Widerruf statt Kündigung
BGH erleichtert Ausstieg aus der Rürup-Rente
21.08.2025, 13:30 Uhr
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Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Besitzern einer Rürup-Rente gestärkt. Ist der Vertrag fehlerhaft, können sie auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen und an ihr Geld kommen. So geht man vor.
Eine Basisrente – auch Rürup-Rente genannt – entwickelt sich für Versicherte nicht selten zur bösen Überraschung. Gerade Selbstständige nutzen einen solchen Ansparvertrag für die Altersvorsorge. Dabei dient die steuerliche Absetzbarkeit eines Großteils der Beiträge häufig als Köder.
Doch wird dabei oft übersehen, wie unflexibel Basisrenten sind: keine Möglichkeit zur Kündigung, hohe Kosten, Auszahlung im Alter nur als monatliche Beiträge. Immer wieder berichten uns Besitzer von Rürup-Renten, dass sie bei Abschluss ihres Vertrags von diesen Nachteilen nichts wussten.
Widerruf als Notausgang
Doch die deutschen Gerichte haben schon mehrfach einen Notausgang aus einer solchen Police gewiesen. Zwar ist eine Rürup-Rente nicht kündbar. Ist der Versicherungsvertrag jedoch fehlerhaft, so kann ihn der Kunde widerrufen und auf diese Weise an sein Geld kommen. Ein erfolgreicher Widerruf führt nämlich zur Rückabwicklung des Vertrags und somit zur Auszahlung der angesparten Beiträge. Wie Vertragsfehler aussehen, die zum Widerruf berechtigen, dazu gibt es viele Gerichtsurteile, bis hin zum BGH.

Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf. Sie hilft bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in Finanzfragen und wird dabei von spezialisierten Anwälten unterstützt.
Doch häufig weisen Versicherungen den Widerruf des Kunden mit dem Argument der sogenannten Verwirkung zurück. Sie argumentieren: Selbst wenn der Vertrag Formfehler enthält, so ist das Widerrufsrecht verwirkt, wenn der Kunde durch eigene Handlungen zu verstehen gibt, dass er an dem Vertrag festhalten will. Er verhalte sich in einem solchen Fall widersprüchlich oder rechtsmissbräuchlich und verstoße gegen Treu und Glauben. Solche Handlungen können nach Ansicht der Versicherungen beispielsweise die Erhöhung der Sparrate sein oder die Zustimmung des Kunden zu neuen Vertragsbestandteilen. Doch dieser Argumentation hat der BGH (Az.: IV ZR 161/23) nun in einem aktuellen Urteil einen Riegel vorgeschoben.
BGH: Kein widersprüchliches Verhalten
Im fraglichen Fall ging es darum, dass die Besitzerin einer Basisrente zweimal den Sparbeitrag erhöht hatte. Erst acht Jahre später hatte sie dann den Widerruf erklärt. Diesen hatte das OLG Hamm (Az.: 20 U 342/22) zurückgewiesen, da sich die Kundin „widersprüchlich verhalten“ habe. Der Widerruf stehe nicht in Einklang mit der früheren Erhöhung der Beiträge.
Nichts da, sagt nun der BGH. Eine Erhöhung der Beiträge gehöre zur normalen Durchführung eines Lebens- oder Rentenversicherungsvertrags und beeinträchtige nicht das Widerrufsrecht des Kunden. Auch dass die Versicherte auf Wunsch der Versicherung geänderten Zertifizierungsbedingungen ihrer Police zugestimmt hatte, habe keine Auswirkung auf das Widerrufsrecht.
Gute Aussichten für Widerruf
Der BGH bleibt damit bei seiner verbraucherfreundlichen Rechtsprechung, wenn es um den Widerruf von Versicherungsverträgen geht. Bereits in einem anderen Urteil Anfang des Jahres (IV ZR 368/21) hatte der Senat entschieden, dass auch eine Kündigung oder eine Beitragsfreistellung einer Lebensversicherung kein Ausschlussgrund für einen Widerruf und eine daraus folgende Rückabwicklung ist.
Damit haben Besitzer einer Basisrente gute Chancen, durch einen Widerruf an ihr Geld zu kommen. Vorausgesetzt, ihr Vertrag weist Formfehler auf. Nach unseren Untersuchungen kann das beispielsweise bei diesen Versicherungen der Fall sein:
- Allianz
- Canada Life
- Ergo Vorsorge
- Generali / Aachen Münchener
- Gothaer
- PB Lebensversicherung / Postbank
- Signal Iduna bis 2010
- Standard Life, Proxalto, Aviva, Provinzial
- Zürich Deutscher Herold
Doch erfordert eine seriöse Aussage über die Widerrufbarkeit stets eine individuelle Prüfung. Betroffene sollten gar nicht erst versuchen, selbst zu bestimmen, ob ihre Rürup-Rente oder ihre Lebensversicherung fehlerhaft ist oder nicht. Denn dabei handelt es sich um ein komplexes Feld. Vielmehr sollten sie ihren Vertrag durch einen spezialisierten Rechtsanwalt prüfen lassen. Eine solche Prüfung ist beispielsweise – kostenlos und unverbindlich – bei der Interessengemeinschaft Widerruf möglich.
Über den Autor: Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf. Sie hilft bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in Finanzfragen und wird dabei von spezialisierten Anwälten unterstützt.