Am Schluss gerieten Elon Musk und Alice Weidel ins Philosophieren – über Gott und das Weltall. Zuvor hatten sie sich rund fünfzig Minuten irdischen Fragen zugewandt, etwa jener, warum sie beide die AfD für die letzte Rettung Deutschlands halten. Der Tech-Milliardär Musk wiederholte seine Wahlempfehlung am Donnerstagabend im Gespräch mit Weidel mehrfach, und Weidel, Co-Vorsitzende der so gepriesenen Partei, führte aus, was das Programm ihrer Partei sei.
Über weite Teile geriet das allerdings weniger konzentriert als in ihren sonstigen Äußerungen. Zahlreiche AfD-Fans zeigten sich anschließend enttäuscht, sprachen davon, dass die Sache der AfD wohl mehr geschadet als genutzt habe. Andere lobten Weidel.
Pünktlich um sieben Uhr abends begannen die beiden ihren „Space“ auf Musks Netzwerk „X“. Ein „Space“ ist eine Art Live-Podcast, in dem mehrere Personen – in diesem Fall zwei – reden und beliebig viele zuhören können. Eine Bildübertagung gab es nicht, dafür aber sauberen Ton und eine stabile Verbindung. Anhänger Weidels hatten zuvor im Netz gemutmaßt, die Bundesregierung könnte das Internet abstellen oder stören, um zu verhindern, dass Bürger dem Talk folgten. Weltweit waren auf dem Höhepunkt der Einschaltquote gut 200.000 sichtbare Nutzer auf „X“ dabei. Es war auch möglich, sich anonym dazuzuschalten; die tatsächliche Zahl dürfte also höher gelegen haben als die sichtbare.
Musk und Weidel: eher Plauderton als Interview
Musk und Weidel sprachen Englisch miteinander, eher im Plauderton als wie in einem Interview. Dabei übernahm Musk über weite Strecken die Rolle des Stichwortgebers. Zunächst wollte er wissen, wie Weidel die AfD beschreiben würde für Leute, die sie noch nicht kennten. Weidel skizzierte die Gründung ihrer Partei als eine Reaktion auf die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der „ersten grünen Kanzlerin“, die „unser Land ruiniert“ habe. Als Beispiele dafür nannte sie die Migrationspolitik und die Abkehr von der Atomkraft. Auch Musk befand, es sollte deutlich mehr Atomkraftwerke in Deutschland geben.
Weidel, die, ob wegen ihres auch von Teilen ihrer Anhänger als enttäuschend unelegant empfundenen Englischs oder der unbestreitbar enormen Größe der Bühne zunächst nervös wirkte, redete sich beim Thema Bürokratie warm. Auch hier konnte Musk beipflichten: Er habe, als er sein Tesa-Werk bei Berlin eröffnen wollte, auch damit zu kämpfen gehabt. Zwar erwähnte er, dass er „jede Menge Unterstützung“ von Bundes- und Landesregierung bekommen habe; aber es habe einfach sehr viele Regeln gegeben. 25.000 Seiten habe die Genehmigung für das Werk umfasst, von einem ganzen Lastwagen voller Papier sprach er.
Das Leben in Deutschland schilderte Weidel in düsteren Farben. Eine „woke, linke, sozialistische Agenda“ dominiere das Bildungssystem, Gender Studies seien allgegenwärtig. Die CDU sei eine links-grüne Partei, und deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe die Welt vor Trump gewarnt. „Unglaublich“ sei es, wie die deutschen Medien und Politiker Trump behandelten. Musk nutze das Stichwort, um eine Parallele zwischen Trump-Wählern und AfD-Wählern zu ziehen. Beide wollten echte Veränderung. Darum eben empfehle er Weidels Partei.
Weidel spricht von Adolf Hitler als „Kommunist“
Die AfD-Vorsitzende kam sodann auf Adolf Hitler zu sprechen. „Weißt du, was Adolf Hitler als Erstes getan hat?“, fragte sie Musk. Und gab die Antwort gleich selbst: Hitler habe die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Ohne diese Entscheidung wäre er nie so erfolgreich gewesen. Weidel nannte Hitler einen „Kommunisten“, es sei falsch, ihn als rechts und konservativ zu beschreiben. Diese Attribute nahm Weidel vielmehr für ihre Partei, die vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextrem eingestuft wird, in Anspruch.
Auch Kriege wie der Russlands gegen die Ukraine und der Nahostkonflikt wurden gestreift. Weidel warnte mit Blick auf die Ukraine vor einem Atomkrieg und kritisierte die Bundesregierung wie auch die Regierungschefs anderer EU-Staaten dafür, „keinen Plan“ zu haben und keine roten Linien zu kennen.
