
Die Energiewende ist in vollem Gange, aber beim Thema Heizungstausch herrscht Unsicherheit und Unmut. Wie läuft so ein Heizungstausch eigentlich ab? Ohne einen Energieberater wird es schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen. Auch für die Fördermittel ist die Beratung essenziell. ntv.de hat mit Andreas Henning gesprochen, einem Energieberater, der für die Verbraucherzentrale Berlin arbeitet.
Herr Henning, muss ich mir einen Energieberater nehmen, wenn ich die Heizung tauschen will?
Andreas Henning: Wenn Sie Fördermittel haben wollen, brauchen Sie einen, sonst nicht. Der Fördermittelgeber, also der Bund, schreibt vor, dass Sie einen Energieberater einsetzen, der für Sie die Mittel beantragt und die Maßnahmen umsetzt und abstimmt. Das nennt man Baubegleitung.
Sind Energieberater immer förderfähig? Wie läuft das mit der Förderung?
Informationen können Sie sich jederzeit einholen. Bis zu einer Stunde Beratung in den Örtlichkeiten der Verbraucherzentrale ist kostenlos. Wenn jemand zu Ihnen nach Hause kommt, zahlen Sie 40 Euro. Auf dem freien Markt gibt es keine Zuschüsse. Normalerweise kostet eine Stunde Beratung 80 bis 100 Euro. Je nach Umfang der Beratung kostet ein Energieberater dann 500 Euro und mehr. Die Förderung für die Heizung und die Beratung kommen erst in Gang, wenn Sie sich entschieden und einen Vertrag mit einer Heizungsfirma abgeschlossen haben. Da sollte dann übrigens unbedingt im Vertrag eine Klausel drin stehen, dass Sie von dem Vertrag zurücktreten können, wenn die Förderung nicht kommen sollten, aus welchen Gründen auch immer.
Der Energieberater sollte vom Fördermittelgeber zugelassen sein. Die Liste findet sich unter energie-effizienz-experten.de. Idealerweise kommt der Berater bei Ihnen aus der Nähe, schon allein wegen An- und Abfahrt. So ein Energieberater ist wie eine Art Pfadfinder für die Menschen, die sich ja in diesem Dschungel der Fördermittel kaum zurechtfinden.
Angenommen, wir sind eine Eigentümer-Gemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus und wollen nun einen Energieberater ins Haus holen. Wie machen wir das?
Zunächst einmal bieten die Verbraucherzentralen Beratungsformate an. Das dient mehr der Orientierung für den ersten Schritt. Die schauen sich entweder vor Ort die Begebenheiten an oder Sie gehen zu den Verbraucherzentralen für ein Gespräch. Und dann gibt es den freien Markt der Energieberater. Unter der bereits genannten Adresse finden Sie die Berater, die für die Förderprogramme des Bundes zugelassen sind. Bei der Energieberatung auf dem freien Markt geht es auch schon in die Planung hinein.
Der erste Schritt sollte sein, erstmal zu gucken: Ist mein Haus zukunftsfähig? Kann es überhaupt mit Erneuerbaren wirtschaftlich beheizt werden? Stichwort: Ist mein Haus niedertemperaturfähig? Das sind Gebäude, die mit geringen Vorlauftemperaturen geheizt werden. Wenn ich eine Fußbodenheizung habe, brauche ich im Heizsystem nur eine geringe Vorlauftemperatur von 30 bis 35 Grad. Das ist ideal für eine Wärmepumpe oder Fernwärme.
Wo das nicht der Fall ist, brauche ich höhere Temperaturen von 60 Grad oder noch mehr. Da kommt die Frage auf: Was kann ich tun, damit das Haus niedertemperaturfähig wird? Das können Dämmmaßnahmen sein, ein Fensteraustausch oder eine Dachdämmung. Das wäre schon ein größeres Ausmaß an Baumaßnahmen. Dann schaue ich mir auch das Verteilnetz an. Sind die Heizkörper dafür geeignet, die Räume anständig warm zu machen mit einer niedrigeren Vorlauftemperatur? Gegebenenfalls können Heizkörper ausgetauscht werden.
