Herr Valkonen, diese Frage muss sein: Wie oft gehen Sie in die Sauna?
Zu selten. Aber einmal in der Woche muss es schon sein. Und im Sommer, wenn wir in den Ferien in unserer Sommerhütte sind, dann gehen wir jeden Tag.
Was ist die typische Saunazeit?
Abends, aber manchmal gehe ich mit meiner kleinen Tochter auch nachmittags. Sie ist jetzt drei und ist es von Anfang an gewöhnt, mit in die Sauna zu kommen. Als sie noch sehr klein war, hat sie in einem Eimer mit Wasser gesessen, aber inzwischen mag sie es auch, neben uns auf der Bank zu sitzen.
In der Sauna ist auch die Idee für die Brennerei entstanden, die Sie mit vier Freunden gegründet haben – oder ist das nur eine Legende?
Es ist tatsächlich eine Legende, aber eine wahre Legende und keine Marketinggeschichte. Allerdings war es ein bisschen komplizierter, als es in der Legende klingt.
Also, der entscheidende Punkt ist, dass wir nicht alle fünf an jenem Abend im Mai 2012 in der Sauna waren, sondern nur drei von uns, nämlich Miko, Miika und Mikko. Aber sie haben – so wie wir es in unserer Firmengeschichte schreiben – wirklich amerikanischen Roggenwhisky getrunken, nämlich Rittenhouse Rye. Miika hat die Flasche mitgebracht und dann gejammert, dass es in Finnland zwar jede Menge Roggen gibt, aber keine einzige Brennerei, die Roggenwhisky macht. So ist die Idee entstanden, und die drei haben dann Jouni und mich angesprochen. Miko hat mich gefragt, ob ich mich mit Roggenwhisky auskenne.
Und? Kannten Sie sich aus?
Nein, aber ich habe Umweltökologie studiert und nebenbei auch Brau- und Destillationskurse belegt – und ich war ein enthusiastischer Heimbierbrauer. Das geht auf mein Austauschjahr zurück, das ich als Schüler in Deutschland verbracht habe. Da war ich in Schwäbisch Hall und habe gelernt, gutes Bier zu trinken. Als ich wieder in Finnland war, musste ich feststellen, dass hier kaum anständiges Bier gebraut wurde. Deshalb habe ich selbst damit angefangen. Na ja, und als Miko nach dem Roggenwhisky fragte, hat mich das nicht mehr losgelassen. Wir haben uns das Know-how angelesen und jede Menge Versuche gemacht, einen richtigen Businessplan ausgearbeitet und schließlich die alte Molkerei in Isokyrö bezogen.
Dort haben Sie den ersten Kyrö Malt Rye Whisky gebrannt . . .
Ja, das war im April 2014. Aber uns war von Anfang an klar, dass wir nicht nur Whisky produzieren konnten.
Ein Whisky muss mindestens drei Jahre lang im Fass lagern, bis man ihn abfüllen und verkaufen kann. Wir hatten alle unser gesamtes Geld in die Brennerei gesteckt, unsere Häuser beliehen und Kredite aufgenommen, aber das war nicht genug, um diese ersten Jahre zu überbrücken. Und so sind wir auf die Idee gekommen, Gin zu brennen, denn den kann man im Grunde sofort verkaufen.
Außerdem war Gin gerade sehr populär.
Nicht in Finnland. Der Ginboom hat hier eigentlich erst mit unserem Kyrö Gin angefangen, wenn ich das so unbescheiden sagen darf. Aber das war zunächst ziemlich schwierig, denn in Finnland sind die Alkoholgesetze besonders streng. Man darf hier keinerlei Werbung für Alkohol machen, und wir durften am Anfang nicht einmal eine Internetseite schalten, auf der wir auch nur erwähnen konnten, dass wir eine Whisky- und Gindestillerie gegründet hatten. Darum haben wir inzwischen einen deutschen Kyrö-Sitz in Berlin, über den wir unser internationales Geschäft inklusive Marketing abwickeln.
Darum kann man hier in der Destillerie auch keinen Gin oder Whisky kaufen?
