Wer macht denn eine „Office Warming Party“?

Typische Veranstaltungen im politischen Berlin heißen: Empfang, Konferenz, Hintergrundgespräch, sitzungswöchentliches Pressegespräch. Darunter mischen sich saisonale Highlights; gerade lud die Landesver­tretung von Rheinland-Pfalz zur „feierlichen Illumination des Weihnachtsbaumes“. Auffällig anders klingt da die Einladung zum „Office Warming“. Wer macht denn so was?

Man ahnt: eher junge Menschen, womöglich topmoderne, die „safe“ sagen, wenn sie „mit Sicherheit“ meinen, am Ende gar Politikberater, Agentur-People? So ist es. Fünf Läden – für Kenner: BNB, D64, Fink & Fuchs, polis­phere und RYO – haben sich zu einer Bürogemeinschaft zusammengetan, „um dem Regierungsviertel frischen Wind einzuhauchen“, wie sie schrei­ben, und bitten zur Besichtigung ihrer neuen Räume. Okay!

Alle tragen Tesakrepp mit ihrem Vornamen

Montag Abend, eine Altbauwohnung in Berlin-Mitte, ein Bierkasten hält die Tür auf. Krawattenfreie Zone, dafür sichtbare Tätowierungen (englischsprachige Wörter in serifenloser Schrift, geometrische Körper), Hoodies, wilde Haare, aber auch Hemden, Pullover, Brillen. Alle tragen Tesakrepp mit ihren Vornamen auf der Brust. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Leute mit Einfluss versammelt sind.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Ein Gast etwa, dessen Schild ihn als „Oliver“ ausweist, ist Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der kunststoffverarbeitenden Industrie, also ein Lobbyist, der Politiker bei gesetzgebenden Verfahren „begleitet“, wie man hier sagt. Er wird gerade herumgeführt von „Boris“, Executive Director bei Fink & Fuchs. Was machen die? Sie beraten Unternehmen zum Megathema Transformation, also etwa dazu, wie man Richtlinien aus Brüssel umsetzen kann.

Amazing: Bürotür mal anders
Amazing: Bürotür mal andersFriederike Haupt

Boris hat eine Flasche Crémant zur Hand und schenkt daraus auch großzügig aus; aber die überwiegende Zahl der Gäste bedient sich aus den Kühlschränken in mehreren Zimmern: Bier, Limo, Schorle, Wasser. Auf den Tischen stehen Schalen mit Salzstangen, Crackern, Popcorn. Durch einen Türschlitz, der zu einer Art Backstage des Büros zu führen scheint, ist ein Pizzakarton auf dem Schreibtisch zu sehen.

Gutes Gesprächsthema auch hier: Politik. Gast „Daniel“ ist seit 2005 „unglückliches SPD-Mitglied“. Er trat ein, als Gerhard Schröder Neuwahlen herbeiführte; den Mann fand er gut. Und wen heute? Daniel überlegt. Eines seiner Kriterien ist: Mit wem würde man ein Bier trinken wollen? Seine erste Wahl: Müntefering. Aber der ist ja auch raus. Wie wär’s mit einem Bier mit Olaf Scholz? „Vielleicht ein alkoholfreies“, analysiert Daniel. Er steht kurz vorm Parteiaustritt, aber nicht wegen Scholz, sondern wegen Woidke und dem BSW. Ein Zimmer weiter kocht die Stimmung schon hoch, einer ruft, er sei „amazed“. Das Office kommt auf Betriebstemperatur.