Weltflucht für Eltern: Wie viel Rückzug ist gesund? – Gesellschaft

Dieser Text stammt aus dem Familien-Newsletter der Süddeutschen Zeitung, der jeden Freitagabend verschickt wird. Hier können Sie ihn abonnieren.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Menschen, denen die Demokratie am Herzen liegt, haben es gerade nicht leicht. Stellt sich die Frage: Wie umgehen mit der Misere jenseits und diesseits des Atlantiks? „Gegen den täglichen Schock aus Trump, Weidel und Klima hilft nur noch Fatalismus“, schreibt meine Kollegin Friederike Zoe Grasshoff in ihrem unterhaltsamen Essay über die „Geisteshaltung der Stunde“.

Ein anderer Weg könnte der viel beschriebene Rückzug ins Private sein. Ich habe das in meiner Elternzeit getestet und mich für neun Monate aus dem Weltgeschehen ausgeklinkt: keine Push-Nachrichten auf dem Handy, keine Zeitung, kein „Heute Journal“.

Mit Kindern gelingt dieser Rückzug einerseits leicht. Besonders jetzt im Winter, wo ständig irgendwer erkältet ist und zu Hause betreut werden muss. Wäsche waschen, Rotz abwischen, Höhle bauen, kurz per Videoschalte am Arbeitsmeeting teilnehmen, Essen kochen, Vorlesen. Nach so einem Tradwive-Tag habe ich selten das Bedürfnis, mir von Marietta Slomka noch schnell den Untergang der freien Welt erklären zu lassen.

Andererseits ist Weltflucht für Eltern eben gerade nicht leicht. Ich möchte ja nicht nur, dass die Kinder bald wieder in die Kita gehen. Ich will, dass meine Töchter gleichberechtigt mit den Söhnen anderer Leute aufwachsen. In einer Gesellschaft, die im Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht kapituliert. In einer Welt, in der Menschen einander auf Augenhöhe begegnen – auch wenn sie unterschiedlich aussehen und verschiedene Sprachen sprechen. Entschuldigen Sie, ich klinge wie Frank-Walter Steinmeier in seiner Neujahrsansprache.

Mein Kollege Johan Schloemann hat es so formuliert: „Pausen braucht jeder, aber sie dürfen nicht zur dauerhaften Lähmung der liberalen Mitte führen.“ Ich bin da ganz bei ihm und empfehle Ihnen seinen Text über den Wert des Anstands.

Für mich persönlich gehört dazu, dass ich für meine Überzeugungen auf die Straße gehe. Gerne mit der ganzen Familie, das nächste Mal am 8. Februar in München. Das kann man natürlich auch falsch finden. Ob man kleine Kinder auf Demos mitnehmen sollte, haben Mareen Linnartz und Ronen Steinke vergangenes Jahr hier diskutiert.

Wie sehen Sie das? Wie viel Weltflucht gönnen Sie sich? Und wie geht es Ihnen damit? Ich freue mich über Ihre Zuschriften.

Ein schönes Wochenende wünscht

Felicitas Kock