Anlässlich der „Better Future Conference“ gab es am 15. November 2024 wieder einen Better-Future-Talk im Berliner Journalistenclub von Axel Springer, bei dem sich Experten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft regelmäßig zu einem relevanten Thema austauschen. Im Mittelpunkt stand diesmal das Thema Mehrweg.
Ob Dosenbier, Joghurtbecher oder Pizzakartons. Einwegprodukte sind in unserem Alltag immer noch allgegenwärtig, der Verpackungsmüllberg wächst weiter. Dass Mehrweg die Umwelt entlastet, darüber herrschte in der Runde Einigkeit. Doch wie setzt man flächendeckende Mehrweglösungen um – mit oder ohne politische Vorgaben, durch freiwillige Vereinbarungen und in allen Bereichen? Das fragte Moderatorin und WELT-Redakteurin Inga Michler.
„Mehrweg ist Teil unserer DNA“, begann Holger Eichele. „Wir haben vor mehr als 100 Jahren angefangen, Mehrwegsysteme zu etablieren“, umriss der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes den Anfang einer Vorreiterrolle. „Heute liegt unser Anteil bei 80 Prozent, also zehn Prozent über der gesetzlichen Vorgabe.“ Bei geschätzten drei bis vier Milliarden Bierflaschen auf dem deutschen Markt sei das eine europaweit beispielsweise Erfolgsgeschichte. Damit das so bleibt, forderte Eichele Unterstützung: „Wir brauchen eine planbare und verlässliche Politik. Wir haben in den vergangenen drei Jahren das Gegenteil davon erlebt. Wir brauchen Stabilisierungen!“ Als absurdes Beispiel erinnerte er an das Ansinnen der EU, Mehrwegkästen nicht mehr zu verwenden, weil sie zu viel Luftraum beim Rücktransport enthielten.
Mehrwegquote liegt bei 42 Prozent
1990 lag die deutsche Mehrwegquote noch bei 19 Prozent. „Heute sind es 42 Prozent“, sagte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), „damit stehen wir im europäischen Vergleich noch gut da.“ Trotzdem wünschte sie sich, dass die 70-Prozent-Regel für alle verbindlich gemacht werde. Es kranke daran, dass Unternehmen wie etwa Rewe einen Anteil von 66 Prozent Mehrweg bei Verpackungen im Getränkebereich erzielten und einige Discounter bei null Prozent lägen.
„Wir müssen einfacher und standardisierter werden“, beschrieb Daniela Büchel, Vorstand Rewe Group, das Hauptproblem. Die Kunden wollten Mehrweg, aber es bräuchte einfachere Systeme für sie. Sie, das sind allein bei Rewe Deutschland 50 Millionen Kunden wöchentlich, die in ungefähr 3700 Märkten einkaufen. Büchel wünschte sich einen Dialogprozess mit anderen Lebensmitteleinzelhändlern, um eine Standardisierung nicht nur bei Getränken, sondern zum Beispiel auch für Take-away-Produkte hinzubekommen. „Da ist brutal viel Potenzial.“ Büchel berichtete von einem Test, der in Berlin läuft und vom Nabu unterstützt wird. Barbara Metz ergänzte: „Wir versuchen gerade mit den Supermärkten der Rewe-Gruppe zu erreichen, dass in den Rückgabe-Automaten, die man von den Pfandflaschen ja schon kennt, auch Take-away-Geschirr zurückgegeben werden kann.“
Zwingende Rücknahmepflicht?
„Im Convenience-Bereich sind wir noch ziemlich am Anfang, da würde ein Roundtable mit anderen Anbietern schon Sinn machen“, so die Rewe-Vorständin Büchel. Ihrer Meinung nach komme „das Ding nur ans Fliegen“, wenn es überall eine Rücknahmepflicht gebe und diese überall angeboten werde. „Wir haben auch keine Patentlösung, würden aber gern den Dialogprozess zur Standardisierung für Mehrweg-Rücknahme anstoßen.“
Judith Skudelny, Umweltexpertin der FDP, unterstützt das Anliegen: „Ich glaube durchaus, dass große Marken großen Einfluss haben.“ Auch sie regte an, dass Ketten sich zusammensetzen und ihre Erkenntnisse freiwillig umsetzen sollten. Politik hingegen hätte immer nur starre Vorgaben. „Ich glaube nicht an ,One-Size-fits-all‘“, sagt die Politikerin. Was zum Beispiel in der Großstadt funktioniere, sei nicht zwangsläufig im ländlichen Raum umzusetzen.
Ohne Vorgaben gehe es aber nicht, meinte Barbara Metz von der DUH. Dass es diese Vorgabe bereits gebe, darauf wies Holger Eichele hin: „Wir haben das Verpackungsgesetz. Wenn die Wirtschaft das nicht umsetzt, muss die Bundesregierung reagieren.“
Verpackungsteuer im To-go-Bereich
Die Deutsche Umwelthilfe würde gern darüber hinaus eine Lenkungsabgabe auf Einweg-Plastikflaschen zusätzlich zum Pfand einführen. „Außerdem brauchen wir eine bundesweite Verpackungsteuer im To-go-Bereich“, forderte Barbara Metz und verwies auf Tübingen, eine Stadt, die bereits die Verpackungssteuer im Take-away-Bereich eingeführt hat. „Da fallen deutlich weniger Verpackungen an und Kosten für die Stadtreinigung werden gespart.“