

Hannover · Verspätet, gestrandet, genervt? Kunden der Bahn sind vieles gewohnt. Ab wie vielen Minuten Sie Geld zurückbekommen – und wann die Bahn sogar Taxi oder Hotel bezahlen muss.
Ihr Zug hat Verspätung, weil diesmal das stürmische Herbstwetter den Verkehr ausbremste? Oder gab’s einen anderen Grund? Ärgerlich – hoffentlich dauert es nicht zu lange. Immerhin können Sie grundsätzlich ab einer gewissen Verspätung in vielen Fällen auch Entschädigungen verlangen.
Beispielsweise dann, wenn der Zug mindestens eine Stunde später als geplant ankommt. Dann stehen Kunden in der Regel Geldzahlungen in der Höhe von 25 Prozent des Ticketpreises zu. Kommt der Zug mindestens zwei Stunden später an, kann die Hälfte des ursprünglichen Preises eingefordert werden.
Allerdings, so die Verbraucherzentralen (VZ) Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, immer nur dann, wenn der zu erstattende Betrag mindestens vier Euro beträgt.
Reise ist nun sinnlos – bei Nichtantritt gibt’s in diesen Fällen Geld
Alternativ können Kunden in solchen Fällen – wie auch bei einem Zugausfall – auf die Beförderung verzichten und den vollen Ticketpreis zurückfordern. Voraussetzung: Es ist vorher absehbar, dass die Verspätung am Zielort mindestens 60 Minuten beträgt. Reisende können dann auch unterwegs ihre Reise abbrechen, sich die restliche Strecke auszahlen lassen oder kostenlos zum Startbahnhof zurückkehren und den Preis komplett einfordern.
Wichtig: Möglichst viele Informationen über Ausfälle, Veränderungen oder Verspätungen dokumentieren. Etwa über Screenshots in der Bahn-App, Fotos von Anzeigetafeln, oder indem man sich entsprechende Verspätungen vom Bahnpersonal bestätigen lässt. Dazu rät Markus Hagge, Rechtsexperte bei der VZ Niedersachsen. Auch wenn man laut Deutscher Bahn zur Geltendmachung von Fahrgastrechteansprüchen keine Verspätungsbescheinigung benötigt.
Online schreibt der Konzern dazu: „Die Ansprüche werden durch das jeweilige Eisenbahnverkehrsunternehmen reguliert, auch ohne eine solche Bescheinigung.“ Dies sei möglich, da sämtliche Zugverspätungen oder Ausfälle in den Informationssystemen elektronisch erfasst und ausgewertet werden. Dennoch ist man mit eigenen Nachweisen im Zweifel auf der sicheren Seite.
Für das Einreichen der Beschwerde hat man drei Monate Zeit – man kann das entweder in der Navigator-App der DB, online über die Bahn-Website oder über das Fahrgastrechte-Formular machen.
Auch für Nutzer des Deutschlandtickets oder anderer Zeitfahrkarten gibt es Entschädigungspauschalen. Diese sind laut ADAC wie folgt gestaffelt:
- Zeitfahrkarten des Fernverkehrs: 5 Euro (2. Klasse), 7,50 Euro (1. Klasse)
- Zeitfahrkarten des Nahverkehrs: 1,50 Euro (2. Klasse), 2,25 Euro (1. Klasse)
- Bahncard 100: 10 Euro (2. Klasse), 15 Euro (1. Klasse)
Insgesamt werden maximal 25 Prozent des Zeitfahrkartenwerts entschädigt.
Wichtig: Entschädigungsbeträge unter vier Euro werden aufgrund einer gesetzlichen Bagatellgrenze nicht ausgezahlt. Es empfiehlt sich daher, mehrere Verspätungsfälle zu sammeln und diese dann zusammen einzureichen.
Polizeieinsätze, Notfälle und weitere außergewöhnliche Umstände
Einen Haken gibt es aber in Bezug auf die Entschädigungen. Denn seit Juni 2023 ist eine Neufassung der betreffenden EU-Verordnung in Kraft. Seither ist es vereinfacht gesagt so, dass der Anspruch auf Entschädigung entfällt, wenn Verspätung oder Ausfall aufgrund sogenannter außergewöhnlicher Umstände eingetreten sind, die nicht im Einflussbereich des Bahnunternehmens liegen.
- Extreme Wetterbedingungen wie Naturkatastrophen
- das Verhalten Dritter (etwa behördliche Maßnahmen, die den Zugbetrieb betreffen, z. B. Polizeieinsätze)
- das Verschulden des einzelnen Fahrgastes
Allerdings: Normale jahreszeitlich bedingte Witterungsbedingungen wie Herbststürme sind laut den NRW-Verbraucherschützern nicht mit den außergewöhnlichen Umständen gemeint. Allerdings kann das in Grenzfällen auch anders ausfallen. Etwa, wenn sich daraus ein Katastrophenfall entwickelt. „Die Bahn könnte in Grenzfällen versuchen, so zu argumentieren“, sagt Rechtsexperte Markus Hagge.
Übrigens: Wenn das eigene Personal streikt, kann sich die Bahn nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen.
Weitere Fahrgastrechte bleiben unangetastet
Aber selbst wenn außergewöhnliche Umstände im Einzelfall eintreten würden, die für das Bahnunternehmen unvermeidbar waren: Es betrifft dann nur die Entschädigungsansprüche. Nicht betroffen davon sind die weiteren Rechte der Reisenden – denn den Weitertransport und die Versorgung der Reisenden müssen Anbieter wie die Bahn immer aufrechterhalten.
