke – wie sie auch andere Medien instrumentalisieren. Aber auch in progressiven, dann allerdings meist subkulturellen Kreisen wird generative KI genutzt. Designer und Künstler:innen wie Charlie Engman oder Jess Mac möchten gerade nicht Altes wiederkäuen, sondern kritisch hinterfragen. Und neben Zynismus und Beleidigungen finden sich im KI-Universum genauso Profile wie @niceaunties, die ihre Follower mit lustigen Slop-Bildern „herzliche Umarmungen“ und „nette Snacks“ versprechen.
Fatale Konsequenzen
Die generelle Zuschreibung von „Slop“ als „rechts“ hätte zudem fatale Konsequenzen. Erstens überlässt sie der politischen Rechten ein mächtiges ästhetisches Territorium – und spielt ihrem Narrativ in die Hände, sie repräsentiere das Authentische und Populäre gegen ein vermeintlich elitäres, kaltes Establishment. Zweitens führt diese Kategorisierung zu einer ästhetischen Selbstzensur bei nichtrechten Akteuren.
Wenn es dazu käme, dass KI-generierte Bilder als rechts gelten, besteht die Gefahr, dass Progressive diese Ausdrucksformen meiden und diese sich nur einseitig entwickeln. Damit werden wirksame visuelle Strategien für gegenkulturelle Anliegen blockiert, und die emotionalen Register bleiben der Rechten überlassen.
Mit dem Schlagwort „Slop“ kehrt im Übrigen die bildungsbürgerlich geprägte Kritik der Massenkultur wieder. Wogegen sich viele kritische Stimmen letztlich eben auch wenden, ist der populäre, nivellierende Charakter der KI-Bildgenerierung.
Sprengkraft der Imagination
Die Abwertung der bildlichen „Gefälligkeiten“ bestätigt so, vermutlich ungewollt, exakt jene Erzählung, die rechte Bewegungen über eine vermeintliche „linke Bildungselite“ pflegen: dass diese den Geschmack der Vielen verachte und Werte wie Schönheit und Zugänglichkeit ablehne.
Wer KI-Bilder vorschnell als „rechts“ abtut, verkennt ihre eigentliche Sprengkraft. Sie sind Ausdruck einer kollektiven visuellen Imagination und kraftvolle „Wunschmaschinen“, wie Meyer sie nannte. Die schillernde Ambivalenz von Slop – zwischen Ironie und Ernst, Fake und Realität – ist vielleicht kein Bug, sondern das eigentliche Feature dieser Bildrevolution.
Statt diese visuelle Goldgrube Rechten und Autoritären zu überlassen, sollte die progressive Kultur aufhören, sich vor der demokratisierten Bildmacht zu fürchten. Es geht jetzt darum, sie innovativ zu nutzen. Andernfalls werden wir in einer grotesken kulturpolitischen Schleife gefangen bleiben: Während wir über die vermeintlich „rechte“ Slop-Ästhetik theoretisieren, erobert die Rechte ungestört die Bildwelt des 21. Jahrhunderts.