Kommt denn ein Heizkörpertausch günstiger als eine Fassadendämmung?
Naja, das muss man dann sehen. Eine Fassadendämmung ist nicht günstig. Aber das BAFA, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, das gehört zum Wirtschaftsministerium, bietet einen individuellen Sanierungsfahrplan an. Wie sehen die einzelnen Bauteile aus? Da kann ein abgestuftes Sanierungskonzept sinnvoll sein. In welcher Reihenfolge setze ich die Maßnahmen durch, was ist zu beachten, dass da keine Fehler eingebaut werden? Da hilft ein Energieberater weiter, weil der eine Bestandsaufnahme des Gebäudes macht und die Maßnahmen aufeinander aufbaut.
Wichtig ist auch die Frage: Wann sind welche Schritte wirtschaftlich sinnvoll? Die Eigentümer müssen ja auch eine Instandhaltungsrücklage aufbauen, da tun kurzfristige Maßnahmen mitunter sehr weh. Ein Sanierungsfahrplan hilft da weiter, um die Rücklagen aufzubauen und das Finanzielle zu klären. Die Verbraucherzentralen machen keinen Sanierungsfahrplan, aber ein registrierter und zugelassener Energieberater kann das in der Regel machen. Man sollte darauf achten, dass die unabhängig beraten – also nicht von einer Firma sind, die ein Interesse daran hat, Baumaßnahmen durchzuführen.
Ein erster Schritt könnte eine unabhängige Beratung bei der Verbraucherzentrale sein, um einen Eindruck zu kriegen, was überhaupt sinnvoll ist. Im zweiten Schritt könnte man dann eine Vor-Ort-Beratung in Anspruch nehmen.
Das kostet dann aber Geld?
Ein Sanierungsfahrplan ist kostenpflichtig, wird aber vom Bund bezuschusst. Auch dieser Zuschuss kommt vom BAFA. Wir wissen nicht, wie lange das noch bezuschusst wird, wir haben ja bald Wahlen. Das ist aber ein gutes Instrument, um einen Gesamteindruck zu kriegen, was möglich ist vor dem Hintergrund, einen Heizungswechsel vorzunehmen. Es ist ja das große Ziel, CO2 einzusparen und da ist die Heizung natürlich ein gewichtiges Pfund.
Aber es ist ja nicht nur die CO2-Einsparung. Auf die Bürger kommen wegen der steigenden CO2-Preise ja gegebenenfalls enorme Zusatzkosten zu …
Natürlich. Was kostet mich die Tonne CO2 in der Zukunft, ist eine wichtige Frage. Da gibt es wilde Prognosen. Wir sind jetzt bei 55 Euro pro Tonne. 2027 kommt der Gebäudesektor in den europäischen Emissionshandel hinzu. Der Preis wird dann steigen, sicherlich auf etwas zwischen 120 und 200 Euro pro Tonne – eine teure Sache. Und das ist nur das eine Thema. Zusätzlich haben wir die Anforderung, die Klimaziele zu erreichen. Im Rahmen des EU-Green-Deals ist da durchaus mit weiteren Verschärfungen zu rechnen.
Wie darf ich mir das rein praktisch vorstellen? Kommt der Energieberater zu mir nach Hause?
Es gibt unterschiedliche Beratungsformate. Sie können in die Beratungsstützpunkte der Verbraucherzentralen kommen. Da können Sie kostenfrei bis zu einer Stunde beraten werden – als Einstieg ist das gut. Und dann gibt es aufsuchende Beratung, bei der der Energieberater ins Haus kommt. In der Praxis ist das oft so, dass von einer Eigentümer-Gemeinschaft der Beirat zur Beratung kommt. Wir können auch zu einer Eigentümer-Versammlung kommen und da einen Vortrag zum Thema Heizungstausch halten, das ist durchaus möglich.