Die Bahn muss beispielsweise innerhalb von 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrt über Möglichkeiten zur Weiterreise informieren, wenn ein Zug sich verspätet oder ausfällt. In manchen Fällen muss die Bahn auch Hotel- und Taxikosten übernehmen. Etwa, wenn man am späten Abend an einem Bahnhof strandet und von der Bahn kein eigener Ersatzverkehr organisiert wird.
Auch Essen und Getränke müssen ab 60 Minuten im angemessenen Verhältnis zur Wartezeit kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das gilt laut ADAC aber nur, wenn dies im Zug oder Bahnhof organisierbar sei.
Denn die zugrundeliegende EU-Verordnung bleibt in puncto Mahlzeiten und Erfrischungen vage. Konkret heißt es darin: „Sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder unter Berücksichtigung von Kriterien wie der Entfernung vom Lieferanten, der erforderlichen Lieferzeit und der Kosten vernünftigerweise lieferbar sind.“
Sprich, hier kommt es im Einzelfall drauf an, was da ist – manchmal eben nur die berühmte Flasche Wasser, die man vielleicht im Bordbistro abholen darf.
Mit der Bahn starten und mit dem Taxi ankommen – oder im Hotel
Wer planmäßig zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr ankommen sollte und bei einer zu erwartenden Verspätung von mindestens 60 Minuten am Zielbahnhof vorher gestrandet ist, darf mit dem Taxi weiter fahren. Die Kosten darf man sich erstatten lassen – bis zu einer Höhe von 120 Euro.
Das gilt auch dann, wenn man den Zielbahnhof nicht bis 24.00 Uhr erreichen konnte, ohne ein anderes Verkehrsmittel zu nehmen.
Wer aber die Fahrt aus den genannten Gründen nicht am selben Tag fortsetzen konnte oder für wen die Weiterreise am selben Tag nicht zumutbar sei, bekomme angemessene Übernachtungskosten erstattet, so die Verbraucherschützer.
Ganz wichtig: Wenn das entsprechende Eisenbahnunternehmen eigene Alternativen zum Weitertransport zur Verfügung stellt und das in deren Geschäftsbedingungen (AGB) auch so ausformuliert, haben diese laut Markus Hagge Vorrang vor der genannten selbst organisierten Weiterreise. Denn je nach Einzelfall weist die Bahn vor Ort Betroffenen auch von sich aus entsprechende Taxigutscheine oder Hotelgutscheine zu.
Sie müssen nicht zur Bahnhofsmission
Aber was ist, wenn vor Ort niemand mehr da ist oder das Personal sich nicht auskennt und einen abweist? „Man kann dem Passagier nicht zumuten, auf dem Bahnhof zu schlafen oder zur Bahnhofsmission zu gehen“, sagt Markus Hagge.
Heißt das, Reisende können dann – falls kein Personal vor Ort mehr ansprechbar ist oder nicht kundig ist – zum nächsten Hotel fahren, einchecken und Hotelkosten und Transfer der Bahn in Rechnung stellen? „Genau, ich würde dem Reisenden empfehlen, eine Möglichkeit zu wählen, mit der man sicher übernachten kann“, sagt Hagge und ergänzt: „Aber man hat hier auch die sogenannte Schadenminderungspflicht zu beachten.“
Stehen etwa mehrere Hotels in der Nähe zur Auswahl, sollte man nicht unbedingt das Fünf-Sterne-Hotel wählen. Und wenn die Taxifahrt zum Zielort günstiger ist als die Übernachtung, dann sollte man die Taxifahrt wählen. Es gilt immer: So viele Belege und Dokumentationen wie möglich sammeln, so Hagge.
Wie komme ich denn weiter? Sparpreistickets flexibel nutzen
Wer bei größeren Verspätungen mit einem anderen Zug weiterfahren will, kann das tun. Dann ist etwa auch bei Sparpreisen sowie Super-Sparpreisen der Deutschen Bahn die Zugbindung aufgehoben, man kann also auch höherwertige Verbindungen nutzen. Praktisch ist insbesondere, wenn man das schon vor der Abreise mitgeteilt bekommt und umdisponieren kann oder will.
„Sie können eine spätere Verbindung Ihrer Wahl nutzen (z. B. später am selben Reisetag, einen Tag später oder auch erst in 3 Wochen. Dies ist bis zu einem Jahr nach ursprünglichem Reisedatum möglich)“, schreibt die Deutsche Bahn auf ihrer Website zur aufgehobenen Zugbindung. Das ist unter anderem der Fall bei einer Zugverspätung von mehr als 20 Minuten.
Wer nur ein Nahverkehrsticket hat, darf auch höherwertige Züge wählen, muss aber die Ticketaufschläge zunächst aus eigener Tasche zahlen und kann sich diesen Betrag nachträglich zurückerstatten lassen. Für Deutschlandtickets gilt das aber nur eingeschränkt – bei den nächtlichen Verspätungsfällen.
Übrigens: Die Entschädigungsrechte ab Ankunftsverspätungen von mehr als einer Stunde sind grundsätzlich auch bei später angetretenen Reisen dieselben, sagt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn. Sprich, man sollte die vorab prognostizierte Verspätung gut dokumentieren, wenn man eine spätere Verbindung nutzt. Auch hier gelten die eingangs erwähnten Staffelungen ab 60 und ab 120 Minuten mit 25 bzw. 50 Prozent Ticketpreis-Erstattung.
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