Ganz genau. Wir haben hier in unserer Brennerei inzwischen jedes Jahr 15.000 Besucher, die können zwar eine Verkostung machen, aber keine Flaschen kaufen. Das geht nur in den Läden des staatlichen Monopols Alko.
Noch einmal zurück zum Gin: Der hat 2015 einen internationalen Preis bekommen.
Ja, das war schon kurios: Wir hatten am Anfang ja auch keine Ahnung vom Ginbrennen und mussten das im Prinzip erst mal googeln. Am Ende haben wir Neutralalkohol aus finnischem Roggen und als Botanicals heimische Kräuter und Beeren genommen und 2014 erst einmal ein paar Tausend Flaschen abgefüllt. Tja, und ein Jahr später haben wir bei der International Wine and Spirit Competition in London den Preis für den besten Gin für Gin Tonic bekommen – und alles ist explodiert. In dem Jahr haben wir 100.000 Flaschen Gin verkauft, 2016 dann 300.000, und 2022 waren es 600.000 Flaschen. In Finnland ist unser Gin der meistverkaufte.
Was macht ihn denn so besonders?
Lassen Sie uns einen Schluck nehmen, dann werden Sie schon sehen . . .
Gerne. Hm, der ist sehr mild, weich und verhältnismäßig süß. Und nicht so zitruslastig wie viele andere Gins.
Ja, er ist unsere Interpretation des finnischen Sommers, und darum bekommt er sein Aroma nicht von Zitronen, sondern von Kräutern und Beeren, die hier in Westfinnland nah an der Ostsee wachsen: Mädesüß, Birkenblätter, Sanddorn, Moosbeeren, also Cranberrys, finnischer Koriander. So harmoniert er mit Tonic Water, man kann ihn aber auch sehr gut pur trinken.
Haben Sie eine Tonic-Empfehlung für uns?
Wir bevorzugen Fever Tree Indian oder Schweppes Dry.
Der Erfolg Ihres Gins hat die finanzielle Basis für Ihre eigentliche Leidenschaft gelegt: den Roggenwhisky.
Ganz genau, darum haben wir die Brennerei ja gegründet. Aber die Ginexplosion hat erst einmal dazu geführt, dass wir ein Jahr lang nur Gin und keinen Whisky gebrannt haben, weil wir zunächst nur eine Destillationsanlage hatten.
Und wann ist der erste Whisky auf den Markt gekommen?
Im August 2017 haben wir die ersten Flaschen verkauft, und es läuft inzwischen sehr gut. Aber die Finnen sind eigentlich keine Whiskytrinker, wir müssen viel Überzeugungsarbeit leisten.
Was trinkt der Finne traditionell?
Wenn der Finne Schnaps trinkt, dann trinkt er Wodka. Das ist der Einfluss der baltischen und russischen Tradition, die im Grunde auf Wodka, Kartoffeln, Fleisch und Bier hinausläuft. Und wenn es etwas feiner sein soll, dann trinkt der Finne Cognac. Die Whiskykultur hat sich in den vergangenen Jahren zwar entwickelt – aber die Schweden zum Beispiel trinken immer noch achtmal so viel.
Wie würden Sie Ihren Kyrö Malt Rye Whisky charakterisieren?
Er ist unser flüssiges Roggenbrot. Die erdigen, würzigen Noten des Roggens sind die Basis, und dann kommen durch die Reife in unterschiedlichen Fässern Aromen von Vanille, Karamell, Honig und Früchten dazu. Aber lassen Sie uns mal einen Schluck nehmen.
Mit Vergnügen. Hm, er ist sehr sanft und hat eine deutliche, aber nicht übertriebene Süße – erst frisch und fruchtig in der Nase und im Mund dann vor allem karamellig-würzig.
Ja, im Vergleich zu vielen amerikanischen Rye Whiskys ist unser Kyrö Malt viel milder und wärmer und nicht so kantig und scharf. Das macht der finnische Vollkornroggen, der macht den Whisky so intensiv und reichhaltig. Wegen der schwierigen Witterungsbedingungen hat er kleine, zähe Körner, aber die bieten einen besonders intensiven Geschmack. Das ist die Kyrö-Handschrift.
Welchem Stil folgen Sie dabei, dem amerikanischen oder dem schottischen?
