
D.O. Bullas
Satt und süß schmecken die blau glänzenden Trauben, die Pepa mir zum Probieren gibt. Es sind die letzten, de segunda flor, die zwischen den rostfarbenen Blättern der bereits abgeernteten Weinreben hängen. Jetzt im Oktober ist auch im Valle de Aceche die Weinlese schon abgeschlossen, die Trauben sind gepresst und aus ihrem Saft reift langsam ein köstlicher Wein heran.
In Murcia gibt es gleich drei Weinanbaugebiete mit geschützter Herkunftsbezeichung: D.O. Jumilla, D.O. Yecla und D.O. Bullas, von denen Bullas das kleinste ist und sich mit rund 1500 Hektar Fläche auf mehrere Gemeinden erstreckt. Ein paar der insgesamt 12 Bodegas finden sich in der Nähe oder gar im Ort Bullas selbst. Die meisten kleinen Weinbauern arbeiten in der Kooperative Bodegas del Rosario zusammen, die den größten Teil der Produktion ausmacht. Doch ein paar Weingüter produzieren und verkaufen auch ihre eigenen Weine. Im Weinmuseum von Bullas kann man sich nicht nur einen guten Überblick über die Weine der D.O. verschaffen, sondern taucht in die Geschichte des Weinanbaus in der Region ein.
Wir betreten einen dunklen Raum, in dem ein Video (auch in deutscher Sprache) die Region vorstellt. Dann hebt sich überraschend die Leinwand, und wir blicken auf eine Szene die zeigt, wie zwei Weinbauern in früheren Jahrhunderten arbeiteten. Da das heutige Museum in einer ehemaligen Bodega eingerichtet wurde, kann man die originalen Tinajas bestaunen, große in die Erde eingelassene Tongefäße, in denen der Wein damals gelagert wurde. Außer zahlreichen Tafeln, die erklären, wie Klima und Böden den Geschmack der Trauben beeinflussen, werden auch traditionelle Werkzeuge und Maschinen gezeigt, die man beim Weinanbau einsetzte. Besonders schön finde ich die Duftsäulen und Fühlboxen, die nicht nur Kindern Spaß machen. Auch ich muss lachen, wenn ich meine Hand in die dunkle Öffnung stecke, um zu beschreiben, was ich da fühle. Eine sehr anschauliche Möglichkeit, den Weinanbau mit allen Sinnen zu erleben und verstehen zu lernen.
Nach dem Besuch des Museo del Vino fahren wir zur Bodega Balcona, einem der kleinen Weingüter im Valle de Aceniche. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einem kleinen Wasserlauf vorbei. Von hier aus führen Wanderwege zum Salto del Usero, einem hübsch gelegenen Wasserfall, dessen Namen ich mir für meinen nächsten Besuch zu merken versuche, denn das Tal liegt so ruhig und schön, wenn ich wieder einmal hier in der Nähe sein sollte, möchte ich mir den ansehen.
In dem kleinen Valle de Aceniche herrscht totale Stille. Es gibt keine wichtige Straße, keine Industrie, keine große Ortschaft in der Nähe. Pepa, die das familiäre Weingut mit ihren Geschwistern führt, erwartet uns. Bei einem Spaziergang durch die Weinstöcke, erklärt sie, dass der Name des Tals aus dem Arabischen stammt und so viel wie valle cerrado, „versteckter Ort“, bedeutet. Normalerweise würde die Weinlese in diesem Tal im Oktober stattfinden, aber durch die Hitze des Sommers verschiebt sich die Ernte wie überall, sodass die Trauben schon deutlich früher, im September gelesen wurden.
Ein paar Trauben sind jedoch noch übriggeblieben und während wir die süßen Früchte probieren, erklärt Pepa uns die Unterschiede in Farbe und Traubenhang und das nachhaltige Konzept, mit dem sie hier natürliche Weine produziert. Neben Monastrell, der wichtigsten einheimischen Traubensorte, kosten wir Macabeo und Tempranillo. Inmitten der Weinreben sorgen die dicken Steine auf dem Boden dafür, dass das Wasser, ein wertvolles Gut, nicht so schnell verdunstet. Durch die Höhenlage herrschen hier traditionell ideale Bedingungen für den Weinanbau. Weil es im Winter auch mal unter null Grad kalt werden kann, hat man zum Glück keine Sorgen mit Plagen.