Ein Berater kann auch einen klassischen Heizungseignungscheck machen. Da schaut der Berater mal in den Heizungskeller rein und macht eine Bestandsaufnahme, was sinnvoll ist und was nicht, und gibt dann eine Empfehlung ab. Ist eine Pelletheizung möglich, könnte man Erdwärme nutzen? Kann man eine Luftwärmepumpe nehmen? Das ist dann aber noch allgemein, das ist noch keine Planung.
Weiß der Energieberater, ob in meinem Wohnviertel eine Erdwärmepumpe möglich ist?
Nein, nicht von vornherein. Es gibt ja auch Bereiche, wo Erdbohrungen nicht möglich sind, in Wasserschutzgebieten zum Beispiel. Da weiß jeder Energieberater beim Blick auf die Karte, dass da nichts geht. Man kann bei Erdwärme auch nicht beliebig viel Wärme entziehen, da ist die Geologie entscheidend. In Ihrem Beispiel in Köln werden Sie am Rhein wahrscheinlich viel Wärme entziehen können. Dann kann man im Rahmen einer Beratung abklären, ob es zum Beispiel sinnvoll ist, Erdwärme weiter zu verfolgen.
In sehr eng bebauten Gebieten, ich sage mal in Berlin der fünfte Hinterhof, da komme ich mit dem Bohrgerät schon gar nicht hin. Da wäre dann vielleicht eine Luftwärmepumpe eine Möglichkeit. Zugrunde liegt immer die Frage: Ist eine Wärmepumpe geeignet, das Gebäude wirtschaftlich zu beheizen? Auch die Geräuschentwicklung der Pumpe spielt da eine Rolle in so eng bebauten Gebieten. Oder heize ich vielleicht mit Holzpellets? Das könnte interessant sein bei Häusern, die denkmalgeschützt sind. Da kann man nicht einfach die Fassade dämmen.
Bei den Pellets braucht man aber Platz …
Ja, natürlich, auch das prüft ein Energieberater. Ist ein Lagerraum vorhanden? Es können auch bestehende Räume genutzt werden. Wer jetzt mit Heizöl heizt, benötigt ja auch Platz für den Tank. Man muss aber auch sagen, wir können nicht alle mit Pellets heizen, dann wären unsere Wälder in wenigen Jahren weg. Das ist streng genommen nicht nachhaltig. Deshalb habe ich das Beispiel vom denkmalgeschützten Haus genommen. In Großstädten käme beim Heizen mit Holz ja auch noch die Feinstaubbelastung hinzu, die da eh schon meist hoch ist. Da müssten dann noch Filter eingebaut werden.
Wie ist das bei Mehrfamilienhäusern? Reicht denn überhaupt eine Wärmepumpe oder brauche ich mehrere?
Wärmepumpen haben unterschiedliche Leistungen. Es gibt eine bestimmte Heizkesselleistung, die ist allerdings auf die Maximalleistung ausgelegt. So, dass die Pumpe das Gebäude auch am kältesten Tag des Jahres warm bekommt und auch noch Warmwasser bereitstellen kann. Oft haben wir sogar im Winter Temperaturen, bei denen wir nur 20 oder 30 Prozent der maximalen Heizkesselleistung brauchen. Was kann man tun? Man kann wie in einem Kaskadensystem die Wärmepumpen hintereinander schalten. Und je nach Bedarf wird dann eine weitere Pumpe hinzugeschaltet.
Das muss gut geplant werden. Ich sage immer, eine Wärmepumpe ist wie ein Maßanzug. Da muss man wissen, wie hoch der Wärmebedarf eines Gebäudes ist. Da wird eine Raumtemperatur zugrunde gelegt in der Planung, sagen wir mal 20 Grad. Dann wird der Warmwasserbedarf ermittelt. Davon sollte man nicht groß abweichen, sonst schafft es die Pumpe gegebenenfalls nicht mehr, die Wärme kostengünstig bereitzustellen.
Also die Räume sollten dann eben nicht auf 24 Grad geheizt werden. Und vielleicht schmeißt noch das halbe Haus die Sparduschköpfe raus und baut diese Regenwaldduschen ein. Dann kommt die Pumpe an die Grenzen und benötigt deutlich mehr Energie. Dann wird es eben teurer. Deshalb mein Beispiel mit dem Maßanzug – man sollte nicht dicker werden. Eine Wärmepumpe schafft alles, aber irgendwann eben nicht mehr kostengünstig und effizient. Das schafft sie, wenn man sich an die Rahmenbedingungen hält.