Wir versuchen, beide Stile zu unserem eigenen, finnischen Stil zu vereinen. Bei der Fermentation arbeiten wir eher wie die Amerikaner, mit der zweifachen Destillation in klassischen Potstills dagegen wie die Schotten. Und bei der Reifung haben wir eine Kombination: Wir lagern den Whisky in amerikanischer Eiche, sowohl in gebrauchten Bourbonfässern als auch in neuen Fässern. Und am Ende wird aus den verschiedenen Fässern der Kyrö Malt Rye geblendet, sodass er immer ein wiedererkennbares Profil hat.
Nutzen Sie auch andere Fässer?
Ja, wir machen inzwischen regelmäßig unterschiedliche Spezialitäten als Limited Edition, die in Rot- und Süßweinfässern wie Amarone, Vin Santo und Monbazillac oder Sherryfässern gereift sind. Der erste Whisky dieser Art war unser Kyrö Malt Rye Oloroso. Den haben wir zum ersten Mal 2017 gemacht, als Finnland 100 Jahre Unabhängigkeit von Russland gefeiert hat. Und wir waren nach drei Jahren selbst ein bisschen überrascht, wie gut sich unser Roggenwhisky in diesen alten Oloroso-Sherry-Fässern entwickelt hat. Probieren Sie mal . . .
Danke. Oh, die typischen Sherryaromen sind wirklich sehr deutlich zu schmecken: Trockenfrüchte, Rosine, Nüsse – sehr vollmundig und wärmend.
Wir nennen ihn unseren Brunchwhisky, weil er so weich und schmelzig ist – ein schöner zugänglicher Einsteigerwhisky, der es einem mit seiner harmonischen Fülle leicht macht, ihn zu mögen.
Wie viele schottische Destillerien haben Sie aber auch einen rauchigen Whisky im Programm.
Tatsächlich haben wir zwei rauchige Whiskys: unseren Kyrö Wood Smoke und unseren Kyrö Peat Smoke.
Wird der erste mit Holz statt mit Torf geräuchert? Das wäre sehr ungewöhnlich.
Wissen Sie, wir Finnen lieben Rauch. Wir sitzen gerne am Lagerfeuer, wir räuchern Fisch, Käse und Schinken, es gibt sogar Rauchsaunas. Und für all das nehmen wir immer Erlenholz, das ist unser klassisches Räucherholz, so wie in Deutschland meist über Buche geräuchert wird. Außerdem gibt es in Finnland die alte Tradition, Roggen über Erlenholzfeuer für den Winter zu trocknen – und so sind wir auf die Idee gekommen, unseren Roggen für den Kyrö Wood Smoke ganz traditionell mit Erlenholz zu räuchern. Lassen Sie uns mal probieren.
Oh, das ist wirklich etwas Besonderes: Das ist ganz deutlicher Holzrauch in der Nase, tatsächlich wie am Lagerfeuer. Hm, ja, und im Mund wird diese Note noch intensiver und würziger.
Ja, dieser Rauch passt sehr gut zu der Würze des Roggens und gibt dem Whisky eine ganz andere Note als mit Torf.
Ich finde, das ist insgesamt feiner und eleganter als bei den meisten torfigen Whiskys, die ich kenne.
Genau so wollten wir es haben. Für Leute, die kräftigeren, rustikaleren Rauch mögen, haben wir unseren Kyrö Peat Smoke. Für den wird das Malz wie bei den Schotten mit Torf geräuchert, allerdings mit finnischem Süßwassertorf. Der ist allerdings zurückhaltender und milder als der schottische Torf mit seinen scharfen, mineralischen Noten. Das hängt mit der unterschiedlichen Vegetation und dem Klima zusammen. Unser Torf hat mehr grüne, harzige und vegetative Noten. Er ist dadurch typischer für Finnland und eignet sich im Übrigen auch perfekt für die Sauna.
Als kräftiger Schluck in der Hitze?
Nein, für den Aufguss. Ein paar Tropfen in das Aufgusswasser genügen, um die herrlichen Raucharomen in der ganzen Sauna zu verteilen. Das ist der Duft Finnlands.