Auf Musks Frage danach, welche Meinung Weidel zu Israel habe, druckste Weidel zunächst herum. „Je mehr man dazu liest, desto komplizierter wird es“. Sie versuchte, die Frage an Musk zurückzugeben, und bat diesen um Antwort. Doch der insistierte hier, wollte wissen, ob Weidel das Existenzrecht Israels anerkenne. „Ach so“, entfuhr es der offenkundig erleichtert. Dies unbedingt. Die AfD sei im Übrigen die einzige Schutzmacht für Juden in Deutschland. Andere Parteien ließen Millionen Fremde ins Land.
Musk spricht auch vom Leid der Palästinenser
Musk führte daraufhin seine Gedanken zum Nahostkonflikt aus, die deutlich differenzierter erschienen. Er wies etwa auf das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung hin und darauf, dass es wichtig sei, dass die palästinensischen Gebiete irgendwann zu Wohlstand kämen. Sonst werde die Region keinen Frieden finden. Man brauche für Lösungen Stärke, aber auch die Fähigkeit, zu vergeben.
Die raschen Themenwechsel nahm Weidel zum Anlass, selbst einen solchen vorzuschlagen: Sie fragte, wann Musk anstrebe, seine erste Mars-Mission loszuschicken. Das Thema schien dem Space-X-Gründer gelegen zu kommen, er schilderte ausführlich seine Überlegungen zur Raumfahrt und dem Traum, dass die Menschen auf mehreren Planeten leben könnten. In zwei Jahren sei die Mars-Mission so weit.
Weiter kamen die beiden auf Gott zu sprechen. Weidel und Musk sehen sich beide als Agnostiker. Musk flocht in seine Ausführungen noch einige Gedanken zu dem Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ ein, um dann – zwischendurch attestierte Weidel ihm, dass sie es inspirierend finde, ihm zuzuhören – beinahe philosophisch zu werden. Die Menschen sollten sich bemühen, das Universum besser zu verstehen und sich zu überlegen, welche Fragen zu stellen wären für die Antwort, die das Universum ist.
Weidel beendet das Gespräch selbst
Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 75 Minuten vergangen. Für Weidel offenbar genug. Sie beendete das Gespräch höflich, aber bestimmt. Musks letzter Satz sei doch ein perfektes Schlusswort gewesen. Sie wisse nicht, wie man danach noch weiterreden sollte. Und dankte für das Gespräch. Musk dankte ebenfalls. Unmittelbar nach dem Gespräch begann er damit, Tweets mit Zitaten von sich, die andere gepostet hatten, zu verbreiten.
Im Vorfeld des Gesprächs war auch die Frage laut geworden, wie mit möglichen Verstößen gegen EU-Recht umzugehen sei, die es im Zusammenhang mit dem Format geben könnte. Wie „Politico“ berichtete, sollten bis zu 150 Beamte der EU das Gespräch mitverfolgen. Sie sollen dabei prüfen, ob sich Musk und seine Plattform X an EU-Regeln halten.
Hintergrund war die Sorge, dass Musk oder seine Leute gegen EU-Gesetze verstoßen könnten, indem sie die Algorithmen entsprechend veränderten. So könnte Musk Inhalte der AfD mithilfe der Algorithmen stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken oder die Reichweite anderer Parteien und Politiker drosseln. In der Vergangenheit soll Musk eigene Tweets schon auf diese Weise betont haben.
War das Gespräch auf X ein geldwerter Vorteil für die AfD?
Das Gespräch verstößt nach Einschätzung der EU-Kommission aber nicht gegen die Regeln für Onlinedienste, den sogenannten Digital Services Act. Musk dürfe seine „politischen Meinungen in der EU äußern, sowohl online als auch offline. Das ist sein gutes Recht“, sagte EU-Kommissionssprecher Thomas Regnier Anfang der Woche in Brüssel.
Ein Verstoß gegen den Digital Services Act wäre es, wenn im Gespräch illegale Aussagen fallen würden. Auch die Bundestagsverwaltung prüft, ob Musks Einsatz für die AfD gegen Gesetze verstößt. Sie hat eine Prüfung eingeleitet, ob es sich bei dem Engagement von Musk um eine illegale Parteispende handeln könnte. Es werde „im vorliegenden Fall derzeit eine Sachverhaltsklärung durchgeführt“, sagte ein Bundestagssprecher am Donnerstag in Berlin. Geprüft wird, ob es sich bei der Werbung von Musk auf X um einen „geldwerten Vorteil“ für die AfD handelt, der ihr aus dem Ausland verschafft wird.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte im Vorfeld des Gesprächs zur Gelassenheit im Umgang mit den Plattformen X und Meta geraten. „Nicht alles, worüber man sich aufregt, ist gleichzeitig illegal“, sagte er am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk. „In Wahlkämpfen muss man auch Dinge aushalten, die man persönlich als unangemessen, unanständig oder nicht akzeptabel empfindet.“