„Die Suppe ist versalzen, da muss der Koch wohl verliebt sein.“ Wer hat diesen Spruch nicht schon mal zu den Tischnachbarn geraunt, wenn das servierte Gericht tatsächlich zu salzig war?
Die Stimmung beim Kochen finde immer Eingang in das, was man kocht, schreibt die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin und begeisterte Köchin Elisabeth Bronfen in ihrem neuen Buch „Kochen nach Laune“. Darin hat die Münchnerin Rezepte für jede Gemütslage zusammengestellt – für Eilige, Frostbeulen, für Trübsinnige oder Fröhliche oder aber Experimentierfreudige. „Stimmungsküche“ nennt die Autorin das, aber jenseits der etwas esoterischen Anmutung dieses Wortes ist Bronfen mit „Kochen nach Laune“ eines der geistreichsten, tröstlichsten kulinarischen Bücher des Jahres gelungen.
Bronfen hatte lange den Lehrstuhl für Anglistik an der Universität Zürich inne, mittlerweile ist sie Professorin an der New York University. Ihre Leidenschaft für Sprache macht die Texte zu einem Highlight von „Kochen nach Laune“. „Mit meiner Stimmungsküche gehe ich davon aus, dass wir als Reaktion auf unsere Gefühle kochen und essen“, schreibt Bronfen. Und das führt sie genauso detailliert wie charmant aus. Natürlich – da ist Bronfen ganz Kulturwissenschaftlerin – darf auch der Verweis auf die ein oder andere historische Quelle nicht fehlen, bis hin zu Galens Säftelehre.
In der Küche lässt sich Selbstwirksamkeit erleben
Bronfens Texte sind von einer tiefen Liebe zum Kochen geprägt. Und von dem Bewusstsein darum, dass das In-der-Küche-Stehen, Zutatenschneiden, Zusammenbringen, Garen und Anrichten einer der einfachsten Wege ist, die eigene Laune zu heben. Modern psychologisch gesprochen: In der Küche lässt sich, wie kaum woanders, das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle erleben. Vermutlich einer der Gründe, warum in der Pandemie kulinarische Hobbys auf einmal sehr beliebt waren. Und es stimmt ja: Wenn ein Gericht gelingt, dann hebt das Bewusstsein, dass man es selbst zubereitet hat, fast immer die Laune. Genauso wie das gefräßige Schweigen, das genussvolle „mmmh“ oder das Lob der Esser.

Bronfen betrachtet das Kochen auch philosophisch. Über die Zutaten trete man in Verbindung mit vielen anderen Menschen und lebenden Organismen, von denen direkt abhängt, was man auf den Teller bringen kann. Bronfen bemüht literarische Vorbilder, Marcel Proust natürlich, der gerade in den ersten beiden Bänden von „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ die künstlerischen Qualitäten des Kochens beschwört wie kein Zweiter und der mit der legendären Madeleine-Episode das literarische Beispiel schlechthin für die Kraft des Kulinarischen zu Papier gebracht hat.
Kochen – schreibt Bronfen daran anknüpfend – habe immer auch mit Erinnerung zu tun. Und so wie ein Stück Kuchen Trost spenden kann, weil es schmeckt wie früher bei Oma, genau so könne man Kochen auch einsetzen, um mit der eigenen Stimmung umzugehen. „Lässt man sich bewusst davon leiten, worauf man zu kochen Lust hat, dann stimmt auch das, was in der Küche entsteht“, schreibt Bronfen.
Trübseligen soll Ramen Trost spenden
Mit jeder neuen Seite überrascht Bronfen. Wer Zeit hat, kann sich in diesem Buch mit Gnocchi-Rezepten austoben oder einen Challah backen – einen kunstvoll geflochtenen Sesamzopf aus der jüdischen Küche. Trübseligen soll Ramen mit Camembert, Prosciutto und Kohlrabi Trost spenden – allein diese wild anmutende Kombination tut es schon. Es ist schön zu sehen, wie Bronfens Kochbuch ohne falsche Beschränkungen in allen Küchen wildert, sich das Beste zusammensucht und in ganz eigene Rezepte überführt.

Das einzige Manko dieses phantastischen Buchs ist, dass es als Kochbuch für den Alltag nicht sonderlich viel taugt. Die Bindung erlaubt kaum, es aufgeschlagen hinzulegen. Die Anleitungen als Fließtext, kaum von Absätzen unterbrochen und teilweise über mehrere Seiten hinweg, machen es nicht leicht, die Arbeitsschritte im Blick zu behalten. Fast ist es, als ob die Anglistin geneigte Köche dazu zwingen möchte, die Rezepte vor der Umsetzung auswendig zu lernen. Für Ungeduldige, die erst loslegen und dann das Rezept durchlesen, ist Bronfens Stimmungsküche also nicht wirklich was.
Wer allerdings einen reichen Erfahrungsschatz im Umgang mit Zutaten mitbringt, der wird gut klarkommen. Bronfens Stimmungsküche ist zwar eine, die wunderbar intellektuell und geistig grundiert ist, aber trotz allem mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Die meisten der Rezepte in „Kochen nach Laune“ sind in verschiedenen Varianten der Hausmannskost verwurzelt. Schweizer Einflüsse lassen sich da genauso erschmecken und erlesen wie Einflüsse aus Italien oder generell Mitteleuropa.
Mit charmanten, einfühlsamen Texten, die Lust aufs Kochen machen, ist „Kochen nach Laune“ ein besonderes Buch, nicht unbedingt in erster Linie ein Kochbuch, eher ein kulinarisches Buch, das inspiriert, unterhält und vor allem Hunger macht.