Und wenn ich mir mit Photovoltaik auf dem Dach noch eigenen Strom bereitstelle?
Damit können Sie sich theoretisch helfen. Nur haben wir bei PV das Problem eines antizyklischen Verhaltens. Wenn bei uns viel die Sonne scheint, ist es meist warm draußen. Das ist im Sommer so und das kann dann sinnvoll für Klimaanlagen sein. Im Dezember, Januar, Februar haben wir einen hohen Heizwärmebedarf, aber ein geringes Solarangebot, weil es oft bedeckt ist und die Tage kürzer. Als Faustregel gilt: So 20 bis 25 Prozent des Bedarfs der Heizwärme können von einer PV-Anlage abgedeckt werden. Eine PV-Anlage kommt also nicht primär wegen der Heizung auf das Dach, sondern wegen des Strombedarfs im gesamten Gebäude. Ich möchte ja möglichst viel von meinem selbst produzierten Strom nutzen, damit ich weniger einkaufe. Den Eigenstromverbrauch treibe ich mit einer Wärmepumpe schon hoch.
Ich muss die Heizung noch nicht gleich austauschen, oder?
Nein, die kann mit fossilen Energien weiter betrieben werden. Aber auch da gibt es Schritte, die einem Maßnahmen vorschreiben. Ab 2029 müssen 15 Prozent erneuerbare Energien enthalten sein. Das werden bei Gasheizungen dann Biogase sein. Und diese Anteile steigern sich im Laufe der Jahre. Da ist eine Energieberatung absolut sinnvoll, um den großen Rahmen einmal abzustecken.
Was wird dann da einfließen in meine Heizung?
Bei Gasheizungen sind das Biogase, also Bio-Methan. Verträge darüber können Sie jetzt schon abschließen. Das ist wie mit grünem Strom, sie können auch grünes Gas kaufen. Bei Öl wird es kompliziert. Da werden Mineralöle gemischt mit Bio-Öl, so wie E10 an der Tankstelle. So etwas gibt es auch für Heizöl. Die Verfügbarkeit ist aber begrenzt. Da ist die Frage, wird es in Zukunft mehr davon geben, werden wir die vielleicht synthetisch herstellen? Und steht das in den benötigten Mengen überhaupt zur Verfügung? Wir haben da ja nur begrenzte Anbauflächen auf den Äckern. Bei den Biogasen ist es einfacher, weil da mehr Abfallprodukte reingehen wie Grünschnitt, Kuhmist und so weiter. Bei den Ölen steht ein ganz anderer Prozess dahinter. Ich glaube nicht, dass das jemals in großen Mengen zur Verfügung stehen wird. Das Ziel ist einfach, elektrisch zu heizen und die Wärmepumpe überall einzubauen oder eben Fernwärme, Flusswärme und Erdwärme bereitzustellen.
Also wird ab 2029 auch das Bio-Gas teurer werden?
Wir leben mit Angebot und Nachfrage, klar. Das sieht man ja auch an den Pelletpreisen, die Schwankungen unterliegen. Die Weltlage spielt eine Rolle bei Öl und Gas. Aber Biogase sind eben nicht unendlich. Vielleicht geht es Mitte der 30er Jahre dann ein wenig beim Wasserstoff voran, aber ich gehe davon aus, dass der eher für die Industrie gedacht ist als für die Beheizung der Häuser.
Und wenn ich einfach meine alte Heizung weiternutzen will?
Wenn Sie Ihre Gas- oder Ölheizung weiter nutzen wollen, sollten Sie sich auch besser mit einem Energieberater zusammensetzen, damit Sie Bescheid wissen, was da mit CO2-Steuer und den steigenden Preisen auf Sie zukommt. Der wird auch die Vorteile erneuerbarer Energien und die Nachteile, die durch die Weiternutzung fossiler Energien kommen, genauer beleuchten.