Die ersten Weinstöcke der Bodega legte Pepas Großmutter Josefina noch in der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs an. Eine engagierte und tatkräftige Frau, die sich auch in schwierigen Momenten nicht unterkriegen ließ und die Grundlage der heutigen Bodega Balcona schuf. Später übernahm ihre Tochter Dolores das Weingut, heute tragen Enkelin Pepa und ihre Geschwister das familiäre Erbe weiter. Pepa produziert und verkauft jedoch nicht nur die ohne jegliche Art von Pestiziden angebauten Weine, sondern organisiert auch Führungen und Verkostungen, bei denen sie ihre Philosophie erklärt, denn die Weine der Bodega Balcona sind ausschließlich natürliche Weine, oder wie Pepa sagt, ihre Weine sind das, was die Trauben ihr geben.
Wir probieren die weißen, rosé und zwei der roten Weine. Dazu gibt es Mandeln, Wurst und Queso de Murcia de Vino tinto, einen in Rotwein getauchten Ziegenkäse. Am besten schmecken mir der Weißwein, den lässt Pepa in französischen Eichenholzfässern reifen, der rote Partal und der 37 Barricas, von denen ich mir zu Weihnachten ein paar Flaschen von der Website schicken lassen werde.
Bummel durch Bullas
Nach dem Besuch des Weinguts ist noch Zeit für einen Bummel durch das kleine Örtchen Bullas. Auf dem Platz vor der gelb strahlenden Kirche erhebt sich ein kleines Denkmal, ein Mann, der Trauben auf traditionelle Weise mit den Füßen tritt. Direkt dahinter leuchtet in prächtigem blau ein modernistischer Palast, el Palacete de los Melgares.
Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts erteilte die wohlhabende Familie den Architekten den Auftrag zum Bau dieses repräsentativen Gebäudes. Die Architekten Victor Beltrí und Pedro Celdrán entwarfen den palast in einem damals angesagten modernistischen Stil, besonders innen reich mit neo-mudejar Elementen geschmückt, die an die maurische Architektur erinnern. Ein wenig erinnert der Stil an eines von Gaudís ganz frühen Werken die Casa Vicens in Barcelona. Mit all denen feinen Linien und Mustern spürt man hier deutlich mehr Alhambra-Ambiente als im nördlichen Barcelona. Im oberen Stockwerk ist noch der Originalfußboden erhalten, modernistische Fliesen, die ein römisches Mosaik nachahmen. Dieses wunderschöne Gebäude gehört inzwischen der Gemeinde und dient mit Ausstellungsräumen und Bibliothek ausgestattet, als Kulturzentrum Bullas.
Auf der Plaza Vieja, einem hübschen, zentralen Platz, findet einmal im Monat ein Kunsthandwerksmarkt statt, el Zacatín, bei dem Korbflechter, Töpfer, Bäcker, Schmiede und Anbieter lokaler Produkte, ihre Waren zeigen.
Direkt an dem Platz befindet sich das Restaurant, in dem wir zu Mittag essen: das Entretempo. Ein kleiner Familienbetrieb, mit Schwerpunkt auf lokalen Produkten der Region. Wir probieren zu den gesalzenen Mandeln (aus der Region) die Hueva de Pescado, eine traditionelle Spezialität. Die orangefarbene Scheiben mit gummibärchenartiger Konsistenz, sind gesalzene und luftgetrocknete Fischrogen, die mich vom Geschmack her ein wenig an Mojama, den Schinken des Meeres, erinnern.
Dann serviert uns Antonio de Valcarcel eine traditionelle Ajoblanco Suppe mit einem Carpaccio aus eingelegten, weißen Gambas, wie ein Ceviche. Köstlich! Anschließend dürfen wir noch eine aromatische Makrele probieren, eine frische einheimische Tomate, die allein mit etwas Olivenöl einfach umwerfend aromatisch im Geschmack ist, das zarte helle Fleisch einer Corvina mit Parmentier und werden zum Abschluss mit einer hausgemachten Zitronentarte verwöhnt.
Jeder Gang ein echtes Erlebnis, alles war so lecker und so ein netter Service! Tolles Essen und tolle Weine, die aus Murcia stammen oder sogar zur D.O. Bullas gehören wie Monastrell, Pura Viña oder Caliza en los Bolsillos von Jorge Piernas.
Informationen zu Bullas
Bodega Balcona
Paraje Aceniche
30180 Bullas, Murcia
bodegabalcona.com/de/
Museo del Vino
Av. de Murcia 75
30180 Bullas, Murcia
Website museo-del-vino
El Zacatín
Jeden ersten Sonntag im Monat vormittags auf der Plaza Vieja de Bullas:
mercadillo-de-productos-tradicionales-el-zacatin
Entretempos Cafe y Vino
Plaza del Teniente Flomesta Moya
30180 Bullas Murcia
instagram.com/entretemposcafeyvino/
Hinweis: Pressereise